Simin Sadeghi und Carl Rolshoven in der SR Lounge (Foto: Christoph Stein)

Ein Muss für Filmfans: Freitag

Matthias Braun  

Beim Filmfestival Max Ophüls Preis stehen die Spielfilme im Mittelpunkt. Aber auch in den anderen Wettbewerbsreihen gibt es interessante Stoffe. Simin Sadeghi und Carl Rolshoven geben hier jeden Tag ihre Filmempfehlungen ab.

SR.de: Was muss ich mir denn am Freitag noch ansehen, was mir bisher vielleicht entgangen ist?

Simin: Einer der wirklich herausragenden Beiträge im Wettbewerb Spielfilm ist „Ein bisschen bleiben wir noch“.  Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll, so toll ist der! Es geht um zwei Kinder, die ihrer Mutter weggenommen werden, weil sie sich nicht mehr um sie kümmern kann. Dann werden die Geschwister auch noch getrennt, versuchen aber immer wieder, zueinander zu finden. Das ist eine sehr traurige Geschichte, aber durch die Erzählweise und die Dialoge gelingen dem Film ganz viele liebenswerte Momente, und auch solche, in denen man immer wieder schmunzeln muss. Die Schauspieler in diesem Film sind ebenfalls großartig, allen voran die beiden Kinder, die hätte man sich nicht besser schnitzen können für so einen Film.

Carl: Dem habe ich nichts hinzuzufügen, genauso sieht’s aus.

SR.de: Aber einen weiteren Filmtipp hast Du hinzuzufügen?

Carl: Ja, und zwar möchte ich gerne auch mal einen mittellangen Film empfehlen. „Fabiu“ ist eine sehr schön erzählte Geschichte von einem älteren Herrn namens Arthur, der seine kranke Ehefrau pflegt und dann Unterstützung bekommt von Fabiu, einem ungarischen Pflegehelfer. Arthur ist ein unglaublich lebensweiser Mensch, aber mit Fabiu kann er erstmal nichts anfangen, weil ein Mann eben auch nicht seine Frau pflegen soll. Die beiden nähern sich aber an und freunden sich auch an, und das auf eine sehr charmante und wachsame Art und Weise. Es ist auch nicht unbedingt die Geschichte vom alten Grantler gegen den jungen Pfleger, sondern der Film überrascht einfach an ganz vielen Stellen. Wirklich sehr schön.

SR.de: Jetzt hab ich ja am Freitag noch Zeit, wenn ich diese beiden Filme gesehen habe. Was schaue ich denn dann noch?

Simin: Sehr ans Herz legen kann ich auch Jedem den Spielfilm „Jiyan“. Da geht es um ein Ehepaar, das aus Syrien nach Deutschland flüchtet und in Berlin erstmal bei Verwandten unterkommt. Dort wollen die die beiden eigentlich ein neues Leben beginnen, merken aber schnell, dass das gar nicht so einfach ist. Sie kommen nicht aus der Wohnung raus, weil sie kein Geld haben, die Behördengänge sind schwierig, der Mann hat erst keine Arbeit, geht dann aber auf den Bau, obwohl er Lehrer ist – also klassische Probleme, die Geflüchtete eben in Deutschland oft haben.

Sie kommen hierher, haben eine bestimmte Vorstellung und dann läuft es nicht so, wie man sich das, naja, als Mensch erhofft. Was ich an dem Film ganz besonders toll finde, sind die Innenansichten des Privatlebens dieser Menschen und dieser anderen Kultur. Man hat ja so ein Bild von Geflüchteten, dass die Frauen zum Beispiel mit Kopftuch durch die Stadt laufen und sehr konservativ wirken, aber hinter verschlossenen Türen führen die genau so ein Leben wie Du und ich. Zum Beispiel sitzen die Frauen in der Küche zusammen, kochen und reden über Sex, oder ein Ehepaar zeigt sich ganz offen seine Zuneigung. Ich finde das wichtig, sowas aus einer solchen Perspektive zu erzählen, damit wir auch als Gesellschaft neue und andere Kulturen annehmen und verstehen können, und nicht immer nur zwischen „wir sind so“ und „die sind so“ unterscheiden, denn wir sind eben alle Menschen, und das zeigt der Film sehr gut.

SR.de: Hast Du auch noch was, Carl?

Carl: Ja! Ich möchte unbedingt „Waren einmal Revoluzzer“ empfehlen. Der ist mit Julia Jentsch, Manuel Rubey, Aenne Schwarz und Marcel Mohab nicht nur vorzüglich besetzt, sondern er stellt uns als Zuschauer auch auf den Prüfstand, beziehungsweise kitzelt uns auch ein bisschen an einer unangenehmen Stelle. Zwei Paare aus dem klassischen Bildungsbürgertum in Wien bekommen einen Hilferuf aus Russland von einem alten Studienfreund. Dann entsteht so eine eigenartige Dynamik um die Fragen, wer jetzt zuerst hilft und wer in welcher Form hilft, und vor allem aus welchem Grund. Na klar helfen wir, na klar sind wir solidarisch, aber letzten Endes wollen wir auch was dafür zurückbekommen, also ein wenig Profiteure unserer eigenen Hilfe sein. Ich will das gar nicht verurteilen oder mich selbst davon freimachen, vielleicht bin ich insgeheim auch so.. Aber das macht den Film durchaus herausfordernd und darüber kann man dann auch wirklich mal nachdenken.

SR.de: Danke Euch!

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