Schuldspruch im Yeboah-Prozess erwartet – Strafmaß offen
Im Yeboah-Prozess deutet vieles auf einen Schuldspruch hin. Der Angeklagte kann mit einer Verurteilung nach Jugendstrafrecht rechnen. Ob der heute 51-Jährige das Angebot des Gerichts annimmt, ein Geständnis abzulegen und im Gegenzug eine mildere Strafe zu bekommen, ist weiter offen.
Ende März, am 21. Prozesstag, hatte der Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichtes Koblenz eine faustdicke Überraschung parat: Der Vorsitzende Richter bat die Beteiligten im Yeboah-Prozess zu einem Gespräch über eine sogenannte „Verständigung im Strafprozess“, umgangssprachlich auch als Deal bekannt – ein in Strafprozessen inzwischen durchaus gängiges Instrument, um Verfahren abzukürzen und eine ausufernde Beweisaufnahme zu vermeiden.
Vorwürfe abgemildert
Eine Gerichtssprecherin sagte dazu auf SR-Anfrage, das Angebot für ein solches Gespräch deute darauf hin, dass der Senat aktuell von einer hohen Verurteilungswahrscheinlichkeit ausgeht.
Der Vorsitzende Richter erklärte denn auch im Anschluss an das Gespräch, dass der „Senat bei vorläufiger tatsächlicher und rechtlicher Würdigung den Sachverhalt rechtlich entsprechend der Beurteilung in der Anklageschrift einordnet“ – sprich: als Mord und versuchten Mord.
Allerdings gehen die Koblenzer Richter, anders als der Generalbundesanwalt, nicht von 20-fachem versuchtem Mord aus, sondern „nur noch“ von zehnfachem versuchtem Mord. Denn zum Zeitpunkt der Brandlegung habe es im Erdgeschoss der Saarlouiser Asylbewerberunterkunft eine Geburtstagsfeier gegeben.
Der Täter, so das Gericht, konnte „bei lebensnaher Sachverhaltswürdigung“ davon ausgehen, dass die Personen im Erdgeschoss den Brand rechtzeitig wahrnehmen und sich in Sicherheit bringen können.
Richter setzen auf Jugendstrafrecht
Diese Abmilderung der Vorwürfe aus der Anklage dürfte für den Ausgang des Prozesses und das mögliche Strafmaß allerdings kaum eine Rolle spielen. Ganz anders sieht es bei der Frage aus, ob Jugend- oder Erwachsenenstrafrecht zur Anwendung kommt.
Nach SR-Informationen geht das Gericht derzeit davon aus, dass der ehemalige Saarlouiser Neonazi Peter S. als zur Tatzeit 20-Jähriger gemäß Jugendstrafrecht zu bestrafen wäre – eine Auffassung, der sich die Vertreterin des Saarlouiser Kreisjugendamtes in dem Verständigungsgespräch angeschlossen haben soll.
Verteidigung will sich am 17. April äußern
Käme der Deal also zustande und würde der heute 51-jährige Peter S. ein qualifiziertes Geständnis ablegen, dann drohen ihm zwischen fünf Jahren und sechs Monaten bis zu sechs Jahren und zehn Monaten Freiheitsstrafe. Zwar wies der Vorsitzende Richter ausdrücklich darauf hin, dass ohne Geständnis und bei Erwachsenenstrafrecht auch eine lebenslange Haftstrafe möglich bleibe. Aber dieses Szenario scheint eher unwahrscheinlich.
Ob die Verständigung tatsächlich erfolgt, ist aktuell völlig offen. Die Verteidiger wollen sich zunächst ausführlich mit Peter S. besprechen und sich dann nach Ostern beim nächsten Prozesstag am 17. April äußern.
Kein „inhaltsleeres Formalgeständnis“
Bislang hatte S. die Tat bestritten, seine Verteidiger wollten einen Freispruch. Nach dem Auftritt der Hauptbelastungszeugin, der gegenüber S. die Tat gestanden haben soll, könnte sich das nun ändern. Denn die Aussagen von Diana K. erscheinen dem Gericht offenbar als glaubhaft, denn nur so kann es zu der Annahme einer hohen Verteidigungswahrscheinlichkeit gelangen.
Allerdings: Das Gericht will kein Schmalspur-Geständnis, kein „inhaltsleeres Formalgeständnis“. Peter S. müsse vielmehr „qualifiziert“ gestehen, müsse Täterwissen preisgeben. Woher stammte das Benzin? Hatte er einen oder doch zwei Kanister dabei? Gab es das Kneipengespräch über Hoyerswerda im Vorfeld der Tat? Und entscheidend: War er tatsächlich Einzeltäter, oder stand nicht zumindest ein weiterer Neonazi Schmiere?
Sollte Peter S. ein derart umfassendes Geständnis ablegen, dann wäre vermutlich auch den Überlebenden des verheerenden Anschlags genüge getan. Seit mehr als drei Jahrzehnten werden sie die Bilder aus der Brandnacht nicht los, beschäftigt sie vor allem eine Frage: Warum?