Foto: Kult Comics/Andreas Möller/Michael Mikolajczak

Will Eisner aus dem Saarland

Andreas Möller serviert eine blutige amerikanische Story

Gerd Heger   13.11.2019 | 09:27 Uhr

Perfekte Beherrschung aller Schwarz-Weiß-Comic-Techniken, ein echter Sinn für Storyaufbau - und eine Geschichte, bei der es einen schüttelt. Andreas Möller aus Saarbrücken präsentiert sich mit "Die Spinne" als neuer Topzeichner der deutschen Szene.

 (Foto: Kult Comics/Andreas Möller/Michael Mikolajczak)


Amber hat einen farbigen Freund. Mit dem kommt sie in das amerikanische Provinzkaff zurück, in dem ihr Vater Frisör ist: Tinkerville. Eine Kloake im schlimmsten Sinne - lebender Abschaum, ungeklärte Morde, bornierte Weltanschauungen, purer Rassismus und böse Blicke im Dutzend. In passender Kulisse, die direkt aus einem alten Amifilm kommt. Psychopathischer Serienmörder inklusive. Drehbuchschreiber Michael Mikolajczak scheint in einen Eimer mit Psychomüll reingefallen zu sein, als er sehr beeinflussbar war. Und Zeichner Andreas Möller hat sieben Jahre lang (er arbeitet an der HBK in Saarbrücken) gefeilt, um aus einem ursprünglich noch blutigeren Szenario einen von Anfang bis Ende meisterlich umgesetzten Comicroman von 200 Seiten zu schaffen. Vielschichtig, traumlogisch, bildmächtig - aber nichts für schwache Nerven. Wie in den amerikanischen Filmen, die Zeichner Möller gerne nachts auf irgendwelchen Satellitenkanälen sieht.

"Es spielt vielleicht in der Wüste oder in irgendeinem einsamen kleinen Dorf. Und dort passieren seltsame und erschreckende Dinge." Andreas Möller
 (Foto: Kult Comics/Andreas Möller/Michael Mikolajczak)

Nach dem Mord an Melanie - der den Vorspann bildet - und zu dem man Stück für Stück die Hintergründe erfährt, nimmt eine üble Entführungsgeschichte ihren immer wieder mit überraschenden Wendungen aufwartenden Lauf. Amber gerät in die Fänge des Mörders, der aber nicht der Einzige ist, dessen brutale Impulse mit oder ohne Waffen ausgelebt werden. Und von allen Beteiligten offenbaren sich... nun ja, es SIND Abgründe. Kein Wunder, dass Alfred Hitchcock persönlich ein Cameo hat.

Der sympathische, ruhige Zeichner - der aus Niedersachsen ins Saarland gekommen und hier mit seiner Familie gerne heimisch ist: Im Gespräch ist er das genaue Gegenteil der Welt, in die sein aufwühlendes Werk Leserin und Leser hineinzieht. Die Geschichte habe ihn angefallen - aber auch erschreckt, meint er. Nur durch das vielschichtige Ende sei sie ihm nun wirklich zu eigen geworden. Jetzt aber sei er auch froh, sie hinter sich zu haben, diese jahrelange Arbeit mit den vielen lebensbedingten Unterbrechungen. Vielleicht gehe es nach einer Pause ins Weltall - im Comic, versteht sich.

 (Foto: Kult Comics/Andreas Möller/Michael Mikolajczak)

Nach einer gut besuchten Ausstellung in der Saarbrücker HBK denkt Möller auch über die Möglichkeit nach, seine Story auf der Bühne zu präsentieren, vielleicht mit E-Gitarre (die er auch spielt), aber das sei alles noch nicht spruchreif.

"Die Kameraeinstellungen, die Lichtverhältnisse, alles das, was man als Regisseur vor Ort im Blick hat, das versuche ich dann als Zeichner zu machen.“ Andreas Möller
 (Foto: Laura Delitala-Möller)

Eines jedenfalls steht fest: Wenn Bernd Kissel der saarländische Uderzo ist (siehe "Münchhausen" und "Freistaat Flaschenhals"), dann hat sich Andreas Möller mit seiner "Spinne" als der Will Eisner aus dem Saarland geoutet. Und nimmt man noch Erik dazu (ein Saarbrücker Zeichner, der derzeit leider nicht sehr aktiv ist) - dann strahlt die Troika der saarländischen Comicautoren mit bundesweiter Qualität komplett.

Michael Mikolajczak / Andreas Möller "Die Spinne"
Kult Comics ISBN 978-3-96440-075-1


Ausschnitt aus dem Comic "Wurzeln". (Foto: Andreas Möller)
Ausschnitt aus dem Comic "Wurzeln".

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