Detlev Schönauer (Foto: Privat)

Detlev Schönauers „Jacques‘ Bistro“

Radio, Bühne, Fernsehen: Die Karriere von „Jacques‘ Bistro“

  27.02.2020 | 13:29 Uhr

Detlev Schönauer ist privat ein eher zurückhaltender Mensch. Anders als sein Alter Ego „Jacques“. Kein Wunder: In dessen gleichnamigem Bistro „trifft sich die Welt (Süddeutsche Zeitung). Mehr noch: „… Jacques' Bistro ist der Nabel im Nabel der Welt, nämlich das Saarland“. Kein Wunder also auch, dass vor allem diese Radio-Rolle auf der Europawelle Saar den Kabarettisten Schönauer bekannt gemacht hat (Wikipedia). An Silvester 1991 lief die erste der wöchentlichen Glossen im SR, elf Jahre lang bis Ende 2002.

Von Detlev Schönauer

Immer wieder werde ich gefragt, woher die Idee zur Figur „Jacques“ kommt, dem so charmant französelnden Bistrowirt. Nun, die Entstehung dieser Figur kann ich sogar zeitlich sehr genau zuordnen, schließlich war seinerzeit –„unglücklicherweise“ muss man leider sagen – eine Umweltkatastrophe der Auslöser.

Es war am 27. 4. 1986. Ich war damals noch als Amateur auf regionalen Kabarettbühnen unterwegs, beruflich arbeitete ich als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Experimentalphysik der Universität des Saarlandes.

    Detlev Schönauer über seine Rolle als „Jacques Bistro"

An diesem Tag bemerkten wir durch entsprechende Messungen eine ungewöhnlich starke Radioaktivität in der Luft, die stetig zunahm und deren Ursache keiner einordnen konnte. Bald erfuhren wir aus anderen Regionen, insbesondere aus Schweden, dass dort die Radioaktivität noch stärker zugenommen hatte. Erst am Abend des nächsten Tages gab es erste offizielle Bestätigungen aus der Sowjetunion über einen „Unfall“ im Kernkraftwerk Tschernobyl in der Ukraine. Der Rest ist bekannt und ging als „Katastrophe von Tschernobyl“ in die Geschichtsbücher ein.

Im Spätherbst desselben Jahres wurde direkt vor der saarländischen Grenze „Cattenom“ in Betrieb genommen, ein weiteres französisches Atomkraftwerk. Die Franzosen setzten nach wie vor auf Kernenergie und spielten dabei gerne deren Gefahren herunter. So „schwebte ja auch die Wolke von Tschernobyl großräumig um Frankreich herum“.

Detlev Schönauer 1991. (Foto: R. Oettinger/SR)
Detlev Schönauer 1991.

Diese Tatsachen und die Unbekümmertheit der Franzosen griff ich damals in einem Kabarett-Sketch auf und präsentierte dabei das Kernkraftwerk in Cattenom als einen neuen „Ferienclub“ jenseits unserer Grenze. Mit französischem Akzent gab ich den „radioaktiven Animateur ,Jacques Nucleaire‘ des Ferienclubs ,Sainte Becquerelle‘ in Cattenom“. Ich lud dabei meine „Gäste“ – vorwiegend Saarländer – zu einem angenehmen und ereignisreichen Erholungs-Urlaub in unserem „‘errlischen Clübe“ ein. Gerade für ältere Menschen sei dieser Club besonders gesund, empfehlenswert vor allem das „Rheumabad im Moderatorbecken“.

Allerdings warnte ich gerade die Saarländer: „Naturellement Ihr dürfe da rumschwimm, aber die Brennstäbe, bitte, lasst hängen, weil die mache Strom für die Fronkreische. Sischer, auch bei uns man weiß, Saarlander holle alles met … aus drei Brennstäb mache die eine Schwenkergrill!“

Ich erklärte dann auf pseudowissenschatliche Weise, dass „Strahlüng radioaktive is absolumment kein Gefahr für uns! Weil unser Körpère hat ja für alles, was is gefährlische, Sensors: Auge für zu kuck, Ohre für zu hör, Nas‘ für rieschen … Aber keine Mensch ‘at eine Sensor für Strahlüng radioaktive … kann also überhaupt nischt gefährlisch sein!“

Diese Art der Aufbereitung eines solchen Themas kam besonders gut deshalb an, weil hier ein recht böser Text auf dieses charmante französelnde Parlieren stieß. Solche Diskrepanzen sind häufig ein Mittel der Satire. Diese „Cattenom-Nummer“ spielte ich dann über längere Zeit immer wieder auf Kabarettbühnen mit großem Erfolg.

Detlev Schönauer 2006. (Foto: R. Oettinger/SR)
Detlev Schönauer 2006 bei einer SR-Veranstaltung.

Wenige Jahre später stellte die Europawelle des Saarländischen Rundfunks ihre Programmstruktur um und kreierte eine werktägliche Vormittagssendung namens „Bistro“. Der zuständige Redakteur Manfred Spoo sprach mich seinerzeit an und fragte, ob ich mir vorstellen könne, satirische Texte zu sprechen. Sie bekämen täglich Zuschriften solcher Arbeiten diverser Autoren und würden diese gerne zu einer wöchentlichen Glosse verarbeiten.

Eine solche Arbeit reizte mich durchaus, und wir probierten erst mal einiges aus. Manfred schlug mir vor, einen Saarbrücker Herrenausstatter zu mimen und legte mir dazu diverse Texte vor. Allerdings fühlte ich mich weder in der Rolle noch mit den Texten wohl. Ich wollte nicht gerne einen Saarländer sprechen, denn ich bin keiner, und das würde man hören. Zudem fand ich mich in den meisten Texten nicht wieder. So bin ich erst einmal nach Hause und „in mich gegangen“.

Artikel in der „SRinfo“ März 1992 zum Start von „Jacques Bistro" auf der Europawelle. Zum Lesen bitte durch Anklicken vergrößern.
Detlev Schönauer und SR 1-Moderator Volkmar Lodholz. (Foto: Becker & Bredel)
Detlev Schönauer und SR 1-Moderator Volkmar Lodholz beim SR-Landesfest anlässlich 50 jahre Saarland. 2007.

Ein paar Tage später präsentierte ich Manfred Spoo dann meine Idee: ein französischer Bistrowirt, der in Saarbrücken lebt und sich über alles und jeden seine Gedanken macht. „Französisch“ deshalb, weil eben diese charmante Sprache so gut ankam und selbst böse Inhalte unterhaltsam rüberbringt. Und der „Bistro“-Wirt lag einerseits wegen des Titels der Sendung auf der Hand, andererseits kommt ein Bistrowirt an seiner Theke mit allen möglichen Gästen und auch Themen in Berührung. - Gesagt getan! Ich habe die ersten Glossen geschrieben und bemerkt, ja, dazu kann ich stehen, in dieser Rolle fühle ich mich sehr wohl. Wir produzierten die ersten Beiträge, und die kamen auch bei den Hörern gleich sehr gut an. Sie liefen immer am Montagvormittag. Zwei Jahre später habe ich dann diese Erfolgsfigur auch in meine Bühnenprogramme übernommen und nutze sie, ihre Popularität und ihre Sympathie noch heute.

Der Saarländische Rundfunk sendete dann wöchentlich meine „Jacques-Bistro-Glossen“ über einen Zeitraum von elf Jahren mit großem Erfolg. Zudem gab es auch „Jacques‘ Bistro“ eine Zeit lang im „aktuellen bericht“. Und selbst heute noch (mittlerweile seit 12 Jahren) stellt „Jacques“ die Zuschauerfrage beim Verbrauchermagazin „bonus“, das inzwischen in die Vorabendreihe „Wir im Saarland – Service“ aufgegangen ist.

Detlev Schönauer und Joachim Weyand. (Foto: R. Oettinger/SR)
Detlev Schönauer alias „Jacques Bistro" und Joachim Weyand alias "Scherer Erwin" beim Fotoshooting für „bonus“ im SR Fernsehen 2006.

Auch auf der Bühne gibt es den „Jacques“ immer noch, der von seinem Bistro, seinen Gästen und von Gott und der Welt berichtet: daher auch „Jacques‘ Bistro“. Bistro ist nicht der Zuname … den kennt bislang niemand. Und das jetzt seit 30 Jahren …

Dieser Jacques hat als Bistrowirt tatsächlich Zugang zu allerlei Themen: ganz egal, ob da ein einfacher Saarländer „am Büffet“ steht … bzw. nach ein paar Bier eher „hängt“ oder der Ministerpräsident seinen Frust an Jacques‘ Theke ertränkt … jeder kann da vorbeikommen und Themen und Ideen mitbringen.

Ich beobachte in meinen kabarettistischen Ausflügen vor allem meine Mitmenschen, egal wo die herkommen oder wer die sind: ob Saarländer, Franzosen, gerade „Pälzer“ (Pfälzer) sind Garanten für lustige Geschichten. Alle möchte ich gerne verstehen, kritisieren, imitieren, kommentieren, veräppeln und nicht zuletzt auch unterhalten. Mein Hauptthema ist die „Gesellschaftskritik“. Das kann Politisches sein, mit kulturellen Unterschieden spiele ich gerne, und gerade die Sprache der Menschen ist für mich ein Füllhorn herrlicher Wortspiele.

Und wenn „isch als ein Franzos‘ in die Sarrelande beobacht mein Mitmensch …“ dann kann ich dabei wunderbar über sie lästern, ohne gleich ein Nestbeschmutzer zu sein … Ich sehe ja auch die Menschen hier anders, als sie sich selbst, weil ich tatsächlich auch kein Saarländer bin (* 16. 10.1953 in Mainz). Mir fällt es eben eher auf, dass der gemeine Saarländer merkwürdig spricht, gern Krankenschein macht, früher „es Material nun Werkzeisch vun da Hitt unn da Grub metgeholl hat“… (Gut, heute natürlich viel weniger: „Ei, was willschde uff da Agentur für Aawet aach metholle?“). 

Detlev Schönauer bei der Eröffnung des umgebauten SR-Hörfunkgebäudes 2006. (Foto: R. Oettinger/SR)
Detlev Schönauer bei der Eröffnung des umgebauten SR-Hörfunkgebäudes 2006.

So fallen mir als „Fremdem“ viele saarländische Klischees deutlicher auf, als wenn ich die alle aus der Mutter-Brust gesogen hätte. Und tatsächlich: Die meisten dieser typischen Eigenarten treffen auch noch zu. Das Schöne dabei: Der Saarländer steht dazu! Denn überall wird mal auf der Arbeitsstelle Druckerpapier mitgenommen, Kugelschreiber oder auch mehr. Jeder Hamburger, Berliner, Münchner streitet solche Fehltritte gleich ab. Aber fragt man einen Saarländer, ob er so etwas schon gemacht hat: „Ei allemol! So sinn mir halt“, kommentiert der entwaffnend. Und das macht ihn einfach liebenswert.  

Und gerade in dieser Rolle als der hier bestens integrierte Jacques fühle ich mich besonders wohl. Denn sie liegt mir aus mehreren Gründen besonders: Erstens macht es vom Sprachlichen her einfach Spaß: Dieses Französeln klingt immer nett und charmant, selbst wenn die Inhalte manchmal auch böse sind. Und wenn der Jacques dann noch versucht, „Saarländisch zu sproochen“, kommt es immer wieder zu komischen Irritationen, z. B. das Konstrukt: „Oh la la, bin isch so übergerascht!“ Oder wenn er von seinem Sprachkurs in der „Provinzvolkshochschule Gresaudibach“ erzählt.

Detlev Schönauer als „Jacques Bistro"
Video [SR.de, (c) SR, 28.02.2020, Länge: 01:52 Min.]
Detlev Schönauer als „Jacques Bistro"

Übrigens habe ich viele dieser drolligen Ausdrücke von meiner Tochter gelernt: Meine Exfrau ist Französin und meine Tochter wurde zweisprachig erzogen. So ist es kein Wunder, dass ihre ersten französischen Sprachexperimente in meinen französelnden Sprachschatz eingeflossen sind. 

Daher bin ich durchaus auch etwas französisch geprägt, schon durch die „Bücklischt Verwandtschafte“, die in Fronkreische verteilt ist. Und ich liebe Frankreich, ich schätze die französische Lebensart und die Gelassenheit. Kein Wunder, dass es mir hier an der Saar so gut gefällt, wo doch die Kultur des Nachbarn einen sehr großen Einfluss hat und unser vielgerühmtes „Saarvoir vivre“ begründet.

Auch das Bistro-Leben kam mir da zu pass: Was gibt es Schöneres, als auf der Terrasse eines französischen Bistros einen Café Crème zu schlürfen und die Passanten zu beobachten. Genauso spannend ist es, „am Büffel“ einer saarländischen Kneipe einem tiefgründigen „Hasengespräch“ zu lauschen … Den Ausdruck kannte ich übrigens nicht, nahm irrtümlich erst mal an, es handele sich dabei um die Vorstandsitzung des Karnickelvereins „Rammelslust e. V.“ 

Detlev Schönauer bei der Saarbrücker Fastnachtsveranstaltung „Mir sin nit so“ 2007. (Foto: Becker & Bredel)
Detlev Schönauer bei der Saarbrücker Fastnachtsveranstaltung „Mir sin nit so“ 2007.

Häufig werde ich gefragt, wo ich denn nun wirklich herkomme, ob ich ein Franzose oder ein Saarländer sei. Und wenn ich dann sage: „weder – noch!“ ist die Reaktion stets „übergerascht!“ Ich bin Mainzer, habe aber nach über 40 Jahren im Saarland aufgegeben, Saarländern erklären zu wollen, dass Mainz zu Rheinhessen gehört und mit der Pfalz – außer der Zugehörigkeit zum selben Bundesland – nichts zu tun hat.

Manchmal träume ich sogar in Französisch, sodass die Frage, ob ich nun mehr Jacques oder mehr Detlev bin, ganz einfach zu beantworten ist: beides. Jacques hat sehr viel von mir … Aber im Gegensatz zum recht schüchternen und stilleren Detlev (nicht lachen, stimmt wirklich!) kann ich als Jacques auf der Bühne sagen, was ich möchte. Es ist durchaus sehr reizvoll, sich hinter einer fiktiven Figur verstecken zu können …

Mittlerweile höre ich auf beides: Oft werde ich auf der Straße als „Jacques“ angesprochen. Da reagiere ich tatsächlich genauso drauf, wie auf meinen richtigen Namen. Das merke ich besonders, wenn ich fürs SR Fernsehen als „Jacques“ wöchentlich die Zuschauerfrage stelle. Dann „tappe“ ich mit Weste und Baskenmütze (Gilet und Béret) als Jacques durch die Stadt. Viele erkennen mich und sprechen mich auch gleich an: „Ei Jacques, unn?“ 

Dabei fällt immer wieder auf, wie der Mensch in Mustern denkt: ohne Béret werde ich viel seltener erkannt. Nur am Gesicht erkennen mich viel weniger Menschen. Aber das gibt es natürlich auch. Nicht nur hier. So bin ich im Urlaub schon des Öfteren erkannt worden. Am entferntesten war das mal bei einem Diner am Times Square in New York. Ich war dort mit Frau und Kindern, wir waren im Gehen, da steht doch ein Mann vom Nebentisch auf: „Aber Herr Schönauer, bevor Sie gehen, machen wir noch ein Foto, sonst glaubt mir das niemand!“ – naja, er hat eher saarländisch geschwätzt.

Detlev Schönauer (Foto: Privat)
Detlev Schönauer. (Foto: Privat)

Apropos Gilet und Béret: Das ist ja meine Berufskleidung! Darum trage ich die auch nur als Jacques. Manchmal muss ich mich natürlich auch neu ausstaffieren. Meist gekauft, aber ich habe auch schon mal ein Béret als Geschenk bekommen. Bérets neigen im Laufe der Zeit dazu, kleiner zu werden, weil sie aus Wolle sind und innen ein Lederband haben. Das wird durch den Schweiß nach und nach enger. Ich schätze, dass mittlerweile – nach fast 40 Berufsjahren – von mir zwischen 15 und 20 Bérets verschlissen worden sind. Damit habe ich meine Zuschauer fast 40 Berufsjahre in Béret und Gilet mit französischem Charme und Niveau unterhalten. Nun – im Rentenalter – werde ich mich zwar von der Bühne weitgehend zurückziehen, dabei das Béret aber nicht ganz an den Nagel hängen und es vielleicht ab und zu noch für Kurzauftritte überstülpen …

Redaktion für den Arbeitskreis SR-Geschichte: Axel Buchholz (ab); Eva Röder (Gestaltung/Layout); Burkhard Döring (Illustrationen), Sven Müller (Videos), Kevin Buchholz, Manfred Spoo (Recherche).

Push-Nachrichten von SR.de
Benachrichtungen können jederzeit in den Browser Einstellungen deaktiviert werden.

Datenschutz Nein Ja