„Dr. Google“ wird oft befragt – hilft aber selten
Bei gesundheitlichen Beschwerden oder Krankheitssymptomen sucht mehr als die Hälfte der Deutschen erst einmal im Netz nach möglichen Diagnosen. Mediziner sind davon wenig begeistert. Hausärzteverband und Ärztekammer im Saarland sehen die Sache jedoch pragmatisch.
Vor dem Hausarzt erst mal „Dr. Google“ fragen – für immer mehr Menschen in Deutschland ist das der Standard, wie eine Umfrage des IT-Branchenverbandes Bitkom zeigt. Danach bereiten sich 62 Prozent der 1144 Befragten online auf einen Arztbesuch vor. 2020 waren es noch 53 Prozent, 2021 dann 56 Prozent.
Vor- und Nachbereitung
63 Prozent der Befragten gaben außerdem an, nach einem Praxistermin nach weiteren Informationen zu ihren Symptomen, der Diagnose oder verschriebenen Medikamenten zu recherchieren. Den meisten geht es dabei nach eigenen Worten um alternative Behandlungsmethoden (74 Prozent) oder zusätzliche Informationen (68 Prozent).
62 Prozent suchten nach einer Zweitmeinung, 51 Prozent nach Alternativen zu Medikamenten, 15 Prozent gaben an, die Erläuterungen der Ärztin oder des Arztes nicht verstanden zu haben. Insgesamt stehe im Vordergrund, den Praxisbesuch zu ergänzen.
Kulas: „Man kann es den Leuten ja nicht verbieten“
Einer von zehn Befragten gab aber auch an, kein Vertrauen in die Diagnose zu haben und deswegen im Netz zu recherchieren. 43 Prozent haben demnach schon einmal auf einen Arztbesuch verzichtet, weil sie Symptome nach Netzinformationen eingeschätzt und gegebenenfalls selbst behandelt haben.
Manche Ärzte stehen diesen Recherchen ablehnend gegenüber. Für den Chef des saarländischen Hausärzteverbandes, Dr. Michael Kulas, ist „Dr. Google“ zwar nicht hilfreich, aber andererseits auch nicht zu verhindern. „Man kann den Leuten ja nicht verbieten zu googeln.“
Viel mehr Arbeit
Wenn Patienten in die Praxis kämen und sich vorher schon eine Meinung gebildet hätten, dann wollten sie ein Statement des Arztes dazu haben. „Dann ist das so“, sagt Kulas. Das Problem dabei ist, dass der Arzt den Patienten oft überzeugen muss. Das macht deutlich mehr Arbeit als eine normale Behandlung. „Sehr häufig ist es so, dass das, was Patienten für problematisch halten, nicht problematisch ist“, so Kulas.
Wer krank sei und google, gehe meist von der schlimmsten Diagnose aus. Warum das so ist? „Weil diese Dinge Angst machen“, sagt Kulas. „Alles, was ich nicht kenne, macht mir Angst. Das hat psychologische Gründe.“
„Dr. Google“ als Kollege
Dr. Erkan Lang, Kardiologe und Mitglied der Ärztekammer des Saarlandes, sieht die digitale Eigenrecherche der Patienten positiv. „Von meiner Seite aus ist das eher etwas, das nützlich ist.“ Und er fügt hinzu: „Informierte Patienten sind gesündere Patienten.“
Lang sieht in „Dr. Google“ keine Konkurrenz, sondern einen „jungen, unerfahrenen Kollegen“. Die Ersteinschätzung der Menschen sei hingegen kontraproduktiv. „Patienten lassen sich häufig verunsichern“, so Lang. Man müsse sie dann wieder auf den Boden der Tatsachen zurück holen.
Fragen und Notizen machen
Für den Arztbesuch empfiehlt Lang Patienten, sich Fragen aufzuschreiben und sich auch in der Praxis Notizen zu machen, um späteren Unsicherheiten vorzubeugen.
Ein Problem kann es nach Einschätzung Langs geben, wenn Patienten den Arzt bei Beschwerden nicht mehr mit ins Boot holen, also Symptome oder andere wichtige Faktoren verschweigen. Um ein gestörtes Vertrauensverhältnis wieder zu reparieren, rät Lang Ärzten, den Patienten zuzuhören und auf ihre Fragen einzugehen.
Netzempfehlungen der Ärzte
Konkrete Empfehlungen für sichere Internetseiten kann Kulas nicht geben. Die Seiten der Fachgesellschaften seien zwar inhaltlich zuverlässig, aber oft textlastig und nicht immer für ein allgemeines Publikum gedacht. Einen Arztbesuch kann das Netz also nicht ersetzen.
Lang verweist auf die Seiten der Krankenkassen und auf die Seite Gesundheitsinformation.de des unabhängigen Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG).