Die SR-Young Reporterin Lili Carteron (Foto: David Carteron)

Wie Deutsch zur Sprache meiner zweiten Heimat wurde

Ein Beitrag von SR-Young Reporterin Lili Carteron   10.11.2022 | 12:35 Uhr

An einem unbekannten Ort fühlt man sich schnell allein. Vor allem durch eine fremde Sprache kann es schwieriger werden, Anschluss zu finden. Es kann aber auch eine Chance sein, wenn sich Sprachen - und damit auch Kulturen - vermischen. So hat es Lili empfunden, als sie mit elf Jahren von Paris in Richtung deutsch-französische Grenze gezogen ist.

J'aurais jamais pu m'imaginer ça - das hätte ich mir niemals erträumen können. Ich sitze mit meinen Freunden im Café. Alle reden wild durcheinander, über französisches Essen oder den Schulunterricht. Die Stimmung erinnert mich an Paris, meine Heimat.

Dort bin ich aufgewachsen, die ersten elf Jahre meines Lebens habe ich dort verbracht, bis wir nach Saarbrücken umgezogen sind. Alles war unbekannt, als meine Familie und ich angekommen sind. Die ersten Wochen haben wir im Hotel verbracht, ein Zuhause hatten wir nicht wirklich.

Young Reporterin Lili: "Wandeln zwischen zwei Welten - das ist unsere Normalität."
Audio [SR 3, Lili Carteron, 11.11.2022, Länge: 02:34 Min.]
Young Reporterin Lili: "Wandeln zwischen zwei Welten - das ist unsere Normalität."

"Wie in einem Fremdkörper"

Das Gefühl, hier nicht herzugehören, war schrecklich, wie in einem Fremdkörper. Das Einzige was ich wollte, war zurück nach Paris zu ziehen und mein Leben dort weiterzuführen.

Dort konnte ich mich leichter mit anderen unterhalten, zum Beispiel im Restaurant bestellen, was ich wollte. In Deutschland hab ich mich nie getraut und es musste immer jemand anderes für mich machen. Dass es mir so ging, hat meiner Mutter Susanne sehr leidgetan: "Es war am Anfang natürlich schwierig für Lili, weil wir Zuhause auch immer französisch gesprochen haben."

Sich nicht trauen, etwas zu sagen aus Angst, einen sprachlichen Fehler zu machen: Ähnlich ging es mir auch im Unterricht. Da ich die Sprache nicht gut konnte, und Angst davor hatte, was andere über mich denken, habe ich mich unsicher gefühlt.

Die gesamte Klasse war deutsch. Die meisten Schülerinnen und Schüler konnten zwar ein bisschen französisch, haben es aber nur verwendet um mit mir zu kommunizieren. Miteinander haben sie deutsch gesprochen. Sie haben es gut gemeint und wollten, dass ich mich wohl fühle. Es hat die Situation aber nur schlimmer gemacht, weil ich nicht wollte, dass sie sich an mich anpassen.

Paris war viele Jahre lang Heimat für SR-Young Reporterin Lili Carteron. In Deutschland hat sie sich anfangs wie ein Fremdkörper gefühlt. (Foto: privat)
Paris war viele Jahre lang Heimat für SR-Young Reporterin Lili Carteron. In Deutschland hat sie sich anfangs wie ein Fremdkörper gefühlt.

Freundesgruppe gibt Halt

Es hat ein bisschen gedauert, bis ich mich endlich gut gefühlt habe. Die Leute haben sich jetzt nicht mehr an mich angepasst, sondern ich habe es getan. Deutsch wurde immer mehr Teil meiner alltäglichen Sprache. Von Tag zu Tag wurde es besser, bis zu dem Zeitpunkt wo ich nicht mehr nachdenken musste, was ich sagen wollte. Ich habe mich sogar freiwillig im Unterricht gemeldet, ohne Angst zu haben, etwas Falsches zu sagen.

Geholfen haben mir dabei großartige Leute, denen ich begegnet bin. „PJALLC“ - Philipp, Johannes, Alina, Anouk, Lili, Leon, Clémence - eine tolle Freundesgruppe. Miteinander sprechen wir nicht nur deutsch, sondern auch französisch. Es vereint die beiden Länder und für uns ist es völlig normal geworden, so miteinander zu kommunizieren.

Nur eine der Sprachen zu nutzen, fällt mir mittlerweile schwer, weil man sich daran gewöhnt hat, beide anzuwenden. Das hat mir auch bei meinem deutschen Teil der Familie geholfen. "Du bist in der deutschen Familie, mit deinem Opa oder deinen Cousins zum Beispiel, wirklich eine Brücke geworden und automatisch zur Übersetzerrolle und Verbindungsfunktion für alle", sagt auch meine Mutter.

Das Hier und Jetzt

Das Deutsch-Sprechen hat mir neue Perspektiven eröffnet, ich bin Mitglied der Schülerzeitung und schreibe sowohl französische als auch deutsche Artikel, und das ganz ohne Probleme.

Die zwei Sprachen verbinde ich im Alltag immer miteinander - auch jetzt im Café mit meinen Freunden. Wir vermischen die Sprachen - weil es unsere Stärke ist, dass wir beides können. Inzwischen fühle ich mich hier, in Deutschland, an meinen Platz.


Die SR-Young Reporter

Jugendliche im Alter zwischen 16 und 22 Jahren wurden in den Herbstferien „Young Reporter“. Im Rahmen der ARD-Themenwoche erzählen sie ihre Geschichten im SR und in der ARD.

In den Herbstferien in den Urlaub fahren oder die freie Zeit Zuhause mit Freundinnen und Freunden verbringen – die 16-jährige Lili hat sich dagegen entschieden. Im Rahmen des Projekts SR Young Reporter hat sie ihre Ferienzeit stattdessen auf dem Halberg verbracht.

Das Projekt bietet jungen Nachwuchs-Journalistinnen und -Journalisten Einblick in die Arbeit beim Saarländischen Rundfunk. „Ich hätte nicht gedacht, in der kurzen Zeit so viel zu lernen“, sagt die Schülerin. Wie baut man einen Artikel auf? Wie kommt man auf eine knackige Überschrift und wie fasst man die Geschichte am besten in einem kurzen Teaser zusammen?

Lili hat vorher schon bei der Schülerzeitung ihrer Schule mitgearbeitet. Der Online-Journalismus war ihr also von Beginn an nicht fremd. Auch der Gedanke, später einmal Journalismus zu machen, hat schon eine Rolle gespielt. Jetzt fühlt sich die 16-Jährige darin bestätigt. „Ich habe gelernt, wie man Geschichten spannend erzählt“ – und so ist ihre ganz eigene Geschichte entstanden.

Drei junge Talente erzählen ihre Geschichte
SR Young Reporter auf dem Halberg
Bis Ende September konntet Ihr euch bewerben - als Young Reporter beim Saarländischen Rundfunk. Die Jury hat nun ihre Auswahl getroffen und für drei der Bewerber und Bewerberinnen startete am Montag ihr großes Abenteuer.

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