Undine Löhfelm (Foto: Holger Diderich)

Undine Löhfelm, Bunt.Saar - Wahlkreis Saarbrücken

Landtagswahl 2022

  14.03.2022 | 16:38 Uhr

Jahrgang: 1971

Geboren in: Kusel

Erlernter Beruf: Kommunikationsdesignerin (HBKsaar)

Zuletzt tätig als: Verlegerin und Moderatorin

Ich engagiere mich in meiner Partei* seit: 9/2021 (Gründungsmitglied)

Ich bin politisch aktiv, weil:
Ich habe 12 Jahre lang Sachbücher für eine nachhaltigere Gegenwart gemacht und habe das Gefühl, damit nicht genug erreicht zu haben. Jetzt will ich Verantwortung dafür übernehmen, dass gehandelt wird.

Für die Menschen im Saarland wäre ich als Abgeordnete/r im Landtag besonders wertvoll, weil:
Als Designerin habe ich einen Blick für Lösungen, die nicht aus den einzelnen Fachdisziplinen kommen, sondern manchmal aus einer ganz anderen Richtung. Solche Perspektivwechsel werden wichtiger werden angesichts einer unübersichtlich wirkenden Zukunft. Ich stehe mit einem Bein in der analogen und mit einem Bein in der digitalen Welt, verstehe Überforderung einerseits und Ungeduld andererseits angesichts dieses großen kulturellen Umbruchs.

Dadurch halte ich mich in dieser Frage für eine gute Vertreterin der Bürger*innen. Dass ich eine Zeitlang nicht im Saarland gelebt habe und einen Blick von außen mitbringe, ist kein Schaden, glaube ich.

Im Zuge der Corona-Pandemie müssen Eigenverantwortung der Bürger und Schutzauftrag des Staates abgewogen werden. Wie beurteilen Sie vor diesem Hintergrund die Corona-Maßnahmen der vergangenen beiden Jahre?
Auf immer neue Entwicklungen muss immer neu reagiert werden, dafür habe ich Verständnis. Aber dazu gehört Kommunikation. Wenn niemand mehr folgen kann (von Korruption und Maskendeals ganz zu schweigen), gehen Vertrauen und die Bereitschaft zur Kooperation verloren. Zum Impfen fehlt bis heute eine echte Kampagne, darum haben wir die Diskussion über die Impfpflicht überhaupt. Ich bin ohne Einschränkung für die Impfung.

Die Kinder wurden und werden in der Pandemie zu schlecht geschützt, vor Erkrankung und seelischer Belastung. [...] Der Umgang mit Gestaltungsspielräumen bei Prüfungen und Benotung blieb letztlich den Lehrenden überlassen. Was fehlte, ist ein allgemeines Signal: Leistung ist nicht das, worum es jetzt in erster Linie geht. Damit haben wir versäumt, Prioritäten zu setzen – und den Kindern zu zeigen, dass das geht. Dass wir einer Situation gemäß handeln können und nicht gezwungen sind, immer so weiter zu machen wie bisher. Das wäre ein wichtiger Lerninhalt.

Dass über formale „Maßnahmen“ diskutiert wird, als handle es sich um etwas, was der Staat uns zumutet, halte ich für einen Fehler. Der Staat dient uns, den Bürger*innen, dem Souverän. [...] Wir sind auf Kooperation angewiesen, niemand kann sich – in der Pandemie wie auch bei der Klimaerwärmung – alleine schützen. Wir verpassen gerade eine Gelegenheit, Solidarität in den Mittelpunkt zu stellen und zu diskutieren, was sie bedeutet.

Nun wüssten wir gern Ihre Position zu einigen wichtigen saarländischen Themen:

Grubenwasser:
Die von der RAG geplante Teilflutung der Gruben im Saarland stößt auf massiven Widerstand. 17 Normenkontrollklagen und 108 Widersprüche wurden eingelegt. Auch in Umfragen ist die Mehrheit der Saarländer gegen die Pläne. Muss die Politik etwas tun, um die Grubenflutung zu stoppen? Wenn nein: Warum nicht? Wenn ja: Was kann die Politik tun?
Die Grubenflutung wäre ein Beispiel dafür, dass ein Konzern, der Milliarden an der Ausbeutung von Rohstoffen verdient hat, sich aus der Verantwortung stehlen kann. Warum sollten wir das zulassen? Ich unterstütze die Initiative meines bunt.saar-Kollegen Armin König für eine Änderung des saarländischen Wassergesetzes. Abgesehen davon sollten wir daraus für die Zukunft lernen: „Ewigkeitskosten“ klingt weitreichend, beschönigt aber die Tatsache, dass Umweltschäden gar nicht mit Geld zu kompensieren sind.

Erneuerbare Energien:
Im Saarland stockt der Windkraftausbau. Nach Angaben der Bundesnetzagentur sind 2021 nur zwei Windkraftanlagen in Betrieb gegangen. Windkraft wird aber von vielen als eine zentrale Säule der Energiewende gesehen. Was werden Sie konkret für den Ausbau der Erneuerbaren Energien im Saarland tun?

Ich bin verwöhnt aufgewachsen, in einer Landschaft mit toller Aussicht, ohne Gas-, Kohle oder Atomkraftwerke in der Nähe. Ich kann Widerstände bei der Vorstellung, dass wir aus der Natur einen industriellen Energiepark machen, nachvollziehen. Aber das hätten wir uns früher überlegen müssen. Strom kommt nicht aus der Steckdose, sondern muss produziert werden.

Jetzt geht es um größtmögliche CO2-Neutralität, und dafür sind die Möglichkeiten zur Nutzung Erneuerbarer Energien verfügbar zu machen. Dazu zählt auch die Windkraft. bunt.saar setzt sich dafür ein, 6,0 Prozent der Landesfläche für Windkraftanlagen auszuweisen, damit 2,0 bis 2,5 Prozent realistisch umgesetzt werden können.

Darüberhinaus bin ich für den systematischen Einsatz von Photovoltaik, einen regionalen Fonds zur Finanzierung von Solaranlagen (als sinnvolle und gemeinschaftsstiftende Anlage-Alternative zu „Betongold“) – und Energiesparkampagnen.

Strukturwandel:
Stahlindustrie und Automobilindustrie sind zwei wichtige Träger der hiesigen Wirtschaft. Beide befinden sich in einem tiefgreifenden Strukturwandel. Wo werden die Menschen, die heute dort arbeiten, in 20 Jahren arbeiten?
[...] Die Autoindustrie in ihrer aktuellen Dimension ist schon jetzt steuersubventioniert. Sie künstlich am Leben zu erhalten, halte ich für ungerecht und keine gute Strategie, weil das Problem so nur hinausgeschoben wird [...]. Für den Übergang braucht es sozialverträgliche Modelle.

Wenn wir auf den Strukturwandel nicht nur reagieren, sondern aktiver Teil davon sein wollen, müssen wir ein Land werden, in dem kreativ darüber nachgedacht wird, wie umweltverträgliche, menschenfreundliche Arbeit in der Zukunft aussehen kann. Und jetzt damit anfangen.

Sowohl auf EU- als auch auf Bundesebene existieren neue Fördertöpfe, um in den Bereichen Energie, Umwelt- und Klimaschutz aktiv zu werden. Damit das Saarland nicht verschläft, sie auch abzurufen, sollten wir Firmen und Gründern mit einer eigens dafür eingerichteten Stelle den Weg dorthin zeigen. [...]

Ich glaube, dass z.B. Kreislaufwirtschaft eine wichtige Rolle spielen wird. Innovation ist gefragt, qualifizierte, saubere und sichere Verfahren zur Wiedernutzbarmachung von Ressourcen im großen Stil müssen entwickelt werden. [...]

Mobilität:
Viele Autobahnbrücken im Saarland sind marode, bei der Bahn gibt es nur wenige Fernzüge, der ÖPNV hat Schwächen, die Zukunft des Saarbrücker Flughafens ist unklar, die Fahrradinfrastruktur ist oft nicht gut. Was sind für Sie die dringendsten Aufgaben im Bereich Mobilität?

Für eine Radfahrerin, die in Amsterdam und Südbaden gelebt hat, ist „die Fahrradinfrastruktur ist oft nicht gut“ stark untertrieben. Aus Freiburg (wo ein Autobahnzubringer die Stadt ähnlich unangenehm durchpflügt wie in Saarbrücken die Stadtautobahn) weiß ich jedoch, dass es mit dem Willen dazu anders geht. Darum bin ich guter Dinge, dass sich das auch hier ändern lässt.

Besonders wichtig finde ich neben mehr/durchgehenden/ausreichend breiten Radwegen eine Kampagne zur Sensibilisierung der motorisierten Verkehrsteilnehmer*innen, für mehr Sicherheit auf dem Rad, insbesondere für Kinder.

Unsere Städte [...] müssen von Autos entlastet werden; wir verschenken ohne Not wertvollen Platz an sie. Viele Menschen wären gern unabhängig vom Auto, wenn der ÖPNV eine ernsthafte Alternative wäre. Dafür muss er bezahlbar und komfortabel werden, mit nur einem Netz und einem Tarifsystem, das auf Anhieb verständlich ist.

Ich bin dafür, endlich eine ordentliche Zuganbindung Richtung Straßburg und Luxemburg/Brüssel einzurichten. [...]

Bildung:
Soll G9 an Gymnasien im Saarland wieder eingeführt werden? Wenn ja, was bedeutet das für die Gemeinschaftsschulen?

Es ist ein Fehler, Schulen als Orte des Wettbewerbs zu begreifen. Die Auffassung setzt Eltern und Schüler unter Druck, und in dieser Logik wird G9 natürlich zu Lasten der Gemeinschaftsschulen gehen. Die Reduzierung der Diskussion auf die schlichte Frage nach Ja oder Nein zu G9, mit der Überbetonung des Abiturs, ist aber ein Ablenkungsmanöver. Das Saarland steht seit Jahren an letzter Stelle, was die Pro-Kopf-Ausgaben für Bildung angeht. Das ist es, was ich ändern will.

Schule muss vom Lernen her gedacht werden, nicht von der Frage, wie lange es dauert, bis ich zum Abitur, ins Studium, in den Arbeitsmarkt komme. [...] Schulen müssen darum Orte der Kooperation sein, nicht der Konkurrenz. Ich glaube, dass längeres gemeinsames Lernen den sozialen Zusammenhalt stärkt und die Entwicklung dringend benötigter „future skills“ ermöglicht.

Unser Schulsystem, bei dem die Kinder schon nach der 4. Klasse getrennt werden, ist ungerecht und muss reformiert werden. Wer glaubt, dass Schulen keine sozialen Orte sind, sondern lediglich der Aufnahme von Wissen dienen, hat die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts nicht verstanden.

Bevölkerungsrückgang:
Prognosen gehen davon aus, dass das Saarland bis zum Jahr 2060 einen Bevölkerungsrückgang von bis zu 20 Prozent haben wird.Welche konkreten Maßnahmen wollen Sie ergreifen, um das Saarland als Ort zum Leben und Arbeiten wieder attraktiver zu machen?
Das Saarland bringt hervorragende Voraussetzungen mit [...]. Es muss nur mehr daraus machen.
Kunst und Kultur müssen mehr Wertschätzung erfahren, finanziell und ideell. [...]

Mit der höchsten Pkw-pro-Kopf-Quote läuft das Saarland Gefahr, zum Freilichtmuseum der Automobilgesellschaft zu werden. Wer jedoch auf der Höhe der Zeit ist, schafft die Voraussetzungen dafür, dass niemand ein Auto haben muss. Mit einem bezahlbaren, gut ausgebauten ÖPNV-System, das unkompliziert und zuverlässig funktioniert, ist das Leben in der Stadt und auf dem Land lebenswert.

Bessere Fernzuganbindungen werden die Region interessant machen. [...] Flächendeckend gutes Internet als Voraussetzung für Lebensqualität ist inzwischen eine Binsenweisheit, das Gleiche gilt für gute, in jeder Hinsicht modernisierte Schulen, eine angemessene Dichte an Kitas. [...]

Nicht zuletzt will ich im Saarland Zuwanderer*innen spürbar willkommen heißen statt sie mühsamen Prozeduren wie der einer Tagesreise nach Lebach auszusetzen. Teilhabe und Vielfalt sollen mehr als nur Worte sein. Wenn dann noch die Saar zu einem Fluss wird, in dem wir unbedenklich schwimmen können, ist das Saarland ein Ort, wo Menschen auch nach Studium und Ausbildung bleiben – oder zurückkommen – oder überhaupt erst hinziehen, weil es ihnen dort besser gefällt als anderswo.

Wir geben hier die Antworten der Kandidaten im Wortlaut wieder, Kürzungen sind durch […] gekennzeichnet.

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Übersicht
Die Landtagswahl 2022 im Saarland
Ergebnisse, Analysen, Folgen - im Dossier zur Landtagswahl 2022 stellen wir alles zusammen, was saarländische Wählerinnen und Wähler wissen müssen.

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