Ein Screenshot einer mutmaßlichen Betrüger-Website (Foto: SR)

So sind Opfer auf die Trading-Seiten reingefallen

N. Resch / C. Deker / J. Strozyk / C. Uhl   03.07.2019 | 06:00 Uhr

Hunderttausende Deutsche sind auf Lockangebote dubioser Plattformen für Online-Finanzwetten hereingefallen. Wer Geld einzahlt, um etwa auf das Steigen oder Fallen von Börsenkursen zu wetten, der verliert bei betrügerischen Anbietern in der Regel seinen kompletten Einsatz. Opfer erzählen, wie sie mutmaßlichen Betrugs-Plattformen auf den Leim gingen.


Locken mit dem VIP-Status

„Ich bin über die Startseite von T-online.de aufmerksam geworden und zwar auf eine Anzeige, die auf einen Beitrag bei 'Höhle der Löwen' hingewiesen hat.“ Ulrike Schneider (Name geändert) sieht sich das Video im April 2018 an und ist begeistert. Was sie nicht wusste: Das Video war gefälscht, hatte mit der richtigen TV-Sendung nichts zu tun. Sie meldete sich also an bei der Trading-Plattform "TradeInvest90" – musste sich legitimieren mit Ausweis und Kreditkarte, las die AGB, schickte den Betreibern Fragen. "Das hat auf mich einen recht seriösen Eindruck gemacht." Und dann investierte sie, zunächst den Mindestbetrag: 250 Euro.

Als das eingezahlte Geld auf ihrem Trading-Konto zu schrumpfen begann, fragte sie nach. Die Antwort: Schneider habe in ihrem Profil eine Software eingeschaltet, die selbsttätig trade. Ihr "Berater" überredete sie trotzdem nachzulegen, versprach eine Behandlung als "VIP-Kunde". Sie setzte etwas mehr als 10.000 Euro – und auf ihrem Trading-Konto verzeichnete sie Gewinne. "Wir waren dann insgesamt bei 18.000 Euro. Und dann wollte ich eine Auszahlung." Da hätten die Probleme angefangen.

Eine Auszahlung kam nie zustande. Stattdessen wollte sie der "Berater" dazu überreden, weiter einzuzahlen. Er schrieb ihr in einem Chat: "Sie überweisen jetzt die 60.000 Euro. Sobald das Geld ankommt, werden wir uns über Skype treffen und gemeinsam 20% des Kapitals längerfristig anlegen, damit wir die Verluste wieder reinholen." Ulrike Schneider zahlte nichts mehr ein. Stattdessen stellte sie Strafanzeige. Ihr investiertes Geld hat sie abgeschrieben.


Betteln und Drohen

300 Euro wollte Tatjana Schubert eigentlich einsetzen, um den Handel mit der Kryptowährung Bitcoin auszuprobieren. Sie meldete sich bei einer Plattform an. "Dann riefen die mich an." Die Anrufer,das waren die "Berater" der Plattform. Sie verlangten gleich, dass sie sich auf ihren Computer schalten dürften. Sie hatten so freie Hand über Schuberts Trading-Konto, auch über die Bezahlfunktion. Dass so noch während des ersten Telefonats heimlich Geld von ihrer Kreditkarte abgebucht wurde, bemerkte sie zu spät, wie sie sagt. Schubert forderte ihr Geld zurück. Vergeblich. Um etwas ausgezahlt zu bekommen, müsse sie erst einmal mehr einzahlen, so die Antwort. Immer wieder erschlichen sich die "Berater" unter Vorwand Zugriff auf Schuberts Computer. Immer wieder ging Geld von Kreditkarten ab.

"Und dann ging jeden Tag das beschissene Telefon: Betteln, immer wieder die Frage 'Wie flüssig bist du? Was sind deine Träume?' Ich habe irgendwann geschrien, sie sollen aufhören, ich will mein Geld zurück!" Eine "Beraterin" am Telefon fing an, ihr zu drohen. Schubert hat Telefonmitschnitte davon. Sie erstattete Strafanzeige. Tatjana Schubert hat über 11.000 Euro verloren. Anrufe von Plattform-Betreibern bekommt sie immer noch täglich.


Telefonberater macht auf Kumpel

Auch Dieter Herres (Name geändert) ist über eine gefälschte Anzeige der Sendung „Höhle der Löwen“ in die Falle getappt. „Dort berichtete eine Frau davon, dass sie 250 Euro investiert hat und innerhalb von einer halben Stunde 100 Euro Gewinn gemacht hat“. Der 63-jährige Rentner aus dem Saarland zahlte im vergangenen Dezember 500 Euro bei einer Plattform ein.

Nach wenigen Tagen meldete sich ein Telefonberater, bot ihm an, beim Traden zu helfen. Der Berater erzählte ihm von gleichen Hobbys, schnell duzten sie sich. Auch finanziell lief es für Herres gut, sein Kontostand auf der Trading-Plattform schoss in die Höhe. Sein Berater hatte besondere Tipps für ihn, dafür soll Herres aber nochmal nachlegen. Das machte er, schoss zweimal 3.000 Euro nach.

6.500 Euro hatte er eingezahlt, innerhalb von wenigen Wochen wurden daraus auf seinem Trading-Konto rund 11.000 Euro. Er wollte sich das Geld auszahlen lassen, doch das ging nicht. „Innerhalb von Sekunden konnte ich dann zusehen, wie mein Guthaben auf null geschmolzen ist.“ Herres fragte nach, es hieß, das Geld sei nicht weg, er solle nochmal 2.000 Euro nachlegen, dann würde die gesamte Summe überwiesen. Doch da zog er die Reißleine. Im Nachhinein ärgert er sich, dass er reingefallen ist: „Das war auch Dummheit. Gier frisst Hirn.“

Über dieses Thema wurde auch in den SR-Hörfunknachrichten vom 03.07.2019 berichtet.


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