Impfpflicht ab 60 im Bundestag gescheitert
Die Impfpflicht ab 60 ist am Donnerstagmittag im Bundestag gescheitert, es gab keine Mehrheit für den Antrag der Ampel-Parteien. Der SR hatte im Vorfeld die saarländischen Abgeordneten befragt, wie sie abstimmen werden. Das Verhalten der Saar-Parlamentarier spiegelt gemäß einer SR-Anfrage die heftigen Debatten zwischen Regierung und Opposition wider.
Eine Zeit lang schien es so, als sei die allgemeine Impfpflicht ganz vom Tisch. Nachdem aber verschiedene Gruppen von Parlamentariern in unterschiedlichen Anträgen immer neue Vorschläge gemacht haben, sollte nun am Donnerstag abgestimmt werden.
Einigung auf gemeinsamen Vorschlag am Dienstag
In einem Vorschlag, den eine Gruppe aus Abgeordneten von SPD, Grünen und FDP erarbeitet hatte, ging es zunächst um eine allgemeine Impfpflicht ab 18, später ab 50 Jahren. Das aber war innerhalb der Ampel-Regierung nicht mehrheitsfähig.
Am Dienstagabend hatten sich dann zwei Gruppen von Abgeordneten aus SPD, Grünen und FDP auf einen gemeinsamen Vorschlag verständigt. Der sah eine Impfpflicht ab 60 und eine verpflichtende Beratung für alle ungeimpften Erwachsenen vor. Doch auch diese Variante scheiterte bei der Abstimmung im Bundestag am Donnerstagmittag.
Handreichung an die Union
Der Antrag sollte auch ein Kompromiss-Angebot an die CDU/CSU-Fraktion sein. Die hatte einen eigenen Antrag eingebracht, der die Grundlage für eine mögliche Impfpflicht zu einem späteren Zeitpunkt schaffen soll und darüber hinaus unter anderem ein Impfregister vorschlägt.
Nadine Schön (CDU), wie alle saarländischen Abgeordneten im Vorfeld der Abstimmung vom SR befragt, wollte sich dem Antrag der Ampel nicht anschließen, sondern für den Antrag ihrer Fraktion stimmen – der aus ihrer Sicht der vernünftigste ist: „Unser Antrag sieht vor, dass wir alle vorbereitenden Maßnahmen treffen, um im Sommer, falls es die Situation erfordert, eine Impfpflicht einführen zu können.“
Auch ihr Fraktionskollege Markus Uhl (CDU) wollte dem Unionsvorschlag für ein sogenanntes Impf-Vorsorgegesetz zustimmen, der am Nachmittag ebenfalls scheiterte. „Er beinhaltet neben dem Aufbau eines Impfregisters auch die Aktivierungsmöglichkeiten für einen Impfmechanismus, sollte dieser erforderlich sein. Damit bietet er die beste Möglichkeit, auf alle künftigen Entwicklungen der Pandemie schnell zu reagieren“, so Uhl. Gleichzeitig könnte die Impfpflicht so in der Umsetzung schwerfälliger werden, weil dann nochmal darüber abgestimmt werden müsste.
Linke und AfD lehnen allgemeine Impfpflicht ab
Thomas Lutze, Bundestagsabgeordneter und Noch-Vorsitzender der Linkspartei im Saarland, meinte, es gebe aktuell Wichtigeres als die Debatte über eine Impfpflicht. Er wollte gegen eine allgemeine Impfpflicht stimmen, „weil ich dort hauptsächlich das Problem sehe, dass die Impfstoffe mich zwar gegen gravierende Erkrankungen schützen, aber trotzdem eine Ansteckungsgefahr von mir ausgeht. Und das ist für mich der entscheidende Punkt.“
Ähnlich argumentierte auch der Abgeordnete der AfD, Christian Wirth. Und fügte hinzu: „Die Impfpflicht ist ein Eingriff in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit, in das allgemeine Persönlichkeitsrecht und in die Glaubens- und Gewissensfreiheit. Dazu müsste ein triftiger Grund vorliegen – und wir sehen dort keine Verhältnismäßigkeit.“
Weil eine Impfung in erster Linie dem eigenen Schutz diene, aber eine Ansteckung nicht in jedem Fall verhindern könne, fällt aus Sicht von Lutze und Wirth zudem das Argument der Solidarität weg.
SPD für allgemeine Impfpflicht
Das sah Josephine Ortleb (SPD) anders. Sie war für eine allgemeine Impfpflicht ab 18 – wollte am Donnerstag aber dem Kompromiss ab 60 Jahren zustimmen. Aus ihrer Sicht wäre eine allgemeine Impfpflicht auch ein wichtiges Signal an die Pflegekräfte: „Die Überlastung im Gesundheitssystem war ja auch immer ein Thema. Wir haben eine Impfpflicht für Pflegekräfte beschlossen – und deswegen ist für mich ein Teil der Solidarität, dass die gesamte Gesellschaft jetzt mitgeht“, so die Abgeordnete.
Auch Esra Limbacher (SPD) wollte sich dem Kompromissvorschlag einer Impfpflicht ab 60 anschließen. Christian Petry (SPD) kann an der Abstimmung nicht teilnehmen. Eine SR-Anfrage an das Büro von Heiko Maas (SPD) blieb unbeantwortet.
FDP-Landeschef setzt auf mehr freiwillige Impfungen
Doch längst nicht alle standen hinter dem Kompromiss-Vorschlag – auch nicht alle Abgeordneten der Regierungsfraktionen. Der Chef der Saar-FDP und parlamentarische Staatssekretär im Verkehrsministerium Oliver Luksic ist für mehr freiwillige Impfungen und kündigte daher an, dem Antrag seines FDP-Kollegen Wolfgang Kubicki zuzustimmen.
Luksic stellte die von Ortleb angesprochene Überlastung des Gesundheitssystems und die Altersgrenze ab 60 infrage: „Ich frage mich, warum aus 18 erst 50 und dann 60 wird. Das ergibt meines Erachtens überhaupt keinen Sinn. Wir haben hier auch eine Impfquote von über 90 Prozent – das heißt, eine solche Impfpflicht ist unnötig. Sie bringt nichts“, so Luksic.
Die intensiven Debatten – und zum Teil heftige politische Gegenwind – in Sachen allgemeine Impfpflicht spiegeln sich auch in den Aussagen der Saar-Abgeordneten wieder. Weil es keinen Fraktionszwang gab, also alle Abgeordneten frei nach ihrer persönlichen Haltung abstimmen konnten, war der Ausgang völlig offen.
Über dieses Thema haben auch die SR-Hörfunknachrichten am 06.04.2022 berichtet.