Social Media und ein gefährliches Frauenbild
Die Gewalt gegen Frauen steigt in allen Bereichen – egal ob Stalking, Hasskommentare, Häusliche Gewalt bis hin zu Frauenmorden. Um einen solchen Frauenmord geht es im SR-Podcast „Im Fall Stefanie – Eine von 155“. Hinter dieser Tat steckt ein Frauenbild, das uns auch auf Social Media immer wieder begegnet.
Die Frau mit Schürze und Rührschüssel vor sich: Sie backt Donuts für die ganze Familie. Immer wieder tauchen die Kinder auf und schauen zu. Am Schluss darf der Mann mit dem Baby auf dem Arm die Donuts probieren und alle sind glücklich. Es ist ein Ausschnitt aus einem Video der Ballerina-Farm. Die US-amerikanische Influencerin Hannah Neeleman erreicht mit ihrem Kanal Millionen Menschen auf Instagram und Tiktok.
Neeleman zeichnet das Bild der perfekten Hausfrau, so wie es viele „Tradwives“ machen. Der Begriff steht für die traditionellen Ehefrauen, die auf Social Media für ihr Lebensmodell werben. Die Frau ist für Mann, Kinder und Haushalt zuständig und damit glücklich. Was die Tradwives nicht erzählen: Sie sind abhängig von einem Mann, der ihnen dieses Leben finanziert.
Tradwives und Alphamänner verbreiten ein frauenfeindliches Bild
Die Tradwives verbreiten ein stereotypes Frauenbild. Die Frau ist dabei schwach und hat sich dem Mann unterzuordnen. Das gleiche Geschlechterbild zeichnen die Alphamänner. In ihren Videos sprechen sie Männer an, vor allem Jungs. Sie erklären, wie man zum durchsetzungsstarken, dominanten und respektierten Mann wird. Es sind Sprüche wie diese:
„Hör auf, zu nett zu sein. Der Grund, warum die Frau beim Date den Respekt aber so richtig vor dir verloren hat, ist, weil du ihr ständig nach dem Mund geredet hast. Und ab dem Moment, wo sie dich testet, du ihr nicht Konter gegeben hast.“
Oder:
„Alpha-Regel Nummer 1: Respektiere jede Frau. Alpha-Regel Nummer 2: Wenn sie dich nicht respektiert, vergesse Regel Nummer 1.“
Gerade bei Tiktok werden Videos mit diesen frauenfeindlichen Inhalten verstärkt ausgespielt. Das zeigt eine Studie der Universität in Kent in Großbritannien aus dem Jahr 2024. Die Videos emotionalisieren, viele bleiben deshalb dran.
Und Videos, bei denen die Zuschauer dranbleiben, die werden umso öfter ausgespielt. Die Forscherinnen und Forscher der Universität Kent haben das herausgefunden, in dem sie erfundene Tiktok-Profile erstellt haben und geschaut haben, welche Videos diesen Accounts zugespielt werden. In allen Fällen ist die Menge an frauenfeindlichen Videos gestiegen.
Auch bei echten Profilen von echten Jugendlichen passiert das. Und das macht was vor allem mit den Jungs, wie die Wissenschaftler in einem nächsten Schritt zeigen. In der Studie heißt es, dass Jungs, die frauenfeindliche Inhalte immer wieder gesehen haben, auch mehr frauenfeindliche Einstellungen entwickelt haben.
Frauenfeindlichkeit im Netz und reale Gewalt
Das Bundeskriminalamt sieht einen Zusammenhang zwischen der Gewalt im Netz und den immer mehr werdenden frauenfeindlichen Straftaten. Egal ob frauenfeindliche Hasskommentare, Stalking oder Tötungen von Frauen wegen ihres Geschlechts – in allen Bereichen steigen die Zahlen.
Und ein Grund dafür seien auch die frauenfeindlichen Inhalte im Netz. Zwar haben sich in den letzten Jahrzehnten die Rechte von Frauen immer weiter an die der Männer angeglichen. Aber gerade bei denjenigen, die sich von dieser Gleichstellung bedroht fühlen, würden diese frauenfeindlichen Inhalte verfangen und könnten tatsächliche Gewalt befeuern.
Anfälligkeit für Ideologien in der Pubertät
Die Sozialisationsforscherin Nina Kolleck untersucht, wie Kita, Schule, Freunde oder auch Social Media uns beeinflussen und uns zu den Menschen machen, die wir sind. Gerade bei den Jugendlichen spiele Social Media eine große Rolle, sagt Kolleck, die Professorin an der Universität Potsdam ist. „Wir wissen, dass in der Pubertät das Gehirn besonders neuroplastisch ist, also besonders stark verändert werden kann.“
Das mache anfällig, so Kolleck, gerade auch für Ideologien. Trotzdem sagt sie: Bei den frauenfeindlichen Inhalten sei es schwer auszumachen, ob diese zu mehr tatsächlicher Gewalt führen oder ob es ein Mehr an Gewalt gibt, was sich auf die Zahl der frauenfeindlichen Videos im Netz auswirkt.
Trotzdem glaubt Kolleck, dass es einen Zusammenhang gibt. „Es wäre unplausibel zu sagen, dass solche Einstellungen keinen Effekt haben, wenn sie in den sozialen Medien zunehmend dargestellt werden und wenn sie auch in der analogen Welt zunehmend ausgesprochen werden“, so die Forscherin.
Traditionelle Geschlechterrollen auch bei getöteter Stefanie
Die Spitze des Eisbergs bei frauenfeindlicher Gewalt ist der Femizid, die Tötung einer Frau wegen ihres Geschlechts. Um einen Femizid geht es im SR-Podcast „Im Fall Stefanie – Eine von 155“. Es ist die Geschichte der 53-jährigen Stefanie aus dem Saarland. Ihr Ehemann Stefan hatte sie im Februar 2023 getötet.
Auch zwischen Stefanie und ihrem Mann waren die Geschlechterrollen traditionell aufgeteilt. Stefanie war finanziell von ihrem Ehemann abhängig. Jahrelang hat er sie kontrolliert, von ihrem Umfeld abgeschirmt und sie erniedrigt. Als Stefanie das ändern wollte, hat er sie getötet.
Das Frauenbild hinter einem Femizid
Nicht jede Partnerschaft, in der die Rollen traditionell verteilt sind, ist auch eine gewalttätige. Aber wenn es zu frauenfeindlicher Gewalt kommt, dann oft vor dem Hintergrund dieser zugeschriebenen Rollenbilder, wie auch Spiegel-Journalistin und Femizid-Expertin Laura Backes im Podcast erzählt. Dieses stereotype Frauenbild sei bei Tätern extrem.
„Es ist halt so, diese Frau gehört mir“, beschreibt Backes diese Einstellung. „Ich darf über sie verfügen, ich darf entscheiden, mit wem sie spricht, was sie tut, was sie alles nicht tut. Weil ich das darf, weil ich ein Mann bin. Und sie darf es nicht. Weil sie eine Frau ist.”
Es sind die frauenfeindlichen Einstellungen, die sich auch im Fall der getöteten Stefanie gezeigt haben. Und die, die vielen auf Social Media begegnen. Vor allem auf Tiktok, wo der Alghoritmus das verbreitet, was viele sich angucken. So wie die Videos von Tradwives und Alphamännern.
Mehr zum Thema im SR-Podcast „Im Fall Stefanie – Eine von 155“. Alle Folgen gibt es jetzt schon in der ARD-Audiothek und wöchentlich überall da, wo es Podcasts gibt.