Mehrparteienhäuser (Foto: SR/Dirk Petry)

Gesetz erschwert Steuertricks beim Immobilienkauf

Niklas Resch, Linda Grotholt, Jonathan Sachse, Justus von Daniels   14.04.2021 | 10:17 Uhr

Die Grunderwerbsteuer mit Tricks umgehen - das soll für Investoren schwieriger werden. Union und SPD haben sich nach langem Hin und Her auf einen Gesetzentwurf zur Verringerung von Share-Deal-Geschäften verständigt. Bei der Einigung hat auch die Berichterstattung des SR über Häuser in Ottweiler eine Rolle gespielt. Doch auch die neuen Pläne haben Lücken.

Der Fall hatte im Februar nicht nur im Saarland für Aufregung gesorgt, sondern auch bundesweit: Recherchen von SR und Correctiv deckten Immobiliengeschäfte in Ottweiler und anderswo in Deutschland auf, bei denen die internationalen Investoren auf der einen Seite alle möglichen legalen Steuertricks nutzen, um die Rendite zu optimieren.

Gleichzeitig kümmerten sie sich vergleichsweise wenig um die Mieter, die etwa in Ottweiler monatelang mit gravierenden Mängeln leben mussten. Betroffen von den Steuertricks waren bundesweit mindestens 2000 Wohnungen, der Schaden für den deutschen Staat geht den Recherchen von SR und Correctiv zufolge in die Millionen.

Staat versucht Riegel bei „Share Deals“ vorzuschieben

Ein legaler Steuertrick, der gerade in Ottweiler und anderen Orten ausgiebig genutzt wurde, soll aber künftig so nicht mehr möglich sein. Nach Informationen von SR und Correctiv hat sich der Finanzausschuss des Bundestags am Mittwoch für eine Gesetzesreform ausgesprochen, die „Share Deals“ eindämmen soll, also das gezielte Umgehen der Grunderwerbsteuer über Anteilskäufe.

Schon kommende Woche könnte der Bundestag die Änderungen verabschieden. Zum 1. Juli dieses Jahres soll das neue Gesetz in Kraft treten. Nachdem die Gesetzesverschärfung eine jahrelange Hängepartie war, soll jetzt auf einmal alles ganz schnell gehen.

Immobiliendeals wie in Ottweiler wären künftig verboten

Für Christoph Trautvetter vom Netzwerk Steuergerechtigkeit kommt die Gesetzesänderung insgesamt zu spät und ist „zu zögerlich, um die Ungerechtigkeit im System komplett zu beseitigen.“ Trotzdem spricht er von einem Fortschritt: „Die Einigung verbietet in Zukunft immerhin das absurdeste und am weitesten verbreitete Share-Deal-Modell“.

Das betrifft auch Immobiliengeschäfte wie in Ottweiler. Die Recherchen von SR und Correctiv hatten gezeigt, dass die Eigentümerfirma, die „Residential Value West 1“ samt Immobilienbesitz mehrfach weiterverkauft wurde, ohne dass Grunderwerbsteuer in die Staatskasse geflossen war.

Dabei wechselte immer die komplette Firma den Besitzer, in zwei Anteilen (engl. „shares“). Mittlerweile gehören die Wohnungen zu einem Fonds des US-Finanzinvestors KKR, der vor einigen Monaten die „Residential Value West 1“ erwarb. Eine eigens in Luxemburg dafür gegründete Tochterfirma kaufte 94,9 Prozent, eine andere Tochterfirma 5,1 Prozent. Da es sich nicht um einen Immobilienkauf im ursprünglichen Sinn handelt, wurde keine Grunderwerbsteuer fällig.

Das geht so in Zukunft nicht mehr, betont Trautvetter: „Hundert Prozent der Firmenanteile wechseln gleichzeitig den Eigentümer und werden gekauft durch zwei Gesellschaften. Diese Art der Share Deals wird mit dem neuen Gesetz verboten“. Wenn es in Zukunft zu solch einem Kauf kommt, so Trautvetter, muss die Firma das dem deutschen Finanzamt melden. Und dann auch die Grunderwerbsteuer zahlen.

Schwelle fällt auf 90 Prozent – Schlupfloch bleibt

Das Gesetz sieht noch weitere Änderungen vor. So müssen Immobilienunternehmen Anteile in Zukunft zehn Jahre lang in ihrem Besitz halten statt fünf. Erst dann können die Anteile steuerfrei an den großen Anteilseigner verkauft werden.

Eine weitere Anpassung im neuen Gesetz: Die Schwelle für Share Deals soll herabgesetzt werden, von derzeit 95 auf dann 90 Prozent. Konkret heißt das: Werden künftig mehr als 90 Prozent der Anteile an einer Firma mit Immobilienbesitz verkauft, wird ebenfalls Grunderwerbsteuer fällig.

Die Absenkung der Schwelle ist schon sehr lange Thema im Gesetzgebungsverfahren. „Viele Immobilienunternehmen haben sich deshalb schon im Vorfeld angepasst und halten jetzt nur noch Anteile von knapp unter 90 Prozent an den Immobilien“, sagt Immobilienexperte Christoph Trautvetter. Bei einem Verkauf wird dann also auch weiterhin keine Grunderwerbsteuer fällig. Zumindest wenn die restlichen Anteile nicht gleichzeitig verkauft werden.

SPD unzufrieden mit Kompromiss

Die Einigung hat auch deswegen so lange gedauert, weil die SPD diese Schwelle gerne auf 75 Prozent abgesenkt hätte. Ende März sei ein Kompromiss erzielt worden, teilte Lothar Binding mit, finanzpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Das aktuelle Übereinkommen sei „ärgerlich, weil der bessere Vorschlag nicht kompromissfähig wurde.“

Die SPD sehe nicht ein, dass jeder normale Bürger Grunderwerbsteuer zahlen müsse, der Verkauf einer Firma mit einem Grundstück oder Gebäude unter Umständen aber weiter steuerfrei bleiben solle. Binding schreibt, die Berichterstattung über Share Deals, auch von Correctiv und SR, habe überhaupt erst geholfen, diesen Kompromiss „mehrheitsfähig zu machen. Oft können sich Leute nicht vorstellen, mit welchen Tricks es möglich ist, Steuern zu umgehen.“ Die Union hat sich auf Anfrage nicht geäußert.

Linke: Privatleute zahlen Zeche der Konzerne

Bisher ist es so: Wenn Privatpersonen ein Haus oder eine Wohnung kaufen, wird Grunderwerbsteuer fällig, daran führt kein Weg vorbei. Diese variiert von Bundesland zu Bundesland, zwischen 3,5 und 6,5 Prozent des Kaufpreises, so wie im Saarland.

Friedrich Staetmanns von der Linken-Fraktion im Bundestag findet, dass durch die bisherige Regelung Privatleute mit dafür sorgen, dass große Investoren die Steuer vermeiden könnten. Er ärgert sich über den Inhalt der Einigung. „Wirkliche Steuergerechtigkeit wird so nicht erzielt. Aus meiner Sicht gibt es noch zu viele Schlupflöcher, wie Immobilienkonzerne dennoch die Grunderwerbsteuer umgehen können.“

Grüne: „Kapitulation vor der Immobilienlobby“

In eine ähnliche Kerbe schlägt Lisa Paus, die finanzpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag. Ihre Partei hätte ein „quotales Modell“ bevorzugt, wie es etwa die Niederlande für Immobilienfirmen vorschreibt. Wenn dort etwa 50 Prozent der Anteile den Besitzer wechseln, werden 50 Prozent der Grunderwerbsteuer fällig.

Aus Sicht von Paus ist die Gesetzesänderung eine „Kapitulation vor der Immobilienlobby“. Nach jahrelangen Beratungen über das Thema werde nun ein alter Entwurf der Bundesländer verabschiedet, der noch „verwässert wurde durch Ausnahmen für börsennotierte Unternehmen“. Paus ärgert sich, dass die Share Deals nicht rückwirkend gelten. Die Immobilienlobby habe von dem langen Hin-und-Her doppelt profitiert. Investoren konnten in der Zwischenzeit weiter die Grunderwerbsteuer umgehen. Zudem biete auch das neue Gesetz Schlupflöcher.

Milliardenverluste für den deutschen Staat

Auch Christoph Trautvetter vom Netzwerk Steuergerechtigkeit betont die Verluste für das Gemeinwohl: „Dem deutschen Staat sind in den vergangenen Jahren große Summen durch Share Deals verloren gegangen.“ Verschiedene Schätzungen, unter anderem des hessischen Finanzministeriums, gehen davon aus, dass die Summe pro Jahr in Deutschland bei rund einer Milliarde Euro liegt.

Da laut Trautvetter seit rund zehn Jahren über Änderungen des Gesetzes diskutiert wird, sind dem deutschen Staat mittlerweile wohl etwa zehn Milliarden Euro durch die Lappen gegangen.

Verhaltener Optimismus bei Ottweiler Mietern

Zurück zum Häuserblock in Ottweiler und den möglichen Auswirkungen der Gesetzesänderung für die Mieterinen und Mieter. Beim nächsten Verkauf sollte die Grunderwerbsteuer fällig werden. Das macht die Spekulation mit Immobilien schwieriger und unattraktiver. Denn der nächste Käufer müsste ja 6,5 Prozent auf den Kaufpreis zahlen.

Das dürfte dafür sorgen, dass der jetzige Eigentümer, der Fonds des Finanzinvestors KKR, der das Immobilienpaket erst vor einigen Monaten erworben hat, es nicht so schnell wieder verkauft - und sich möglicherweise besser um die Mängel vor Ort kümmert, etwa um den maroden Zustand einiger Gebäude.

Die Mieter sind sowieso verhalten optimistisch. Denn der neue Besitzer hat die Mieter in Ottweiler schon kurz nach der ersten Berichterstattung im Februar per Aushang informiert, dass ein Sanierungskonzept erstellt wird. Mieter haben dem SR bestätigt, dass tatsächlich Mitarbeiter vor Ort waren, um zumindest die groben Mängel zu dokumentieren.

Noch sei nichts Grundsätzliches behoben worden. Die Mieter haben aber dennoch Hoffnung, dass der neue Eigentümer bald handelt. Und dabei deutlich schneller ist als die Politik bei der Änderung des Grundsteuergesetzes.

Über dieses Thema haben auch die SR-Hörfunknachrichten am 14.04.2021 berichtet.


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„Wem gehört das Saarland?“ ist eine Kooperation von SR und Correctiv und Teil einer Recherche-Serie für mehr Transparenz auf dem Wohnungsmarkt.


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