Das erste SR 1-Unplugged-Konzert mit Laith Al-Deen. (Foto: Dirk Guldner)

Entstand aus einer Idee: die Konzertreihe SR 1-Unplugged

 

In den Unplugged-Konzerten von SR 1 treten die meisten Pop-Musiker ohne die sonst übliche elektronische Verstärkung auf. Stark geworden ist die Konzertreihe dennoch. Oder besser: gerade deshalb! SR 1-Unplugged ist inzwischen ein Markenzeichen des ersten Hörfunkprogramms des Saarländischen Rundfunks.

Musikredakteur Jürgen Bohr hat SR 1-Unplugged mit aus der Taufe gehoben und seither redaktionell betreut  – ohne das vor fast 20 Jahren auch nur zu ahnen. Für die „Fundstücke“ erinnert er sich an die Geschichte dieser Popkonzertreihe.

Von Jürgen Bohr

Der deutsche Pop-Musiker Laith Al-Deen war Anfang des Jahres 2002 auf den Halberg, den Sitz des Saarländischen Rundfunks, gekommen, um sein erstes Album in einem Interview den SR 1-Hörerinnen und -Hörern vorzustellen. „Bilder von dir“ und „Dein Lied“ waren Songs aus diesem Album. Sie entwickelten sich bei den Hörern von SR 1 schnell zu Ohrwürmern und steigerten innerhalb eines Jahres den Bekanntheitsgrad von Laith in ganz Deutschland enorm.

Nach dem Interview bei SR 1 kamen wir in der Musikredaktion dann mit dem Künstler noch in ein privates Gespräch. Unter anderem erzählte er, dass er mit großer Leidenschaft auch live auftritt, und dass er besonders gerne auch in kleineren intimen Räumlichkeiten rein akustisch und ohne Strom spielt. Das brachte mich auf eine Idee. Schließlich hatten wir beim SR auch einen kleinen, aber feinen Raum für 150 Besucher, technisch perfekt ausgestattet. Also bestens für solch ein Konzert geeignet. Ein Wort ergab das andere, und so landeten wir schließlich zur Besichtigung im SR Studio/M2!

Laith war von dem Raum, der Technik und der Klangqualität so angetan, dass er spontan zusagte, dort ein Konzert für SR 1-Hörer unplugged zu spielen! Nur ein paar Monate später, am 4. Mai 2002, war es schon so weit!

Das Konzert wurde ein toller Erfolg. Sound und Qualität der Aufnahme waren derart gut, dass wir mit Zustimmung des Künstlers beschlossen, daraus ein Album zu produzieren. Dieses Album, in kleiner Auflage, ist bis heute sehr begehrt und wurde bei Ebay schon mal sehr hoch gehandelt.

Durch diesen schönen Erfolg angestachelt, haben wir dann für die Folgejahre beschlossen, solche Unplugged-Konzerte unseren Hörern etwas häufiger anzubieten. Und ich war unversehens der Redakteur dieser Veranstaltung geworden – auch wenn damals nicht abzusehen war, dass diese so lange erfolgreich sein würde. Da jede Reihe nun mal ihren eigenen Namen braucht, gaben wir ihr einen: SR 1-Unplugged. Ab 2006 boten wir allerdings auch Künstlern, die nicht oder nur noch in Teilen „unplugged“ spielen wollten, eine Plattform für ihre intimen Auftritte vor kleinem Publikum.

SR 1 Unplugged mit Jürgen Bohr (Foto: Dirk Guldner)
Jürgen Bohr über Studio Eins auf dem Saarbrücker Halberg.

Die Hörerinnen und Hörer von SR 1 haben dieses neue Angebot dankend und mit viel Freude angenommen, so dass wir ab 2007 mit einer gewissen Regelmäßigkeit, sechsmal jährlich, Gruppen oder Interpreten zu uns auf den Halberg oder in eine Location innerhalb des Saarlandes eingeladen haben.

So spielte etwa Laith im Hangar des Winterbergklinikums in Saarbrücken, Annett Louisan, Caro Emerald und Stefan Gwildis traten in Illingen in der Illipse auf und De-Phazz in Ensdorf.

Der Großteil der Künstler präsentierte sich aber auf dem Halberg. Zu Beginn im kleinen Studio M2 oder gegenüber im Großen Sendesaal. Etwas später wurde dann im Fernsehgebäude das ehemalige große Fernsehstudio, in dem z. B. der Regisseur Truck Branss seine großen Musikshows aufgezeichnet hatte, so umgebaut, dass es sowohl vom Fernsehen als auch vom Hörfunk genutzt werden konnte. Dort findet nun die Mehrzahl der SR 1-Unplugged-Konzerte statt.

SR 1 Unplugged mit Vonda Sheppard (Foto: Dirk Guldner)
Vonda Sheppard aus New York kommend und bekannt durch die Serie ‚Ally McBeal‘.
SR 1 Unplugged mit Steffi von Silbermond (Foto: Dirk Guldner)
Steffi von der Band Silbermond unglaublich erfolgreich in Deutschland und schwer zu bekommen.
SR 1 Unplugged mit Adel Tawil (Foto: Dirk Guldner)
Adel Tawil war mit 20 in einer Boyband beim "Halberg Open Air", dann als "Ich + Ich" mit Annette Humpe erfolgreich, und jetzt begeistert er Deutschland unter seinem Namen.
SR 1 Unplugged mit Max Giesinger (Foto: Dirk Guldner)
Max Giesinger gerade (2019) total angesagt.
SR 1 Unplugged mit Clueso (Foto: Dirk Guldner)
Clueso: lange ein Geheimfavorit, dann Sang er ein Duett mit Udo Lindenberg / Cello / und es ging steil nach oben.

SR 1 Unplugged mit Johannes Oerding (Foto: Dirk Guldner)
Ebenfalls angesagt: Johannes Oerding.

Neben bekannten deutschsprachigen Künstlern konnten wir in der Reihe auch viele internationale Künstler begrüßen. Jacqui Naylor und Robert Francis reisten von Kalifornien an, Vonda Shepard (auch bekannt aus der amerikanischen Serie „Ally McBeal“) und Adam Green mit seiner unverwechselbaren dunklen, sonoren Stimme kamen aus New York zu uns.

Aus Großbritannien konnten wir mit Wallis Bird, Marina & The Diamonds, Kate Nash, Tom Gregory und Newton Falkner tolle Künstler mit einem eigenen, unverwechselbaren Stil begrüßen.

Ebenfalls aus Great Britain und schon etwas länger im Pop-Business präsentierten Paul Carrack, ehemals Mitglied bei Mike & The Mechanics, Midge Ure (Frontsänger von Ultravox) und die Pop-Band OMD ihr Können. Auch Emiliana Torrini aus Island und Marit Larsen aus Norwegen verdienen es, erwähnt zu werden.

Mit Stolz können wir sagen, dass es nur wenige momentan erfolgreiche deutsche Künstler und Bands gibt, die nicht mindestens einmal vor unserem SR 1-Publikum auf dem Saarbrücker Halberg aufgetreten sind.

Misst man den Bekanntheits- und Beliebtheitsgrad eines Künstlers nur an der Anzahl der Hörer-Bewerbungen um die kostenlosen Eintrittskarten im Vorfeld eines Konzertes, so stellte sich Xavier Naidoo als absoluter Platzhirsch dieser Reihe heraus. Mit 13.000 Zuschriften steht er seit seinem Auftritt 2010 im Großen Sendesaal unangefochten auf Platz 1 dieses Rankings. Ihm folgen unter der 10.000er-Marke Silbermond, Revolverheld, Peter Maffay, Selig, Adel Tawil, Andreas Bourani, Max Giesinger, Clueso, Silly, Christina Stürmer, Johannes Oerding, Michael Patrick Kelly, Philipp Poisel und Nena.

Nena hatte vor ihrem SR-Konzert nach ihren eigenen Worten noch nie ein Radiokonzert gespielt und war somit zu Beginn auch etwas angespannt. Die Aufregung legte sich aber schnell, denn das Konzert entwickelte sich zu einem beeindruckenden Ereignis. Das Publikum, extrem textsicher, war sofort an ihrer Seite, begleitete sie gesanglich, applaudierte frenetisch, so dass Nena nach dem Konzert zu Recht von einem magischen Abend sprach.

Als wir 2008 mit der Werbung für das Konzert von Peter Maffay begannen, gab es für seine vielen Fans im Saarland kein Halten mehr. Wir wurden von Anfragen und Wünschen überrollt, jeder Anrufer oder Schreiber von E-Mails hatte gewichtige Gründe, warum gerade er die Karten gewinnen müsse. Das Konzert fand in M2 statt, das bedeutete, dass wir aber nur maximal 100 mal zwei Gewinner glücklich machen konnten. Bei dieser enormen Nachfrage nach Karten mussten wir befürchten, dass viele Maffay-Fans auch ohne Karten zum Halberg kommen würden. Ungern wollten wir sie so einfach schroff abweisen. Und so entschlossen wir uns, mit Zustimmung des Künstlers eine Video-Übertragung ins Foyer vorzusehen.

SR 1 Unplugged mit Peter Maffey (Foto: Dirk Guldner)
SR 1-Unplugged mit Peter Maffey.
SR 1 Unplugged mit Bosshoss (Foto: Dirk Guldner)
BossHoss, eine Spaßband, die mit Cover Musik begann und heute eine unverwechselbare Marke ist.

Am Abend des Konzertes waren die „hardcore“ Fans bereits zwei Stunden vor Einlass auf dem Halberg, um sich die besten Plätze zu sichern. Als unsere Security pünktlich um 19 Uhr die Tür zum Konzertsaal öffnete, stürmten zwei etwas korpulentere Fans gleichzeitig los und blieben zwischen den Türrahmen stecken, und die Security hatte alle Hände voll zu tun, diese Blockade zu lösen und den Druck aus den hinteren Reihen in geordnete Bahnen zu lenken. Tatsächlich standen auch etwa 50 Fans ohne Karten vor der Studiotür. Die Begeisterung, ihr Idol nur auf der Leinwand verfolgen zu können, hielt sich anfangs in Grenzen, aber spätestens nach dem Konzert, als sie vor ihrem Peter standen und sich ihr persönliches Autogramm abholten, waren alle versöhnt.

SR 1 Unplugged mit Ray Garvey (Foto: Dirk Guldner)
Rea Garvey, ein Ire, der mittlerweile schon länger in Berlin lebt und auch die Massen anzieht.

Aber auch andere bekannte und exzellente Musiker wie Max Mutzke, die Wingenfelder-Brüder, Rea Garvey, The BossHoss, Johannes Strate mit einem Soloprojekt, Anna Loos, Bosse oder Michael Schulte begeisterten das SR 1-Publikum gekonnt mit ihren Entertainerqualitäten. Viele verzauberten geradezu ihre Zuhörer mit virtuoser Gesangskunst, gepaart mit witzigen Monologen und Geschichten aus ihrem Leben.

LEA zum Beispiel marschierte 2018 zum Ende ihres Auftritts mit ihren Musikern durch den Saal, blieb hier und da stehen und sang gemeinsam mit Hörerinnen und Hörern den Refrain ihres bekanntesten Songs. Das Publikum tobte.

Als stimmgewaltiger Chor waren die SR 1-Hörer auch bei Bosse gefordert. Bei dem Song „Schönste Zeit“ konnten sie ihr Talent unter Beweis stellen. Aki gab die Töne vor, sang die Einleitung und überlies nach kurzer Probe den Refrain seinem Publikum. Das klang unglaublich gut, und Gänsehautfeeling war angesagt.

Völlig anders die Anmutung beim Konzert mit dem Grafen. Als er zu SR 1 kam, lag ihm Deutschland zu Füßen: 1,5 Millionen Tonträger von seinem ersten Soloalbum ver- und alle seine Konzerte ausverkauft. Sein Unplugged auf dem Saarbrücker Halberg dauerte nur 50 Minuten, aber diese hatten es in sich. Gedimmtes Licht, ein Steinway Flügel auf der Bühne, auf dem Bühnenboden viele weiße, brennende Kerzen und der Graf mittendrin am Mikrofon. Seine dunkle, unverwechselbare Stimme, nur von dem Flügel begleitet, durchdrang den Raum, andächtig lauschten die Hörerinnen und Hörer dem Gesang und den emotionalen Texten. Zwischen den Songs brandete Applaus auf, dann wurde es wieder still: auch dieser Abend wieder ein ganz besonderes Erlebnis für alle Beteiligten.

Alle Unplugged-Konzerte bestechen durch ihren familiären Charakter. Künstler und Publikum kommen einander näher, als das bei Massen-Events möglich sein kann. Die Veranstaltungen haben etwas Exklusives, weil die Karten nicht zu kaufen sind. Hinzu kommt, dass viele Künstler dabei mehr experimentieren, mehr von dem zeigen, was sie auf „großer Bühne“ nicht wagen würden.

SR 1-Unplugged ist über die zurückliegenden Jahre zu einer unverwechselbaren Marke im Saarland geworden. Auch Künstlerinnen und Künstler, die noch am Beginn ihrer Karriere stehen und noch keine großen Hits aufzuweisen haben, werden von einem fachkundigen SR 1-Publikum gewürdigt und bejubelt. Jedes Konzert ist auf seine Art etwas Besonderes, ein kleines Kunstwerk. Da Musik bekanntlich Geschmackssache ist, wechseln auch Zusammensetzung und Altersstruktur des Publikums. Für jeden SR 1-Hörer ist so irgendwann mal ein spezieller musikalischer Leckerbissen dabei. Den gibt’s dann sogar geschenkt – vorausgesetzt man gewinnt eine Karte. Und dann meist auch mit Gelegenheit, ein Autogramm, ein Album mit Signatur oder ein Selfie mit seinem Lieblingskünstler zu ergattern.

Die Spitzenposition unter allen Künstlern nimmt Laith Al-Deen ein – derjenige, mit dem alles begann: In 17 Jahren brachte er es auf vier Auftritte bei SR 1-Unplugged. Zur Freude der SR 1-Hörerinnen und Hörer – und nicht zuletzt auch seiner eigenen.

Redaktion für den Arbeitskreis SR-Geschichte: Axel Buchholz (ab); Eva Röder (Gestaltung/Layout); Burkhard Döring (Illustrationen); Sven Müller (Videos).

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