Saar-Mediziner halten verpflichtende Corona-Maßnahmen für hinfällig
"Die Pandemie ist vorbei" – mit diesen klaren Worten hat Deutschlands bekanntester Virologe Christian Drosten an Weihnachten für Aufregung gesorgt. Saarländische Mediziner halten verpflichtende Maßnahmen nicht mehr für nötig – trotzdem solle man Corona nicht auf die ganz leichte Schulter nehmen.
Noch gilt im Saarland zum Schutz vor dem Coronavirus die Maskenpflicht, zum Beispiel im öffentlichen Personennahverkehr. Doch inzwischen sind viele Mediziner der Ansicht, dass solche verpflichtenden Schutzmaßnahmen nicht mehr unbedingt nötig sind.
Am Wochenende hatte der Virologe Christian Drosten im Tagesspiegel gesagt, er halte die Pandemie für vorbei. Unmittelbar danach folgten erste Forderungen, jegliche Anti-Corona-Maßnahmen abzuschaffen. Saarländische Mediziner halten das nach einer SR-Stichprobe für den richtigen Weg.
Die Leiterin des Instituts für Infektionsmedizin am Universitätsklinikum Homburg, Barbara Gärtner, nannte die Aussage von Drosten "längst überfällig". Die Immunität gegen Corona sei erreicht, selbst als saisonaler Erreger bestehe keine Gefahr mehr für die Bevölkerung.
Pandemie vorbei, Endemie gefährlich?
Anders sieht das der Chefarzt der Intensivmedizin am Klinikum Saarbrücken Konrad Schwarzkopf. Er betonte, dass Corona zwar keine Pandemie, wohl aber eine gefährliche Endemie sei und wie bei einer Grippe weiterhin Menschen daran sterben könnten. Allerdings sei die akute Phase überstanden.
Der leitende Oberarzt der inneren Medizin, Philipp Lepper, unterstützt Schwarzkopfs Meinung: In der Zukunft würden Menschen zwar weiterhin an Corona erkranken, gefährliche Verläufe seien durch die Impfungen aber deutlich seltener. Selbst im Falle einer Mutation des Virus sei eine Katastrophe ausgeschlossen.
Gärtner, Lepper und Schwarzkopf halten verpflichtende Coronamaßnahmen für nicht mehr angemessen, wünschen sich aber ein Umdenken in der Gesellschaft: Wer Erkältungssymptome habe, solle zum Schutz aller weiterhin Maske tragen.
"Müssen genau auf Lage in China gucken"
Der Virologe Jürgen Rissland vom Universitätsklinikum Homburg hält es dagegen für verfrüht, schon von einer Endemie zu sprechen. "Als endemisch gilt eine Krankheit, wenn sie in einer Region, also lokal begrenzt, mit relativ konstanter Erkrankungszahl dauerhaft auftritt." Das sei noch nicht der Fall – Corona-Fälle treten nach wie vor bundesweit auf. "Wir sind am Ende der Pandemie, aber noch nicht in der Endemie angekommen."
Auch beim Thema Schutzmaßnahmen mahnt Rissland zur Vorsicht. Die Corona-Lage habe sich zwar deutlich entspannt, dennoch sollte man nicht voreilig handeln. Diese noch einmal nach dem Ende der Weihnachtsferien zu bewerten und erst dann eine entsprechende Entscheidung zu treffen, das halte er zum jetzigen Zeitpunkt für das Sinnvollste – vor allem mit Blick auf China.
"Dort herrscht eine Situation, auf die man sehr genau hingucken muss." Einen Grund für die Ausbreitung des Virus in dem 1,4 Milliarden-Einwohner-Land sieht Rissland in den weniger wirksamen Impfstoffen.
Entscheidung frühestens im kommenden Jahr
Der saarländische Ministerrat tagt das nächste Mal am 10. Januar. Dann wird auch über eine neue Coronaverordnung diskutiert. Die aktuelle gilt noch bis einschließlich 13. Januar.
Ob die Maskenpflicht im öffentlichen Fernverkehr sowie in Arztpraxen und weiteren Einrichtungen des Gesundheitswesens entfällt, entscheidet allerdings nicht die Landes-, sondern die Bundesregierung – das im Oktober angepasste Infektionsschutzgesetz gilt noch bis zum 7. April 2023.
Über dieses Thema hat auch die SR 3-Rundschau am 27.12.2022 berichtet.