Anekdoten aus den Anfängen des SR Fernsehens

In den Pioniertagen des saarländischen Fernsehens musste viel improvisiert werden. Dabei geschah auch so manches Lustige. Gertrud Ecker, als erste SR-Bildmischerin seit 1961 im "Pferdestall-Studio" mit dabei, erinnert sich gern daran, dass es trotz aller Arbeit auch viel zu lachen gab.

Von Gertrud Ecker

In einer der aktuellen Sendungen sollte einmal ein Mädchen, etwa zehn Jahre alt, vorgestellt werden. Sie kam aus dem Osten und verbrachte ihre Ferien zum "Hochpäppeln" in einer saarländischen Familie. Wir machten zuerst einen Probedurchlauf. Bis zur Sendung war danach noch Zeit. Da bot sich Truck Branss an, das Mädchen mit seinem schicken Auto herumzufahren. Als er sehr sportlich auf dem Platz vor dem "Pferdestall", unserem Studio-Gebäude, wieder ankam, konnte er nicht rechtzeitig bremsen und fuhr gegen die Hauswand. Sendungen hat er aber selten "vor die Wand gefahren".

Schwierigkeiten gab es oft mit den Redakteuren, die nicht einsahen, dass ich ihre genauen Schlussworte kennen musste, um Filme oder die MAZ (Maschine zur magnetischen Bandaufzeichnung) rechtzeitig starten zu lassen. Damit ein Film lückenlos nach der Ansage begann, brauchte man fünf Sekunden Vorlauf, bei einer MAZ waren es 15 Sekunden. Wenn das nicht klappte, gab es ein "Loch" und jedes Mal Ärger.

Bald begann Truck Branss damit, im Pferdestall-Studio (manchmal auch außen drumherum) längere Musik- und Schlagersendungen aufzuzeichnen. Sie machten ihn sehr erfolgreich und den SR bekannt. Ich war dabei oft seine Bildmischerin, zum Beispiel bei Produktionen mit den Schlagersängern Udo Jürgens, Gilbert Becaud, Françoise Hardy, Ulla Norden, Peter Kraus, Gitte, Esther und Abi Ofarim, Wencke Myhre. Auch bei Konzerten mit dem Ristenpart-Kammerorchester, Aufzeichnungen mit Big-Bands und Jazz-Orchestern (Oscar-Peterson-Trio) saß ich für ihn am Mischpult. Ballettaufführungen zeichneten wir ebenfalls auf, in Basel zum Beispiel "Die Steinerne Blume" von Prokofjew.

Außer für Truck Branss arbeitete ich als Bildmischerin aber auch für ausgezeichnete Gast-Regisseure beim SR, darunter Helmut Käutner, Eberhardt Itzenplitz und Wilm ten Haaf.

Auch außerhalb des eigenen "Pferdestalls" wurde in dieser Zeit schon viel vom SR produziert und als Bildmischerin war ich oft dabei. Das geschah häufiger in der Wartburg (Musik) und in Saarlouis, wo früher das Kammerorchester unter Karl Ristenpart spielte. Dafür hatten wir einen Drei-Kamera-Ü-Wagen, der dann später auf vier Kameras hochgerüstet wurde. Erster Fernseh-Ü-Wagenchef war Ludwig Breit. Er hatte zuvor als Fernseh-Techniker im Studio gearbeitet.

Auch auf dem Halberg nutzte das Fernsehen für große Produktionen schnell andere Räume. Ehe Zwischenwände eingezogen wurden, bot sich dafür zuerst die gesamte erste Etage über der Garage an. Später zogen dort die Werkstätten ein. Die provisorische Schallisolierung sorgte für den Namen: "Eierkistenstudio". Gedreht wurde meist nachts, weil es dann ruhig war auf dem Halberg.

Im neuen Studio 1 im Fernsehbau wurde schon produziert, als es noch fast ein Rohbau war. Das Fernsehen war halt im Kommen und brauchte Platz.

Seine große Bewährungsprobe erlebte (und bestand) das junge aktuelle Fernsehen des SR bereits ein Jahr nachdem es regelmäßig auf Sendung gegangen war – und ich mit ihm: Am 7. Februar 1962 beim großen Bergwerksunglück in Luisenthal mit 299 Toten. Da kamen aus dem "Pferdestall" Bilder und Berichte für ganz Deutschland und auch das Ausland. Für mich war die Trauerfeier die größte Herausforderung. Wir übertrugen sie live und deutschlandweit direkt vom Bergwerksgelände. Wohl nie zuvor und danach war ich so angespannt wie damals am Mischpult im engen Ü-Wagen.

Was mir aus der Anfangszeit auch noch in Erinnerung ist, sind seltsame Erlebnisse mit Praktikanten der Regisseure Truck Branss und Peter Ehmke. Ich erinnere mich an:

  • einen Marokkaner, der, als die Stoßstange seines Autos verbogen war, gegen die Mauer des Pferdestalls fuhr, um den Schaden zu beheben.

  • einen Afrikaner mit Namen Z., der im Kongo das Fernsehen aufbauen sollte. Er hat mich während einer Livesendung aufgefordert, für ihn eine Tasse Kaffee zu besorgen.

  • einen Herrn K., der in einem Saarbrücker Kino Truck Branss nachmachte und während des Filmes lauthals "Schnitt, Schnitt" rief.

Nach der aktuellen Sendung kam bis zur Tagesschau immer Werbung. Da Redakteure die vorgegebenen Längen nicht genau einhielten, wurde die Zeit für die Werbung manchmal sehr knapp. Einmal lief ein Film mit dem Gefangenenchor aus der Verdi-Oper Nabucco, als Bernd Stenger vom Werbefunk (verantwortlich dafür, dass die Werbespots ungekürzt gesendet wurden) lautstark rief: "Schluss machen, Schluss machen". Das Ergebnis war, dass ich in den Nachhall des Chores den Werbeblock startete und der begann mit "Und jetzt ein Glas Milch".

Öfters haben wir einen Film kürzen müssen, der während des Werbeblocks lief. Dafür gab es ein Dia mit dem Wort "Ende", das dann eingeblendet wurde. Da einmal die Kommunikation zwischen dem Tonmann und mir nicht klappte, zeigte ich nach dem Dia die Ansagerin. Der Film-Ton lief aber noch weiter. Das Ergebnis: Man hörte ein "Muh" und sah – die Ansagerin.

Was man heute Teleprompter nennt, gab es früher auch schon, nur etwas einfacher. Es war eine große Schiefertafel, auf die der Text mit Hand geschrieben wurde. Diese Tafel wurde mit "Neger" bezeichnet. Bei einer Fernsehaufzeichnung konnte eine Schlagersängerin ihren Text beim Playback-Singen nicht. Truck Branss rief vom Regieraum über Lautsprecher: "Stellt bitte den Neger neben die Kamera 2". Da bei dieser Aufzeichnung ein afrikanischer Student einer der Kabelhelfer war, forderte einer seiner Kollegen ihn auf, sich neben die Kamera 2 zu stellen.

Eines Morgens kam ich etwas zu früh ins Pferdestall-Studio. Da war ein Kameramann gerade dabei, seine aufgehängten Hemden mit einigen Scheinwerfern zu trocknen.

Diese "Pionierzeit" des SR Fernsehens möchte ich nicht missen, wir haben damals alle viel gelacht, geleistet und auch gelernt. Ich zum Beispiel kannte mich an den elektronischen Kameras aus, auch in der Technik wie der Kameraaussteuerung, Filmabspielung und Magnetischen Bandaufzeichnung (MAZ). Davon konnte ich viel profitieren, besonders, als ich einige Male außerhalb arbeitete, wie in München Geiselgasteig und in Frankfurt beim HR-Fernsehen. Bis 1967 blieb ich aber beim SR angestellt.

Autor: Axel Buchholz; Mitarbeit: Thomas Braun, Jutta Grünewald, Klaus Peter Weber, Roland Schmitt

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