Standbild aus „Paradies“ (Foto: KHM Esser Kuenzli Mihatsch)

Paradies

Eine Rezension von Martin Breher  

Ein dreiköpfiges Team reist für seinen Arbeitgeber durchs Land, um Menschen vom Diesseits ins Jenseits zu befördern. Doch eines Tages wird ihre kalte Routine durchbrochen – und die Welt gerät aus den Fugen.

Bewertung: Zwei von drei Herzen

Moris, Kraumann und Grundt fahren jeden Tag mit dem Firmenwagen durchs Land und befördern ausgewählte Personen ins Jenseits. Die Arbeit ist für die drei Routine. Moris (Franziska Machens) sorgt mit ihrer Maschine, die aussieht wie ein Vermessungsgerät, fürs Ableben. Grundt (Holger Daemgen) erledigt den Papierkram. Und Kraumann (Johannes Kühn) steckt die Toten in den schwarzen Sack. Business as usual – Tag für Tag. Nachts werden die Leichensäcke abgegeben und geschlafen. Gegessen und gelebt wird im Firmenwagen.

Doch als die drei erfahren, dass einer von ihnen gehen muss, ändert sich alles. Moris weigert sich, bei einer Klientin das Ableben einzuleiten. Dadurch wird das eingespielte Team aus seiner Routine geworfen und die Welt gerät aus den Fugen. Die Paketbotin darf weiterleben, wird aber irgendwann so schwach, dass dem Zuschauer der Tod als Erlösung erscheint. Einige Zeit nach dem geplanten, aber nicht eingetretenen Ableben, wird von der Zentrale schon ihr Ersatz geschickt – der ihr dann erklären muss, dass sie ja eigentlich schon tot sein müsste.

Sterben und das Leben nach dem Tod 

Regisseur Immanuel Esser, studierter Philosoph, wirft in „Paradies“ zentrale Fragen rund um das Thema Sterben und Leben nach dem Tod auf: Was passiert eigentlich, wenn man nicht stirbt? Wer entscheidet, wer wann stirbt? Und kann der einzelne Mensch das selbst beeinflussen?

Der Rentner, der vor seinem Wohnwagen das Diesseits verlassen muss, kann seinen Todeszeitpunkt zwar nicht verhindern, bittet aber darum, dass sein Camper doch bleiben darf. Und die Arbeiterin auf dem Geröllfeld bittet um etwas Aufschub, damit sie noch ein paar Markierungen zu Ende bringen kann. Zwangsläufig muss man da an den „Brandner Kaspar“ denken, der den Tod bequatscht und letztendlich durch Alkohol gefügig macht.

Nachdenklich, bildstark, souveräne Schauspieler

Aber auch sonst stecken viele Anspielungen in der Geschichte: Die „Wiederverwertungsgesellschaft“, für die die drei arbeiten, heißt „Styx“ – wie der Fluss in der griechischen Mythologie, der die Grenze zwischen der Welt der Lebenden und der Toten darstellt. Man denkt an Schotty, den „Tatortreiniger“, wenn der Trupp den Wohnwagen des Rentners von den Blutflecken befreit. Und an das missliche Paketwesen im Hier und Jetzt, in dem die Paketboten körperlich, und alle sonst daran Beteiligten irgendwie psychisch zu Grunde gehen.

„Paradies“ ist ein melancholischer, nachdenklicher Film, der mit toll komponierten Bildern, einem stimmigen Farbkonzept und souveränen Schauspielern überzeugt – leider aber manchmal mit unnötigen Längen aufwartet.

Regie: Immanuel Esser
Deutschland 2020


Die Spielfilme im Wettbewerb
Diese 16 Filme aus Deutschland, Österreich und der Schweiz konkurrierten um insgesamt neun Preise, darunter um den mit 36.000 Euro dotierten Max Ophüls Preis: Bester Spielfilm.

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