Eine Ärztin spricht mit dem jungen Mädchen vor der Untersuchung. (Foto: Imago/Monkey business/Panthermedia)

Woran erkennt man bei Kindern einen Schlaganfall?

Tabea Prünte   10.05.2023 | 14:54 Uhr

Die Folgen eines Schlaganfalls können sich dramatisch auf den Alltag eines Menschen auswirken – Sprachstörungen, Einschränkungen beim Sehen oder Probleme mit dem Gleichgewicht. Selbst Kinder und Jugendliche können schon betroffen sein. Aber wie erkennt man das und mit welchen Folgen leben Familien dann?

Taubheitsgefühl, Schwierigkeiten beim Sprechen oder Sehstörungen – von den Symptomen eines Schlaganfalls haben die meisten schon einmal gehört. Dass auch Kinder einen Schlaganfall erleiden können, sogar schon vor der Geburt oder im Säuglingsalter, wissen aber nur wenige.

Bei Kindern und Jugendlichen sind Schlaganfälle zwar eine seltene Erkrankung – etwa 300 bis 500 Fälle treten pro Jahr auf. Zum Vergleich: rund 270.000 Fälle sind es laut Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe bei Erwachsenen pro Jahr.

Auch im Saarland gab es aber bereits minderjährige Betroffene. Am Klinikum Winterberg in Saarbrücken – das eine überregionale "Stroke Unit" hat, also eine Spezialeinheit für Schlaganfallpatientinnen und -patienten –, wurden beispielsweise in den vergangenen drei Jahren insgesamt vier Minderjährige wegen eines Schlaganfalls behandelt. Das teilte das Klinikum dem SR mit.

Hohe Dunkelziffer

Allerdings sei die Dunkelziffer bei Kindern hoch, weil Schlaganfälle nicht immer als solche erkannt werden, erklärt Sabine Held. Sie ist Schlaganfall-Kinderlotsin bei der Stiftung Schlaganfall-Hilfe und ist als Beraterin auch für betroffene Familien aus dem Saarland zuständig.

Ein Schlaganfall bei einem Kind könne sich ganz anders bemerkbar machen als bei Erwachsenen, so Held. Bei einem Säugling etwa könne er sich in Form von Krampfanfällen, Trinkschwäche, Bewusstseinsstörungen, Atemstörungen oder im weiteren Verlauf in Form von Entwicklungsstörungen äußern.

Bei älteren Kindern kann ähnlich wie bei Erwachsenen auch eine halbseitige Lähmung ein Anzeichen sein, also dass sie zum Beispiel morgens aufwachen und sagen, sie könnten sich nicht richtig bewegen. Eltern sollten so eine Äußerung auf jeden Fall ernst nehmen, rät Held. Die Lähmung sei zwar auch bei Säuglingen möglich, allerdings nicht immer so auffällig wie bei älteren Kindern. Auch starke Kopfschmerzen können ein Symptom sein.

Wie erkennt man einen Schlaganfall?

Bei Erwachsenen rät die Deutsche Schlaganfall-Hilfe im Verdachtsfall zum "FAST"-Test:

  • F für Face (Gesicht) – kann die Person normal lächeln oder hängt ein Mundwinkel herab?
  • A für Arms (Arme) – kann die Person die Arme nach vorne strecken und dabei die Handflächen nach oben drehen? Oder fühlt sich ein Arm gelähmt an?
  • S für Speech (Sprache) – kann die Person sprechen oder hat sie Schwierigkeiten dabei?
  • T für Time (Zeit) – Beim Verdacht auf Schlaganfall sollte man schnellstmöglich den Notruf wählen.

Der Test kann auch bei Kindern funktionieren, selbst wenn hier andere Symptome vorkommen können, erklärt Held. Hier könne der FAST-Test zum "BE FAST"-Test ausgeweitet werden:

  • B für Balance (Gleichgewicht) - kann das Kind gerade laufen oder neigt es sich zu einer Seite?
  • E für Eye (Auge) - kann das Kind normal sehen oder hat es dabei Schwierigkeiten?

Was tun bei einem Schlaganfall?

Sollte sich der Verdacht erhärten, gilt ein Schlaganfall als medizinischer Notfall, das heißt das Kind sollte sofort in ein Krankenhaus. Held betont aber, dass der "BE FAST"-Test keine hundertprozentige Auskunft gibt. Gerade bei Säuglingen lässt sich ein Schlaganfall schwer erkennen.

Grundsätzlich gelte: "Wenn sich das Kind auffallend anders verhält, sollte man das auf jeden Fall in einer Klinik abklären lassen", empfiehlt Held.

Im Klinikum Winterberg erhalten die jungen Patientinnen und Patienten dann in der Regel Ergo- und Physiotherapie sowie logopädische Unterstützung. Nach dem stationären Aufenthalt werden sie meist in neurologische Reha-Kliniken verlegt, die auf die Betreuung von Kindern spezialisiert sind.

Gewisse Einschränkungen ein Leben lang

Held betont vor allem den Zeitfaktor. "Je schneller die Diagnose gestellt wird, desto größer sind die Chancen, dass die Folgen für das Kind abgeschwächt werden." Bei Kindern sei das Gehirn noch in der Entwicklung, das heißt sie können Fähigkeiten schneller wieder erlernen und sich schnell anpassen. Trotzdem seien betroffene Kinder häufig lange auf verschiedene Therapien wie Ergo- oder Physiotherapie sowie Logopädie angewiesen.

Video [aktueller bericht, 10.05.2023, Länge: 3:16 Min.]
Leben mit dem Schlaganfall – wie geht das?

Und gewisse Einschränkungen bleiben meist ein Leben lang. "Das können Bewegungsstörungen sein, dass das Kind auf Orthesen angewiesen ist, weniger Ausdauer in der Schreibhand hat und dadurch zum Beispiel Schwierigkeiten bei längeren Klausuren in der Schule hat oder Konzentrationsschwierigkeiten."

Schlaganfall-Kinderlotsen unterstützen Familien

Das kann die ganze Familie stark belasten und es gibt viele Fragen. Wer bezahlt die Reha für das Kind? Wo findet man wohnortnah Expertinnen und Experten oder Therapeutinnen und Therapeuten? Worauf muss man beim Kita- oder Schulbesuch achten? Braucht das Kind in der Schule Unterstützung? Was kann man für Geschwisterkinder tun, die sich vielleicht auch belastet fühlen?

Für all solche Fragen sind die sogenannten Schlaganfall-Kinderlotsen da, von denen auch Sabine Held eine ist. Die ausgebildete Krankenpflegerin und studierte Pflegemanagerin mit Sitz am Kinderzentrum am Evangelischen Klinikum in Bethel in Bielefeld informiert Familien, berät und unterstützt sie und hilft bei der Suche nach Fachpersonal vor Ort. Ziel sei, dass sich die Familien vor Ort ein Netzwerk aufbauen können. Auch der Austausch mit anderen Eltern sei wichtig, sagt Held. Der findet zum Beispiel in Selbsthilfegruppen statt.

Da wenigen Eltern bewusst ist, dass auch Kinder Schlaganfälle erleiden können, sei die erste Diagnose häufig ein Schock. Ziel der Schlaganfall-Kinderlotsen ist es daher, die Auswirkungen für Familien abzufedern. Held begleite Familien länger, in der Regel, bis die Kinder 18 sind. "Sie können sich jeder Zeit wieder bei mir melden und ich bin da, um zu unterstützen."

Weitere Informationen und den Kontakt zu den Schlaganfall-Kinderlotsen finden Sie auf der Website der Stiftung Deutsche Schlaganfall Hilfe.


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