Thomas Brass  (Foto: Sebastian Knöbber)

Kino im Kopf – Filme für Seh- und Hörgeschädigte

Leonie Rottmann   25.01.2020 | 13:30 Uhr

Filme leben von Bild und Ton: Was für viele selbstverständlich ist, kann für seh- oder hörgeschädigte Menschen zu einer Herausforderung werden. Eine App hilft ihnen mit Audiodeskriptionen dabei, sich die Szenen vorzustellen. Greta spricht, Starks schreibt – auch beim Filmfestival Max Ophüls Preis.

"Tagundnachtgleiche " ist einer der Filme im Wettbewerb, die mit Audiodeskription beziehungsweise Untertiteln angeboten werden. Worum es in dem Film geht, hat das Team in der SR Lounge erzählt.

"Eine Lampe spendet spärliches Licht. Auf dem Tresen brennt eine Kerze im Glas", Greta beschreibt eine Filmszene aus "Tagundnachtgleiche", die gerade auf die Leinwand im Kino projiziert wird. Sie spricht über Details, Gesichtsausdrücke und stumme Kommunikation. Thomas Brass sitzt in seinem Sessel und sieht auf die Leinwand. Sein Blick ist starr und regungslos. Auf seinem Schoß liegt ein Smartphone, in seinem Ohr steck ein kleiner Kopfhörer. Er ist blind. Aber ins Kino geht er trotzdem – und das gerne.

Thomas Brass war nicht immer blind. Bis zu seinem 26. Lebensjahr hat er als Fotograf gearbeitet. Nach einer Augenoperation hat er dann seine Sehkraft verloren. Er hat Filme schon immer geliebt. Daran hat sich bis heute nichts geändert, er hat sich nur angepasst. Anfangs waren Kinobesuche eine echte Herausforderung: "Wenn im Film Weingläser aneinanderstoßen, kann ich das hören. Aber wie viele Menschen es sind, weiß ich nicht."

Platz für eigene Bilder

Mit der App "Greta und Starks" für seh- und hörgeschädigte Menschen hat sich das geändert, denn Greta erzählt ihm, was in stillen, atmosphärischen Szenen passiert. Für Hörgeschädigte untertitelt Starks den Film mit allen nötigen Informationen wie Gesprächen und Atmosphäre.

"Durch die Audiodeskriptionen entsteht im Kopf viel Platz für Imaginationen, vielleicht sogar intensivere als bei jemandem, der den Film sehen kann", sagt der Saarbrücker Brass. Wer die Audiodeskriptionen von "Greta und Starks" nutzen möchte, muss sich die App auf sein Smartphone herunterladen. "Dann lädt man sich einfach die Audiodeskriptionsspur zu Hause herunter und sobald der Film losgeht, synchronisiert sie sich über das Mikrofon des Smartphones mit dem Filmtext."

Probleme mit der App

Greta beschreibt gerade eine Szene, in der niemand spricht, als sie abrupt stoppt: Über den Kopfhörer hört Thomas Brass nur noch den Klingelton seines Smartphones. "Das sind kleine Probleme, die die App mit sich bringt. Wenn man eine SMS bekommt, angerufen wird oder eine Push-Benachrichtigung bekommt, unterbricht die App sofort." Manchmal verliere sie auch die Synchronisation mit dem Film, das passiere aber selten.

Für Hörgeschädigte sieht der ehemalige Fotograf ein anderes Problem: "Sie müssen immer wieder den Blick von der Leinwand auf das Smartphone wenden, um die Deskriptionen zu lesen. Untertitel direkt im Film wären da mit Sicherheit angenehmer."

Sechs Filme beim Filmfestival

Besonders freut sich Thomas Brass darüber, dass es seit einigen Jahren auch beim Filmfestival Max Ophüls Preis immer wieder Filme mit Audiodeskription gibt. Seit 1981 hat er fast immer am Festival teilgenommen und besucht jedes Mal rund zehn Vorstellungen. In diesem Jahr wurden von mehr als 150 Filmen sechs mit Audiodeskriptionen angeboten. "Das ist nicht viel, aber das ist bei so einem Festival auch zeitlich gar nicht möglich, weil die Filme erst im Herbst ausgesucht werden", erklärt Thomas Brass.

Wie gut das Angebot beim Filmfestival genutzt wird, weiß er nicht. Außerhalb der Ophüls-Woche ist er sich aber sicher, dass es sehr viele Menschen gibt, die durch die App trotz ihrer Beeinträchtigungen Freude am Kino haben können. Für ihn steht fest: "Die App macht Kino im Kopf."

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