Hohe Durchfallquoten beim Führerschein – wo hakt es?
Im Saarland fallen vergleichsweise viele Fahrschüler durch ihre Prüfung, sei es die theoretische oder die praktische. Aber auch deutschlandweit steigen die Durchfallquoten. Der saarländische Fahrlehrerverband und der TÜV Rheinland haben unterschiedliche Erklärungen dafür.
Einen Führerschein wollen nach wie vor viele junge Menschen in Deutschland haben. Das zeigen aktuelle Berechnungen des TÜV-Verbandes, wonach die Zahl der Fahrprüfungen in den ersten drei Quartalen des vergangenen Jahres auf ein Rekordniveau gestiegen ist. Gleichzeitig erhöht sich auch die Durchfallquote, und zwar sowohl für die theoretische als auch die praktische Prüfung.
Praktische Prüfung: Mehr als jeder Dritte im Saarland fällt durch
Während nach Angaben des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) in der gesamten Bundesrepublik 2012 nur 28,9 Prozent an der theoretischen Prüfung scheiterten, waren es 2021 bereits 36,7. Nicht ganz so drastisch sieht es bei der praktischen Prüfung aus: Die Zahl derer, die es nicht schafften, stieg von 26 Prozent im Jahr 2012 auf 29,7 Prozent im Jahr 2021.
Im Saarland ist die Lage nicht besser. Im bundesweiten Vergleich rangierte es 2021 mit einer Durchfallquote von 37 Prozent bei der praktischen Prüfung sogar auf dem vierten Platz – nur in Berlin (38,3 Prozent), Bremen (39,4 Prozent) und Hamburg (45 Prozent) gingen noch mehr Prüflinge ohne Führerschein wieder nach Hause. Vergleicht man die vergangenen fünf Jahre, fällt jedoch auf, dass sich die Durchfallquoten im Saarland nicht erst seit Kurzem auf einem hohen Niveau befinden.
Durchfallquote bei Fahrprüfungen im Saarland
Strengere Regeln, weniger Aufmerksamkeit
Woran das liegt, kann Alexander Schneider vom TÜV Rheinland auf SR-Anfrage nur vermuten. So könne ein Grund sein, dass viele junge Menschen heute weniger aktive und passive Erfahrung im Straßenverkehr hätten. Statt schon früh selbst als Verkehrsteilnehmer mit dem eigenem Fahrrad unterwegs zu sein, ließen sie sich häufiger von ihren Eltern fahren. "Und während der Fahrt im "Elterntaxi" oder in öffentlichen Verkehrsmitteln nutzen sie ihr Smartphone und achten nicht auf den Verkehr oder die Verkehrsregeln."
Darüber hinaus beobachte der TÜV eine abnehmende Konzentrationsfähigkeit bei den jungen Menschen. "Zugleich scheint das Thema „Durchfallen“ weniger tabuisiert zu sein als früher, nach dem Motto: Ich probier’s einfach mal, auch wenn ich eigentlich noch nicht richtig vorbereitet bin".
Sprachbarrieren bei Geflüchteten
Der Vorsitzende des saarländischen Fahrlehrerverbands, Detlef Mühlast, liefert noch weitere mögliche Erklärungen. Demnach geht er davon aus, dass auch die hohen Zahlen an Geflüchteten im Saarland eine Rolle spielen. "Entscheidend dürften dabei sprachliche Hürden sein." Darüber hinaus können die Verkehrsregeln in Deutschland zum Teil erheblich von denen im Herkunftsland abweichen – sich hier im Straßenverkehr zurechtzufinden, wird so zur Herausforderung, selbst wenn man eigentlich mit einem Führerschein im Gepäck gekommen ist.
Dieser muss meist auch sechs Monate nach Wohnsitzbegründung umgeschrieben werden, wenn man nicht aus einem EU- oder EWR-Mitgliedsstaat stammt. Ansonsten erlischt die Fahrerlaubnis. Geflüchtete aus Syrien, Afghanistan oder Irak beispielsweise müssen die theoretische und praktische Führerscheinprüfung also noch einmal in Deutschland ablegen und bestehen. Fahrstunden sind dafür allerdings nicht unbedingt nötig. Für ukrainische Geflüchtete gilt aktuell eine Sonderregelung: Ihre Führerscheine werden noch bis zum 23. Feburar europaweit anerkannt.
Tatsächlich zeigt sich Mühlasts Einschätzung auch in den Daten des KBA. Danach fällt mehr als die Hälfte der ausländischen Fahrschülerinnen und Fahrschüler im Saarland bei der praktischen Prüfung zur Anerkennung ihrer Fahrerlaubnis durch, 2021 waren es sogar knapp 60 Prozent. Die Durchfallquoten bei der theoretischen Prüfung schwanken dagegen seit 2016 zwischen 34 und knapp 44 Prozent.
Verkehrsteilnehmende rüder geworden
Mühlast beobachtet zudem ein verändertes Verhalten gegenüber anderen Verkehrsteilnehmenden, das für Fahranfängerinnen und -anfänger mitunter überfordernd oder irritierend sein könne und sie im Ernstfall womöglich zu falschen Entscheidungen bewege. So hielten sich zunehmend weniger erfahrene Fahrerinnen und Fahrer selbst an Verkehrsregeln oder fielen durch rücksichtsloses Verhalten auf. "Das wird sicherlich schon jeder selbst beobachtet haben. Am Kreisel beispielsweise blinken immer weniger Autofahrerinnen und Autofahrer, wenn sie ausfahren."
Letztlich könne es auch am hohen Stress liegen, dem junge Menschen dieser Tage ausgesetzt sind, so Mühlast. "Ich würde schon sagen, dass der gesellschaftliche Druck und die Erwartungen zugenommen haben." Neben dem Stress in der Schule, bisweilen der Vorbereitung für den Bildungsabschluss auch noch die Führerscheinprüfung unterzubringen, könne zermürbend sein.
Neue Zahlen im April
Interessant dürften auch die noch nicht veröffentlichten Durchfallquoten für 2022 werden. So hat sich seit dem 1. Januar 2021 die Prüfungszeit von 45 auf 55 Minuten verlängert. "Diese Verlängerung der hochkonzentrierten Prüfungssituation ist für Prüflinge eine zusätzliche Herausforderung", sagt Schneider vom TÜV Rheinland.
Zugleich sei ein elektronisches Prüfprotokoll eingeführt worden, welches eine differenziertere Bewertung der Fahrfertigkeiten ermögliche. "Dabei werden an einige Fahrfertigkeiten strengere Maßstäbe angelegt als zuvor." Voraussichtlich im April legt das KBA aktuellere Zahlen vor.
Über dieses Thema haben auch die SR-Hörfunknachrichten am 14.01.2023 berichtet.
Der ADAC hat einen Flyer für Geflüchtete in Deutschland bereitgestellt, der die wichtigsten Verkehrsregeln und -zeichen zusammenfasst.