Dubouts Plakat für den Film "Fanny"  (Foto: DUBOUT)

Viel mehr als Katzenbildchen

Der Comicvorläufer Albert Dubout zeichnete ein Sittenbild des 20. Jahrhunderts

Ein Gastbeitrag von Ulrich Joosten   18.03.2019 | 16:09 Uhr

Katzen, Katzen, nichts als Katzen! In den Souvenirläden Frankreichs findet man die felinen Kunstharzfigurinen, die nach Zeichnungen Albert Dubouts entstanden sind. Man könnte den Eindruck bekommen, dass die schwarzen Samtpfoten alles sind, was vom Werk des großen Illustrators, Karikaturisten und Malers übriggeblieben sind.

Les Chats de Dubout (Foto: DUBOUT)
Les Chats de Dubout

Dabei gehört der 1905 in Marseille geborene und 1976 in Saint-Aunès gestorbene Künstler jahrzehntelang zu den beliebtesten französischen Zeichnern überhaupt. Der Absolvent der Ècole des Beaux-Arts in Montpellier zieht 1924 nach Paris, reüssiert im legendären Humorjournal Pêle-Mêle und wird innerhalb von nur zehn Jahren zu einem der einflussreichsten Zeichner Frankreichs. Bis kurz vor seinem Tod arbeitet er für zahlreiche Presseerzeugnisse, illustriert kontinuierlich für 25 Zeitungen und Zeitschriften, darunter Paris-Soir. Der äußerst produktiv, ja obsessiv zeichnende Dubout macht sich nicht nur als Karikaturist, sondern auch als genialer Illustrator einen Namen. Über 80 Klassiker der französischen und internationalen Literatur von Gabriel Chevaliers „Clochemerle“ bis zu „Justine“ von Marquis de Sade hat der Künstler mit seinem unverwechselbaren Strich und zarten Aquarellfarben humorvoll in Szene gesetzt.

"Zehn, zwanzig, hundert, wenn möglich tausend"

Albert Dubout sieht sich Zeit seines Lebens als unpolitischer Mensch. Mit seiner beißenden Satire betrachtet er hingegen die verschiedensten Arten der Spezies Mensch und präsentiert sie auf eine Weise, dass ein jeder sich darin erkennen kann. Er ist besessen von Massenszenen. Es sei ihm unmöglich, gibt er „Le Rire“ einmal zu Protokoll, „nur zwei Figuren in einer Komposition unterzubringen." Er brauche zehn, zwanzig, hundert, wenn möglich tausend. Es seien niemals genug. Es sei stärker als er, und wenn das so weiterginge, müsse man das Format der Zeitungen vergrößern, damit er genügend Platz darauf habe. Sein Plakat oben für den Pagnol-Film "Fanny" zeigt das - Pagnol ist übrigens sehr davon angetan.

Albert Dubout und Marcel Pagnol (r) (Foto: DUBOUT)
Albert Dubout und Marcel Pagnol (r)

So entstehen Bilder wie die 1931 auf 39 x 55 cm angefertigte Tuschezeichnung „La fête au village“, auf der Dubout in einem Bild mindestens so viele kleine Geschichten unterbringt wie heute ein Comiczeichner in 50 Panels. Sein Enkel und Nachlassverwalter Didier Dubout erklärt, dass sein Großvater stets die komplette Komposition vor seinem geistigen Auge gesehen und nie ein Bild vorgezeichnet habe. Dubout verwendet speziell in England für ihn hergestellte Tuschefedern, die es ihm ermöglichen, mikroskopisch kleine Striche zu setzen (die er unter der Lupe ausführt). Wobei er in der linken oberen Ecke beginnt und sich sukzessive bis zur rechten unteren durcharbeitet, dabei nie etwas radieren oder retuschieren muss, wie die Originale seiner Arbeiten eindrucksvoll zeigen.

La Pétanque (Skizze) (Foto: DUBOUT)
La Pétanque (Skizze)

Mit Engagement und Leidenschaft hegt und pflegt Didier Dubout das Werk seines Großvaters, unter anderem auf der offiziellen Dubout-Internet-Seite dubout.fr. Er und die Familie des Künstlers haben neben verschiedenen Einzelalben eine prachtvoll ausgestattete Gesamtedition der Werke Albert Dubouts in sieben großformatigen Leinenbänden herausgegeben. Und man sieht, dass die Katzen nur den winzigen Teil eines großartigen Oeuvres ausmachen, eines überbordenden, prallen Sittengemäldes der französischen Bourgeoisie von den 30er bis zu den 70er Jahren, das (wieder) zu entdecken sich unbedingt lohnt.

(Vielen Dank an Didier und Ylonka Dubout für die Unterstützung!)

Verkehrte Welt (Foto: DUBOUT)
Verkehrte Welt

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Lucky Luke erstmals auf dieser Seite des Atlantik (Foto: Ehapa Comic / Lucky Comics)
Lucky Luke erstmals auf dieser Seite des Atlantik

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