Flix, Spirou in Berlin (Ausschnitt) (Foto: Carlsen Verlag, Hamburg)

Spirou reißt die Mauer nieder

Gerd Heger   27.07.2018 | 08:30 Uhr

Zum ersten Mal verantwortet ein Deutscher ein Abenteuer der Kulturserie "Spirou und Fantasio". Flix, einer der erfolgreichsten deutschen Comicautoren, hat an der Saarbrücker HBK studiert - sein fulminantes Comicabenteur spielt in der Zeit vor dem Mauerfall in der DDR: viel Flix, genug Spirou, gelungen.

"Faust, der Tragödie erster Teil", "Schöne Frauen", "Glückskind", "Münchhausen" (mit dem saarländischen Zeichner Bernd Kissel) - der gebürtige Münsteraner Flix ist einer der profiliertesten Comicautoren in Deutschland. Sein ganz eigener Stil ist auch über regelmäßige Comickolumnen u.a. in der FAZ deutschlandweit erfolgreich geworden. Jetzt folgten die Höheren Weihen: Der Originalverlag der Kultserie "Spirou" (von großen Zeichnern wie Franquin oder Jean-Claude Fournier geprägt und weiterhin in aktualisierter Form fortgeführt), Dupuis in Paris, hat erstmals akzeptiert, dass ein deutscher Autor ein Abenteuer vorlegen darf - vorerst nur in Deutschland. Fragen an Flix exklusiv auf SR.de

Fliegender Trabbi mit Eichhörnchen (Foto: Flix Carlsen Verlag)
Fliegender Trabbi mit Eichhörnchen

Ein Deutscher darf Spirou, stolz?

Begeistert. Zufrieden. Dankbar.

Und wie kam’s?

Es war ein langer Weg, vom ersten Skript bis zu den finalen Farbseiten, aber am Ende konnten wir den belgischen Mutterverlag von unserer Version überzeugen.

Wer ist genau dieser Spirou und wie kommt er nach Berlin?

Spirou ist ein Hotelpage aus Brüssel. Sein Freund, der Graf von Rummelsdorf verschwindet eines Tages und alle Anzeichen weisen darauf hin, dass dieser nach Ost-Berlin verschleppt wurde. Und weil Spirou zu Heldentaten neigt, reist er kurzentschlossen hinterher, um den Grafen zu suchen.

 Wie frei ist man, wenn man in einer solchen Traditionsserie mitmachen darf? Darf man auch was „einschmuggeln“?

Es gibt Regeln, nach denen so ein Universum funktioniert, aber im Rahmen dessen ist erstaunlich viel möglich. Es ist ein durchaus „flixiges“ Spirou-Abenteuer geworden.

Du bist weltweit unterwegs (im Auftrag des Herrn Goethe und des gleichnamigen Instituts). Helfen die Bildchen oder können die in der Welt alle Deutsch?

Da helfen Bilder. Immer wieder. Und wenn es nur ist, einem Taxifahrer zu zeigen, dass man zum Flughafen möchte und nicht zum Bahnhof.

 Was ist deine prägendste Erinnerung an Saarbrücken – das Schild am Stadtausgang?

Tatsächlich die Kunsthochschule und die dortige Bereitschaft für Experimente. Auch wenn es damals noch keinen Masterstudiengang „Comic“ gab, ließ man mich machen. Welch Geschenk!

 

Können Spirou und Pips entwischen? (Foto: Carlsen Verlag)
Können Spirou und Pips entwischen?

Ein echter Spirou - und doch ganz Flix (die Kurzkritik)

Graf von Rummelsdorf ist verschwunden, verschleppt in die DDR. Wir schreiben das Jahr 1988, Fantasio, der berühmte Reporter der legendären (und erfundenen Zeitung) Le Moustique sucht verzweifelt eine Story. So fahren sein Freund Spirou und er (und natürlich das Eichhörnchen Pips) schnurstracks nach Berlin, überwinden auf hanebüchene Weise die Mauer, quartieren sich im berüchtigten Palasthotel ein (hinter jedem Spiegel die Stasi). Sie geraten an die junge Bürgerrechtlerin Momo - und müssen den verrückten Gelehrten und Freund Rummelsdorf aus den Fängen der Staatssicherheit retten, mit der der ewige Widersacher Zantafio gemeinsame Sache macht. Es geht um Waffen, Unterdrückung, Geld - und am Ende, nach gewohnt hanebüchenen Verwicklungen hat Fantasio natürlich seine Story.

Stolz: Flix am Zeichentisch (Foto: Carlsen/Mari Boman)
Stolz: Flix am Zeichentisch

Da hat einer die ganzen Bände noch einmal gelesen, die es vom über 80-jährigen Spirou gab (erstes Spiroumagazin am 24. April 1938). Und, weit über seine normalen Zeichenkünste hinaus, geackert. Selbst großflächige Zeichnungen gelingen Flix mühelos, der sympathische große Mann, der die deutsche Comickunst auch weltweit vertritt (siehe oben), muss sowieso nicht beweisen, dass er Plots kann, sogar eine so überraschungssatte Abenteuergeschichte wie diese. "Spirou in Berlin" ist ganz Flix, aber auch wirklich genug Spirou, treu der geschichtlichen Situation, witzig, rührend, fantastisch - mit vielen Anspielungen auch für die eingefleischten Comicfans. Und deswegen, so erzählt Flix im Gespräch, sogar für eine Veröffentlichung in Frankreich vorgesehen. Vorheber aber geht es auf Lese- und Zeigereise durch ganz Deutschland, die, wie es aussieht, leider nicht über Saarbrücken führt.

Flix Spirou in Berlin
Carlsen Verlag


Deutsche Diamantene Republik (Foto: Carlsen Verlag, Hamburg)
Deutsche Diamantene Republik

Was man sonst noch über BD erfahren kann

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Die Comicbegeisterung in Frankreich ist mit dem deutschen Comicmarkt nicht zu vergleichen. Aber sie schwappt auch über die Grenze: Gut die Hälfte aller frankophonen Bücher, die für Deutschland übersetzt werden, sind Comics. Von den Klassikern wie Asterix oder Lucky Luke bis zu heutigen Serien wie Largo Winch oder XIII, von Cartoongrößen wie Sempé oder Pénélope Bagieu bis hin zu den Zeichnern und Zeichnerinnen von Charlie Hebdo oder den Graphic Novels eines Guy Delisle.

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