Zweifel an Unabhängigkeit der Aufklärungskommission
Das Bistum Trier will Missbrauchsfälle durch eine unabhängige Kommission aufklären lassen - so auch den Fall um einen Pfarrer aus Friedrichsthal, der vergangene Woche öffentlich geworden ist. Eine Kirchenexpertin äußert Zweifel an der Unabhängigkeit der Kommission - diese weist die Kritik zurück.
Nachdem im Haus eines verstorbenen früheren Pfarrers aus Friedrichsthal mehrere hundert Fotoaufnahmen von Jungen und jungen Männern gefunden wurden, die auf sexuellen Missbrauch hindeuten, haben sich die Vorwürfe gegen den Mann am Montag noch ausgeweitet. So gibt es außerdem Hinweise darauf, dass der Pfarrer unter falschem Namen ein Doppelleben in Afrika geführt haben soll. Das Bistum Trier will die Fälle durch eine unabhängige Kommission aufarbeiten lassen.
Wie unabhängig ist die Kommission?
Die Kirchenexpertin und Journalistin vom Deutschlandfunk, Christiane Florin, hat allerdings "große Zweifel" an der Unabhängigkeit dieser Kommission. Da die Mitglieder vom Bischof selbst berufen werden, stelle sich die Frage, wie unabhängig die Beauftragten tatsächlich sein können, so Florin.
Hinzu komme, dass bislang längst nicht alle bisher bekannten Missbrauchsfälle behandelt würden, etwa die, die noch amtierende Bischöfe betreffen, "also Stephan Ackermann, aber auch Georg Bätzing als früheren Generalvikar oder Kardinal Marx, der früher Bischof von Trier war und jetzt in München ist." Diese Frage sei ihr "sehr ausweichend" beantwortet worden, wie Florin sagt.
"Ich würde mir wünschen, dass wirklich unabhängig rekonstruiert wird, was geschehen ist, wer wann davon wusste und vor allem, wer etwas für die Opfer hätte tun können, aber nichts getan hat."
Strukturen würden Aufklärung verhindern
Kritik übt Florin außerdem an den allgemeinen Strukturen innerhalb der Institution. "Was wir ganz oft in der Kirche beobachten, ist, dass den Tätern niemand Einhalt gebietet, sondern dass sie einfach versetzt werden. Dass viele etwas wissen, viele etwas ahnen, aber nichts substanziell zum Schutz der Kinder unternommen wird", so Florin. "Dann nützt das tollste Präventionskonzept nichts."
Auch der Pfarrer aus Friedrichsthal habe jahrzehntelang Missbrauch begehen können, ohne von der Bistumsleitung daran gehindert zu werden, sagt Florin. "Und offenbar stand eben nicht der Schutz der Kinder, der Minderjährigen im Mittelpunkt, sondern es sollte vor allem verhindert werden, dass irgendetwas davon öffentlich wird."
Aufarbeitungskommission soll empfohlen haben, Beweise zu vernichten
Ähnliche Vorwürfe äußert auch der Verein der Missbrauchsopfer im Bistum "MissBit". So soll der Vorsitzende der Aufklärungskommission, Gerhard Robbers, dem Neffen des verstorbenen Priesters, der die Fotografien entdeckt hatte, geraten haben, diese zu vernichten, um sich durch den Besitz nicht selbst strafbar zu machen.
Laut MissBit habe Robbers dadurch erneut gezeigt, dass ihm die Opferperspektive fehle. Der Verein forderte daraufhin, dass Robbers zurücktreten oder aus dem Amt entlassen werden solle.
Robbers: Beweise müssen gesichert werden
Robbers selbst weist diese Vorwürfe zurück. Er habe in keiner Weise dazu aufgefordert, Beweise zu vernichten. "Im Gegenteil: Für uns ist es ganz wichtig, dass solches Material aufbewahrt wird, dass es gesichtet werden kann und dass es zur Verfügung steht, um Betroffenen Anerkennungsleistungen zu geben", sagt er im SR-Interview.
Er habe den Neffen des Priesters lediglich darauf hinweisen wollen, vorsichtig mit dem Material umzugehen. "Das ist im Moment die Rechtslage: Der Besitz von kinderpornografischem Material ist strafbar und es steht schon in der Begründung des Gesetzes drin, dass Menschen, die im Besitz solchen Materials sind, dieses entweder selbst alsbald vernichten müssen oder einer zuständigen - möglichst staatlichen - Stelle übergeben müssen", so Robbers.
"Unabhängiger als wir kann man gar nicht sein"
Die Kritik, nicht unabhängig zu sein, kann Robbers ebenfalls nicht nachvollziehen. "Das ist ein immer wiederkehrender Vorwurf, der aus meiner Sicht nicht zutrifft. Wir sind zwar als Kommission vom Bischof berufen, aber zwei von uns sind Mitglieder von Betroffenenverbänden, sind selber Betroffene, zwei von uns sind von der Landesregierung benannt, wir sind rechtlich vollständig unabhängig, wir haben auch eine Stiftung gegründet, sodass wir auch finanziell unabhängig sind vom Bistum", sagt Robbers. "Ich denke, unabhängiger als wir kann man gar nicht sein."
Weitere Stellen prüfen Fälle
Derzeit werde auch geprüft, welche Stellen noch zusätzlich für die unabhängige Aufklärung infrage kommen könnten. Robbers nennt etwa die unabhängige Beauftragte für sexuelle Missbrauchsfragen der Bundesregierung, also eine staatliche Stelle.
Im Saarland will auch das Bildungsministerium die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle im Zusammenhang mit dem Friedrichsthaler Priester unterstützten. Dafür soll eine Stelle für mögliche Missbrauchsopfer eingerichtet werden.
Über dieses Thema hat auch die SR 3-Region am Mittag berichtet.