Mehr Lungenentzündungen durch Mykoplasmen im Saarland

Mehr Lungenentzündungen durch Mykoplasmen im Saarland

Daniel Novickij   29.09.2024 | 08:34 Uhr

Im Saarland erkranken derzeit immer mehr Kinder und Jugendliche an einer Lungenentzündung, die durch Mykoplasmen ausgelöst wurde. Der Homburger Kinderarzt Brixius spricht von einer "Infektionswelle". Es gebe aber keinen Grund zur Sorge, weil man eine Infektion mit Mykoplasmen meist gut behandeln könne.

Wer sich mit den Bakterien Mykoplasmen ansteckt, bekommt häufig Husten, Schnupfen oder Fieber. Der Krankheitsverlauf erinnert an eine Erkältung oder einen grippalen Infekt. Dieser verläuft meist harmlos, sagt der Homburger Kinderarzt Dr. Benedikt Brixius im SR-Interview.

Mykoplasmen können seltener aber auch zu einer Lungenentzündung führen. Vor allem Kinder und Jugendliche ab acht Jahren seien davon betroffen, so Brixius. Solche Fälle häufen sich aktuell im Saarland.

Mehr Lungenentzündungen durch Mykoplasmen im Saarland
Audio [SR 3, (c) SR, 29.09.2024, Länge: 03:01 Min.]
Mehr Lungenentzündungen durch Mykoplasmen im Saarland

Mehr Lungenentzündungen durch Mykoplasmen bei unter 18-Jährigen

Die Kinder- und Jugendklinik auf dem Winterberg in Saarbrücken registrierte nach eigenen Angaben in diesem Jahr bislang fast hundert Lungenentzündungen bei ihren minderjährigen Patientinnen und Patienten, von denen mehr als jede Dritte durch Mykoplasmen ausgelöst wurde.

Das sei ein deutlicher Anstieg im Vergleich zum vergangenen Jahr, sagt Dr. Marie-Claire Detemple, Chefärztin des Zentrums für operative und konservative Kinder- und Jugendmedizin am Saarbrücker Winterberg-Klinikum. Demnach zählte das Krankenhaus im gesamten Jahr 2023 rund 60 Lungenentzündungen, wovon neun Erkrankungen – also 15 Prozent davon – auf eine Infektion mit Mykoplasmen zurückzuführen seien.

Am Marienhaus Klinikum in Neunkirchen wurden in diesem Jahr rund 100 Kinder und Jugendliche wegen einer durch Mykoplasmen hervorgerufene Lungenentzündung stationär versorgt. Im vergangenen Jahr waren es 25 Fälle, sagt der leitende Oberarzt für Kinder- und Jugendmedizin, Fabian Drautz.

Infektionswellen mit Mykoplasmen in der Regel alle drei bis vier Jahre

"Bei Schulkindern und jungen Erwachsenen machen Mykoplasmen 20 Prozent aller Lungenentzündungen aus", so Drautz. Bei kleineren Kindern sei der Anteil geringer. Infektionswellen mit Mykoplasmen gebe es alle drei bis vier Jahre, allerdings sei sie in diesem Jahr besonders stark.

Auch am Universitätsklinikum des Saarlandes (UKS) in Homburg bestätigt sich dieser Trend. "Im laufenden Jahr wurden bei uns etwa zehn Patientinnen und Patienten wegen einer durch Mykoplasmen ausgelöste Lungenentzündung behandelt", sagt Dr. Michael Zemlin, Geschäftsführender Direktor der Kliniken für Kinder- und Jugendmedizin an der UKS. Normalerweise seien durchschnittlich pro Jahr keine bis maximal zwei Personen deswegen stationär in Behandlung.

Brixius: Corona-Pandemie für "Infektionswelle" mitverantwortlich

"Es ist eine Infektionswelle", sagt Brixius. Diese sei durch die Hygieneschutzmaßnahmen während der Corona-Pandemie wie etwa Lockdowns begünstigt worden. Damals gab es fast keine Infektionen. Nun meldet sich die Krankheit zurück, weil die Immunität gegen Mykoplasmen durch den Lockdown nachgelassen hat.

"Ich würde das auch auf die Corona-Pandemie zurückführen", sagt auch Zemlin. Mykoplasmen seien ein spezieller Bakterienstamm, der für seine Ausbreitung länger braucht als andere Bakterien. Wenn eine Ansteckung während der Corona-Pandemie nicht möglich war, dann werde das jetzt nachgeholt. Die Mediziner gehen aber davon aus, das im kommenden Jahr die Mykoplasmen-Infektionen wieder zurückgehen werden.

Lungenentzündungen meist ambulant therapierbar

Sollte sich das Kind mit Mykoplasmen anstecken, gibt es laut den Medizinern zunächst keinen Grund zur Panik. "Meistens muss eine Infektion mit Mykoplasmen nicht behandelt werden. Sie geht oft von ganz alleine weg", sagt Zemlin vom UKS.

Die Einnahme von Antibiotika könne bei leichten Infektionen sogar kontraproduktiv sein. Verläuft eine Infektion schwerer, dann wird sie laut den Experten meist mit speziellen Antibiotika behandelt, überwiegend ambulant. "Danach geht es dem Betroffenen oft nach zwei Tagen wieder besser", so Kinderarzt Brixius.

Stationär werden Kinder und Jugendliche mit einer solchen Lungenentzündung seltener aufgenommen. Nur ein kleinerer Teil davon werde wiederum auf der Intensivstation betreut, sagt Detemple vom Winterberg-Klinikum.

Schwerer Verlauf eher bei Vorerkrankungen

Schwerer krank werden laut Zemlin am ehesten Kinder mit Vorerkrankungen, wie etwa mit Krebs, Asthma oder mit einer Autoimmunerkrankung. Das seien Risikofaktoren für einen schweren Verlauf.

"Durch die Menge an Infektionen ist es derzeit aber auch so, dass wir auch einige nicht vorerkrankte Kinder und Jugendliche sehen", betont Zemlin. Die Heilung könne länger dauern, aber durch eine Behandlung mit Antibiotika beschleunigt werden.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Wenn das Kind nach mehreren Tagen immer noch Fieber hat und es nicht besser zu werden scheint, dann sollte man laut den Experten einen Kinderarzt oder Allgemeinmediziner aufsuchen. "Es können auch Warnsignale sein, wenn das Kind sehr schläfrig oder teilnahmslos ist, über starke Kopfschmerzen klagt oder Hautausschläge hat", sagt Zemlin.

Kinderarzt Brixius rät Eltern mit Kindern, die bereits eine Vorerkrankung haben, eher einen Arzt zu kontaktieren. Laut Detemple vom Winterberg-Klinikum sollte man, auch unabhängig von einer möglichen Mykoplasma-Infektion, generell zum Arzt gehen, wenn das Kind Luftnot bekommt.

Über dieses Thema haben auch die SR info-Nachrichten im Radio am 29.09.2024 berichtet.


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