Ein Screenshot einer mutmaßlichen Betrüger-Website (Foto: SR)

Angeklagter im Millionen-Betrugsprozess belastet

Niklas Resch   19.05.2022 | 16:41 Uhr

Im Prozess um Online-Betrug in Millionenhöhe hat ein Ermittler den Angeklagten belastet. Der Polizist verwies vor dem Saarbrücker Landgericht auf einen Chat aus dem Jahr 2016. Demnach hat der Angeklagte als Betreiber eines großen Callcenters im Kosovo bei dem Betrug eine aktive Rolle gespielt.

Wie sind die Opfer um insgesamt rund 42 Millionen Euro betrogen worden? Welche Strategien haben bei der Masche eine wichtige Rolle gespielt? Darum ging es am dritten Prozesstag in einem der größten Betrugsverfahren, die es jemals im Saarland gegeben hat.

Ein Ermittler berichtete davon, wie die Opfer mit manipulierten Wetten auf Online-Finanzportalen um ihr Geld gebracht wurden. Dabei belastete der Polizist auch den Angeklagten.

Er verwies auf ein Chatprotokoll aus dem Jahr 2016. Das zeige, dass der Angeklagte Azem S. bei der Betrugsmasche eine aktive Rolle gespielt habe. Er soll im Kosovo gemeinsam mit einem Kompagnon ein Callcenter mit rund 430 Mitarbeitern betrieben haben.

"Wir verlieren das Geld der Kunden künftig langsam"

Konkret ging es in dem Chat demnach um einen Vorfall von Ende 2016. Dem Ermittler zufolge hatte ein Anleger kurz vor Weihnachten innerhalb eines Tages durch Manipulationen rund 30.000 Euro verloren und sich beschwert. Dem mutmaßlichen Drahtzieher der Betrugsmasche sei das zu Ohren gekommen und er habe beim Angeklagten Azem S. die Hintergründe erfragt. Das englische Chatprotokoll wurde im Prozess von einer Dolmetscherin übersetzt. Azem S. habe geantwortet. "Wir haben ihn verlieren lassen." Zum Jahresende habe man für die Geschäftszahlen Gewinne verbuchen müssen.

Der mutmaßliche Drahtzieher, der mittlerweile verstorben ist, habe verärgert reagiert, nach dem Motto: Anleger dürften nicht auf einen Schlag all ihr Geld verlieren. Er verstehe, habe Azem S. geantwortet, es werde nicht wieder vorkommen. "Wir verlieren das Geld der Kunden künftig langsam."

Der Angeklagte hat sich zu den Vorwürfen noch nicht geäußert, sein Anwalt hatte aber zuletzt ein Geständnis angekündigt.

Betrugsvorgänge fein säuberlich aufgelistet

Der Polizist berief sich bei seiner Aussage auf Datenbanken, die bei einer Razzia sichergestellt und ausgewertet wurden. Demnach fanden die Ermittler zahlreiche Muster, die beim Betrug der Anleger immer wieder auftauchten, und über die SR und NDR schon berichtet hatten. Bemerkenswert war demnach unter anderem, dass in den Callcentern fein säuberlich über den Kontakt mit den Opfern Buch geführt wurde, und zwar teils rabiat. Wenn jemand telefonisch nicht erreichbar war, habe dort auch mal gestanden "Der Affe ist nicht erreichbar" oder "Die Schlampe hat direkt aufgelegt".

Oftmals seien Kunden, die bereit waren, Geld zu investieren, an andere Callcenter-Agents weitergegeben worden. Bei einem Anleger, der angedeutet habe, 5000 Euro zu investieren, stand in der Übergabe etwa "Zieht in langsam aus ;-)".

Bei einem anderen Opfer habe es etwa geheißen "Vertrauen aufbauen. Zum Investieren bringen. Wegbumsen!"

Wer sich auszahlen lassen wollte, wurde "verbrannt"

An diesen Protokollen sehe man eindeutig, dass es nur darum gegangen sei, den Leuten möglichst viel Geld aus der Tasche zu ziehen. Wer als Anleger kein Geld mehr nachlegen wollte oder sich gar ausbezahlen lassen wollte, sei fallengelassen worden. Mithilfe von manipulierten Kursen sei das Guthaben auf dem Konto schnellstmöglich reduziert worden. Das sei dann auch so notiert worden: "Will sich Geld auszahlen lassen. Muss verbrannt werden". In einem Fall habe ein Opfer 142.000 Euro auf seinem Konto gehabt.

Wie der Ermittler betonte, sei es innerhalb von einer Stunde mit überhöhten und manipulierten Finanzwetten quasi auf Null zurückgefahren worden. Die Aussage von Azem S. aus dem Jahre 2016 "Wir verlieren das Geld der Kunden künftig langsam", lässt sich aus den Datenbanken so jedenfalls nicht bestätigen.

Der Prozess geht in zwei Wochen weiter. Dann setzt der Polizist seine Aussage fort und es könnten weitere Ermittler gehört werden.

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