Tausende Wohnungen mit Steuertrick-Modell verkauft
In Deutschland sind in den vergangenen Jahren wohl mehr als 100.000 Wohnungen verkauft worden, ohne dass Grunderwerbsteuer in die Staatskasse geflossen ist. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Linken-Anfrage hervor. Hintergrund ist die SR-Berichterstattung über Immobilien in Ottweiler.
Mit Share Deals die Grunderwerbsteuer umgehen – dieser Kniff ist bei Immobilieninvestoren beliebt. Das hatte unter anderem die Berichterstattung von SR und Correctiv gezeigt.
Demnach wurden Häuser in Ottweiler im Paket mit tausenden anderen Wohnungen bundesweit mehrfach weiterverkauft, ohne dass die internationalen Investoren Grunderwerbsteuer zahlten. Die Linke im Bundestag wollte daraufhin wissen: Wie häufig gibt es solche Share Deals in Deutschland und wie viele Steuern entgehen dem Staat auf diese Weise?
Fast 150.000 Wohnungen mit Share Deals verkauft
Aus der Antwort der Bundesregierung geht jetzt hervor: Allein seit 2018 sind deutschlandweit mindestens rund 150.000 Wohnungen im Rahmen von Share Deals verkauft worden. Die Daten beziehen sich auf "Immobilienportfolios mit mehr als 800 Wohneinheiten".
Unter den großen Käufern sind bekannte Akteure auf dem Immobilienmarkt wie Vonovia oder Adler Real Estate. Das Saarland taucht nur einmal auf, eben beim "Ottweiler Share Deal".
Genaue Steuerausfälle nicht bekannt
Ob die Investoren Grunderwerbsteuer gezahlt haben oder nicht, ist der Bundesregierung nach eigener Aussage nicht bekannt. Unter bestimmten Voraussetzungen wird die Steuer bei Share Deals zwar fällig, aus der Immobilien-Branche ist jedoch zu hören, dass diese Deals meist eingesetzt werden, um die Steuer zu umgehen. Deswegen kann man davon ausgehen, dass von den gemeldeten 150.000 Wohnungen mehr als 100.000 ohne Grunderwerbsteuer verkauft wurden.
Schätzungen gingen zuletzt davon aus, dass dem deutschen Staat durch Share Deals rund eine Milliarde Euro pro Jahr entgehen. Wie hoch der Schaden tatsächlich ist, dazu kann die Bundesregierung keine genaue Aussage treffen.
Über diese Unwissenheit ärgert sich der rechtspolitische Sprecher der Linken-Fraktion, Friedrich Straetmanns: "Angesichts der knappen Haushalte von vielen Kommunen ist es schlicht nicht vertretbar, dass die Regierung über diese Geschäfte an der Grunderwerbsteuer vorbei nicht wirklich einen Überblick hat."
Private Käufer müssen zahlen, Großinvestoren nicht
Private Hauskäufer müssen die Grunderwerbsteuer immer zahlen, je nach Bundesland beträgt sie zwischen 3,5 Prozent des Kaufpreises und 6,5 Prozent, so wie im Saarland. Dagegen können große Investoren durch Share Deals tausende Wohnungen auf einmal kaufen, ohne einen Cent Grunderwerbsteuer in die Staatskasse zu zahlen.
Der Kniff: Sie kaufen dabei nicht die Immobilien direkt, sondern "Shares" – Anteile an Firmen, denen die Immobilien gehören. Da es sich dabei nicht um Immobilienkäufe im eigentlichen Sinn handelt, sind diese unter gewissen Umständen von der Grunderwerbsteuer befreit.
Linke: Gesetzesverschärfung reicht nicht aus
Dass Share Deals eingedämmt werden müssen, darüber herrschte im Bundestag zuletzt Einigkeit. Ende April haben die Abgeordneten daher eine leichte Verschärfung des Grunderwerbsteuergesetzes beschlossen, die zum 1. Juli in Kraft getreten ist.
Nach Ansicht von Steuerexperten bietet jedoch auch das neue Gesetz zu viele Schlupflöcher für Investoren. Auch der Finanzexperte der Linken-Fraktion, Fabio De Masi, ist der Meinung: Die Gesetzesverschärfung reicht nicht aus. "Wir fordern einen Systemwechsel zu einem quotalen Besteuerungssystem" bei Immobilienverkäufen.
Ein solches System würde bedeuten: Wer 70 Prozent an einem Unternehmen mit Immobilienbesitz erwirbt, muss auch 70 Prozent der Grunderwerbsteuer zahlen – wer 90 Prozent kauft, eben 90 Prozent. Das sei die gerechteste Lösung.
Änderung nach der Bundestagswahl?
In eine ähnliche Kerbe hatten wiederholt die Grünen geschlagen und auch die FDP und die AfD hatten sich in der Bundestagsdebatte offen für ein Quoten-System gezeigt. Je nachdem wie die Mehrheiten nach der Bundestagswahl verteilt sind, könnte die Debatte um Share Deals möglicherweise wieder an Fahrt aufnehmen.
Über dieses Thema haben auch die SR-Hörfunknachrichten am 21.09.2021 berichtet.
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„Wem gehört das Saarland?“ ist eine Kooperation von SR und Correctiv und Teil einer Recherche-Serie für mehr Transparenz auf dem Wohnungsmarkt.