Die Geschichte der Streuobstwiesen im Saarland
Langsam, aber sicher erwacht die Natur aus ihrem Winterschlaf, und überall blühen die Bäume. Besonders schön ist das bei den Streuobstwiesen, die schon lange zur saarländischen Landschaft dazu gehören. Ein Blick in ihre Geschichte.
Vor zwanzig Jahren haben Naturschützer eine Streuobstwiese am Nackberg am Rande des Merziger Beckens angelegt. Auch Markus Austgen vom Naturschutzbund (Nabu) Merzig war damals dabei. Besonders stolz ist er auf die Artenvielfalt der Wiese, denn die Naturschützer haben damals 200 Bäume mit hundert Apfelsorten gepflanzt.
„Hier haben wir ein Sortiment zusammengefasst, um die Vielfalt zeigen zu können“, erzählt Austgen. Sie seien aber in keiner Weise mit dem zu vergleichen, was man im Geschäft kaufen kann, unterstreicht der Experte. „Wenn da mal fünf oder sechs verschiedene Sorten liegen, dann ist das schon viel. Und ja, die sind aus einer anderen Kultur. Und aus einer anderen Produktionsform.“
Ein Rückzugsort für seltene Tiere
Die Streuobstwiese am Nackberg ist nicht nur ein Paradies für Apfelliebhaber. Hier leben viele inzwischen selten gewordene Tiere: vom Steinkauz über die Holzbiene bis zum Kleiber. Laut dem Nabu-Experten kommen Arten aus dem Waldlebensraum und aus einem Offenland in den Streuobstwiesen zusammen.
„Die treffen sich hier, und das macht dann die Vielfalt aus. Man kann sich das vorstellen wie Savannenlandschaften, wo auch eher Steppe oder Grassteppe ist und darüber vereinzelt, nicht zu dicht, Bäume stehen.“
Vom saarländischen Adel zum Bauernvolk
Obstanbau von adeligen Grundbesitzern gibt es im Saarland eigentlich schon sehr lange, sagt der Historiker Paul Burgard. Bauern und auch Gemeinden hatten dagegen keine Eigentumsrechte für Land. Das änderte sich erst Ende des 18. Jahrhunderts. Auf einer Flurkarte aus dieser Zeit sind schon zahlreiche Obstgärten verzeichnet.
„Es gab schon früher auf Feldern oder in Gärten der Bauern vereinzelte Obstbäume, die verstreut gestanden haben", weiß Paul Burgard, Historiker im Landesarchiv des Saarlandes. "Das ist ja eigentlich nur der Grund, warum das Streuobstwiese heißt. Im 18. Jahrhundert ist es allmählich besser zu greifen. Da werden dann tatsächlich auch große Gärten bestellt, mit Obstbäumen.“
Aber bis es nun tatsächlich zu einem Anliegen der Gemeinde und aller ihrer Bauern wurde, habe es noch bis zum Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts gedauert.
Mehr Streuobstwiesen im 19. Jahrhundert
Ab dieser Zeit füllen sich die damaligen Kataster mit neuen Eigentümern und ihren Obstwiesen. Festgehalten wird dies in sogenannten Bannbüchern. Mitte des 19. Jahrhunderts gibt es immer mehr Streuobstwiesen im Saarland.
Burgard erklärt anhand einer dicken Akte aus der Zeit: „Das zeigt die Intensivierung der gesamten landwirtschaftlichen Obst- und Baumethoden im 19. Jahrhundert. Hier sind ungezählte Briefwechsel drin, Anträge auf Unterstützung für den Anbau von Obstbäumen, Stellen von Kursen, die im Umfeld von Baumschulen durchgeführt werden, von Wanderlehrern, die damals besonders beliebt waren. Die zogen also tatsächlich durch die ganze Provinz von einem Ort zum anderen.“
Von einer Million auf 200.000 Bäume
Bis in die 1960er Jahre gehörten Streuobstwiesen zur saarländischen Landschaft dazu. Damals gab es über eine Million Obstbäume auf den saarländischen Streuobstwiesen. Heute sind es nur noch rund 200.000, schätzt Markus Austgen. Misteln befallen immer mehr Bäume und lassen sie absterben. Ursache für die Vernachlässigung der Wiesen sei vor allem der Strukturwandel in der Landwirtschaft.
„Es gibt nur noch sehr wenige Haupterwerbslandwirte und die bearbeiten riesige Flächen. Die haben einfach nicht die Zeit, sich dann um so kleinteilige Strukturen, wie wir sie hier sehen, zu kümmern. Und von daher ist dann der Anreiz dieser Landnutzungsform mehr oder weniger verschwunden“, erklärt Austgen.
Einer der letzten seiner Art
Einer der wenigen, die den Streuobstanbau noch professionell betreiben, ist Wolfgang Schmitt aus Merzig. Er setzt auf Apfelsaft und vor allem Viez in allen Varianten – für ihn immer noch ein lohnendes Geschäftsmodell: „So wie in den 1950er Jahren wird es natürlich nicht mehr werden. Aber nach wie vor sind Streuobst-Produkte begehrt.“
Die Bewirtschaftung sei aber schwierig. „Es wird sicherlich eine Zukunft geben. Meine Kinder machen es weiter. Und sie haben auch gleichaltrige Freunde, die auch Streuobstwiesen bewirtschaften möchten.“
Darauf hofft auch Markus Austgen. Nur wenn viele Privatleute ihr Interesse an eigenem Obst und der Pflege der Bäume entdecken, können die Streuobstwiesen mit ihren Obstsorten und der einzigartigen Tier- und Pflanzenwelt als Kulturlandschaft überleben.