Neues Arbeitszeitgesetz: Mehr Schutz oder "Fortschrittsverweigerung"?
Nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts im vergangenen Jahr müssen Arbeitszeiten überall erfasst werden. Nun hat das Bundesarbeitsministerium einen Gesetzentwurf dazu vorgelegt. Der saarländische Unternehmerverband VSU übt daran scharfe Kritik. Die Arbeitskammer kann diese Aufregung nicht nachvollziehen.
Eine Rückkehr zur Stechuhr soll es nicht geben - die tägliche Arbeitszeit von Beschäftigten in Deutschland soll aber künftig elektronisch aufgezeichnet werden. Dabei soll es Ausnahmen geben. Das sind Kernpunkte eines Gesetzentwurfs aus dem Bundesarbeitsministerium für eine Reform des Arbeitszeitgesetzes.
Laut dem Gesetzentwurf soll der Arbeitgeber dazu verpflichtet werden, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer jeweils am Tag der Arbeitsleistung elektronisch aufzuzeichnen. Die Aufzeichnung soll aber auch durch die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer selbst oder durch einen Dritten erfolgen können, zum Beispiel einen Vorgesetzten. Der Arbeitgeber soll die Beschäftigten zudem auf Verlangen über die aufgezeichnete Arbeitszeit informieren.
VSU spricht von "Fortschrittsverweigerung"
Die Vereinigung der Saarländischen Unternehmensverbände (VSU) übt scharfe Kritik an dem Entwurf und spricht von „Fortschrittsverweigerung“. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) habe die Chance vertan, „das Arbeitszeitgesetz, das noch aus den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts stammt, zu modernisieren“, sagte VSU-Hauptgeschäftsführer Martin Schlechter.
Die Vorschriften zur Arbeitszeiterfassung seien zu streng. Die Vertrauensarbeitszeit werde mit dem Entwurf faktisch abgeschafft. Außerdem seien Ruhezeiten zu starr geregelt. Schlechter fordert, dass sich der Landtag für eine Überarbeitung einsetzt.
Arbeitskammer kann VSU-Aufregung nicht nachvollziehen
Die Arbeitskammer des Saarlandes sieht das anders. Der Referentenentwurf des Arbeitszeitgesetztes setze die bereits 2019 beschlossene Verpflichtung des Europäischen Gerichtshofs um, wonach die Arbeitgeber in der EU die kompletten Arbeitszeiten ihrer Beschäftigten erfassen müssen.
„Es geht also nur darum, EU-Standards jetzt auch in Deutschland einzuführen. Im Großteil der Betriebe wird das sowieso gemacht. Die Aufregung des VSU zum Referentenentwurf kann ich deshalb nicht verstehen“, sagte Arbeitskammer-Hauptgeschäftsführer Thomas Otto.
Durch das Urteil und durch das geplante Arbeitszeitgesetz biete sich die Chance, Beschäftigte in Zukunft besser vor Überlastung und Ausbeutung zu schützen. Das gelte auch gerade für diejenigen, die mobil arbeiten. Demnach leisteten nach einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung Beschäftigte ohne eine solche Zeiterfassung im Homeoffice nicht nur mehr Überstunden, sie seien auch weniger erholt.
"Vertrauensarbeitszeit bleibt möglich"
Auch Vertrauensarbeitszeit bleibe weiter möglich. „Arbeitnehmer können ihre Arbeitszeit weiter frei gestalten. Die Möglichkeit fällt mit der Dokumentationspflicht ja nicht weg. Der Arbeitgeber wird aber dank Dokumentation auf Verstöße gegen die Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes zu Dauer und Lage der Arbeits- und Ruhezeiten von der elektronischen Zeiterfassung informiert. Das sorgt auch für Rechtssicherheit auf Seiten der Arbeitgeber“, so Otto.