Fundstücke Oktober (Foto: AC Weiland)

Das Glück einer unbekannten Freiheit – A. C. Weiland zum frühen Programm von Radio Saarbrücken

 

In einem notdürftig hergerichteten ehemaligen evangelischen Gemeindehaus begann das Nachkriegsradio im Saarland. Am 17. März 1946 wurde aus der Saarbrücker „Wartburg“ die Eröffnungssendung von Radio Saarbrücken (RS) übertragen. Zwei Jahre später begann Albert C. Weiland dort im Juli 1948 als Radio-Sprecher und wurde schnell sehr erfolgreich. A. C. Weiland (24. 4. 1924 – 7. 7. 2015) steuerte für Bücher zur SR-Geschichte in zwei hier zusammengefassten Texten¹ Erinnerungen an die Anfangsjahre bei.

Von Albert C. Weiland

Was ich bei meinem Eintritt als Programm vorfand, unterschied sich von den Programmen des ehemaligen Reichsrundfunks nur insofern, als es keine Führerappelle, keine Durchhalteparolen und keine Sondermeldungen mehr gab.

Der Krieg war von uns abgefallen, er hatte Hörer und Radiomacher entlassen, und man genoss das Glück einer bis dahin nicht gekannten Freiheit – frei von Blockleitern mit Stiefeln bis zu den Ohren, frei von dem Zwang, bei jeder Begegnung mit einem Menschen, der Macht besaß, die rechte Hand gen Himmel strecken zu müssen, frei von Angst.

Macht hatten vordem viele besessen, denen der Führer mit der SA- oder SS-Uniform das Bewusstsein von Größe verliehen hatte. Es gab sie nicht mehr, oder sie trugen jetzt neue Gesichter, menschliche, freundliche, allzu freundliche. Sie unterschieden sich darin nicht von jenen, die in den verschiedensten Bereichen von Radio Saarbrücken, sei es als Techniker, Redakteur, Sprecher oder Chauffeur offiziell einer berufstypischen Berufstätigkeit nachgingen, inoffiziell aber zwecks Förderung ihrer Karriere sich als Spitzel dem Aufsichtsrat andienten, der gegenüber jeder Initiative im Programm- und Produktionsbereich größtes Misstrauen hegte.

(Redaktionelle Anmerkung: Der Verwaltungsrat, das Kontroll- und Leitungsgremium von Radio Saarbrücken, war ab 1946 mit neun Franzosen besetzt. Ab 31. Dezember 1947 hatten zwar die Franzosen und die saarländische Landesregierung darin je sechs Mitglieder. Die Franzosen behielten aber das Recht zur letztendlichen Entscheidung. Mit dem saarländischen Rundfunkgesetz von 1952 und der Gründung der staatseigenen „Saarländischen Rundfunk GmbH“ hatten die Saarländer mit sieben zu vier Sitzen die Mehrheit im Aufsichtsrat – wenn auch nicht das alleinige Sagen.)

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Die „Wartburg“ – das Funkhaus von Radio Saarbrücken (Foto: SR)

Für das Hörerverhalten charakteristisch scheint mir in der ersten Nachkriegszeit, dass häufig in Gemeinschaften gehört wurde, was nicht etwa daran gelegen haben kann, dass nicht jeder ein eigenes Radio besaß. Das Radiohören im Kreise von Freunden war vor allem bei den sogenannten „Bunten Nachmittagen“, bei Volkslieder- und Tanzmusiksendungen beliebt. Der Hörer hatte sich in den Jahren vor dem Kriegsende mit dem Einschalten des Radios unbewusst in die mithörende Masse der Volksgenossen eingeordnet und sich damit seiner Individualität begeben, was am deutlichsten beim Gemeinschaftsempfang von Führer-Reden in großen Industriehallen und auf öffentlichen Plätzen zum Ausdruck kam, eine Bequemlichkeit, die, wie man weiß, schreckliche Folgen haben kann.

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Vor dem Volksempfänger war in der Nazi-Zeit oft die ganze Familie versammelt (Foto: Deutsches Rundfunkarchiv)

Intimität und Individualität des Radios waren noch nicht erkannt. So entsprach auch die Präsentation des Programms und seiner Inhalte dem Verlautbarungsstil des Reichsrundfunks. Die Sprechhaltung der Ansager und Conférenciers war nicht intim und persönlich, sondern stets „öffentlich“, so als ob der Sprecher sich seinem Publikum räumlich gegenüber befände. Und damit er auch in der letzten Ecke dieses imaginären Raumes gut verstanden würde, sprach er unangemessen laut, was dem Hörer das Gefühl der Teilnahme an einem großen Ereignis vermittelte.

Affinitäten zu dem Sprechgehabe späterer Radio-Diskjockeys, speziell der Rock- und Popspezialisten, sind unverkennbar, wenngleich nicht anzunehmen ist, dass dies auf spezielle medienpsychologische Erkenntnisse zurückgeht. Eher scheint es mir eine Mentalitätsfrage des „Arena-Typus“ zu sein.
(Diese Ansprechhaltung hat A. C. Weiland 1950 offenbar schon anders gesehen. Am 27. Januar schrieb er in einem Zeitungsartikel, wohl für die Saarbrücker Zeitung, bereits Folgendes: „Unabhängig und frei spricht man nicht mehr zur Masse, sondern zu Individuen, die sich mit dem Gehörten, jeder einzeln, auseinandersetzen.“) 

Die „leitenden“ Herren von Radio Saarbrücken waren sich ihrer Macht bewusst. Und sie wurden darin tagtäglich durch widerspruchslose Hinnahme ihrer oft willkürlichen oder dilettantischen Anweisungen aufs Neue bestärkt. Ein „buntes“ Grüppchen unterschiedlichster professioneller und geistiger Provenienz. Unerfahren in der Führung von Mitarbeitern, unerfahren im Umgang mit dem Medium, was freilich auch auf mich zutrifft. Verwaltungsdirektor war Edwin Müller, einst Flötist im Tanzorchester Jacques Best, später bis zur Schließung des Hauses Dirigent im Saarbrücker Varieté EDEN.

Hierin unterschied sich der Sender aber nicht von anderen deutschsprachigen Sendern der späteren Bundesrepublik. Für alle hatte mit dem Kriegsende ein neues Medienzeitalter begonnen.

Unterschiede mag es allenfalls in der Seriosität der Bemühungen um die Entwicklung eines demokratischen Rundfunks und die Verhinderung seiner missbräuchlichen Nutzung gegeben haben. Ein Prozess, der andauert.

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Erster Chef von RS: „Officier-Chef“ Emanuel Charrin, später „Contrôleur Général“ (Foto: SR)

Die leitenden Herren wurden aus den verschiedensten, zum Teil wenig rühmlichen Gründen (Plagiat, Unfähigkeit, Denunziation u. ä.) entlassen – oder auch nur, weil sie sich als politisch nicht verträglich erwiesen hatten.
Typisch für diese Situation war die Bildung von informellen Gruppen, je nach Kalkül, Gunst, Chance, wie sie immer dort festzustellen ist, wo klare organisatorische, qualitative zielorientierte Vorgaben fehlen.
Es waren Jahre des „learning by doing“ für alle. Nur, dass eben keiner da war, der den z. T. hoch bezahlten Lehrlingen hätte sagen können, was gut oder schlecht, richtig oder falsch war. Das änderte sich erst mit dem Auftreten von Frédéric Billmann, ein deutsch sprechender Elsässer aus Saverne.

(Billmann wurde am 28. 10. 1948 Generaldirektor von Radio Saarbrücken. Nach dem neuen Rundfunkgesetz von 1952 war er Erster Geschäftsführer. Daneben gab es einen zweiten deutschen. Beide trugen den Titel Generaldirektor. Billmann blieb bis zum 1. August 1955 im Amt, also bis knapp drei Monate vor der Volksabstimmung über ein „Europäisches Statut für das Saarland“ am 23. Oktober 1955.)

Die Erwartungen der Hörer orientierten sich emotional und unreflektiert an den Normvorstellungen der Zeit vor dem Kriegsende. Was „über den Äther“ ins Haus kam, das war – immer noch – von besonderer Bedeutung – die Stimme des Herrn. Radio Saarbrücken war im besten Sinne des Wortes ein „Heimatsender“. Wie vor dem Kriegsende war das Radio der Altar, vor dem man sich versammelte, um die Segnungen einer erhebenden oder heimeligen Ablenkung von der Realität zu empfangen.

Eine spezielle Philosophie gab es nicht bei Radio Saarbrücken (siehe dazu rechts Weilands Anmerkungen in der RS-Publikation zum fünfjährigen Bestehen des Senders - zum Vergrößern bitte auf das Bild klicken). Wir hatten ein Mittelwellenprogramm für die Hörer im Saarland zu gestalten, das alle bis dahin üblichen Programmgenres enthielt. Darin gab es neben thematischen Zielgruppen-Sendungen (wie z. B. den Land- oder Frauenfunk, Kabarett oder Mundart-Lustspiel) auch Sendungen, die ihre Zielgruppen aus der Tagessituation heraus fanden, Sendungen für Frühaufsteher oder Nachteulen.

Interessanterweise wurden aber alle Sendungen von allen gehört, lediglich mit unterschiedlichem Interesse, so wie der Leser einer Tageszeitung neben der aufmerksamen Lektüre jener Artikel, die sein Hauptinteresse finden, auch Landwirtschafts- oder Sportthemen „überfliegt“.

 (Foto: SR)

Vielleicht ist es für das Verständnis des allgemeinen Programmbetriebs in diesen Jahren hilfreich, zu wissen, dass die mit flexiblen Kunststoffbändern arbeitende Tonaufzeichnung (Magnetophon) noch relativ neu und kostspielig war. Der Reichsrundfunk hatte seine Sendungen auf Wachsplatten und später auf Metallbändern aufgezeichnet. Nun gab es also das sehr viel leichter „zu bearbeitende“ Tonband aus Plastik. Trotzdem genoss die Direktsendung (man sprach noch nicht von „live“) auch bei Radio Saarbrücken den Vorzug. Ein Blick auf das Mischpult des Sendestudios und den Ü-Wagen mag die nach heutigen Maßstäben primitiv zu nennenden Möglichkeiten der technischen Ausstattung veranschaulichen.

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Eine der ersten Magnetophonband-Maschinen bei Radio Saarbrücken (Foto: SR)

Ich erinnere mich an Heinz Bader, der Schillers Maria Stuart im kleinen Studio 1 inszenierte. Er brachte einen Pflasterstein, einen Kartoffelsack, einen Apfel und ein Küchenmesser mit ins Studio, um damit eine eindrucksvolle Enthauptung darzustellen.
Der Assistent musste nah am Mikrophon das Messer in den Apfel schlagen, und ein zweiter Assistent ließ daraufhin den Pflasterstein über den Kartoffelsack rollen. Die Enthauptung Marias war perfekt.

So wurden Hörspiele „hingezaubert“². In Ermangelung einer Hallplatte musste ich in „Mord im Dom“ den Bischof von Canterbury auf der Herrentoilette mit offener Tür zum Treppenhaus sprechen, damit eine glaubhafte Dom-Akustik entstand. Der Geschäftsverkehr hatte so lange zu ruhen. Es herrschten „unbeschreibliche“ Verhältnisse. Der technische Komfort von heute war im Sinne des Wortes „unvorstellbar“. Tatsächlich hat er ja eher zu Substanzverlust als etwa zur Steigerung künstlerischer Ausdrucksfähigkeit geführt. Freilich muss man wissen, dass der technische Status und die dramaturgischen Mittel damals eben noch nicht weiter gediehen waren.

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Aus heutiger Sicht „vorsintflutlich“, damals voller Stolz vorgezeigt: eine Ton-Regie im Funkhaus „Wartburg“ (Foto: SR)

August Antoni war als „Hauspianist“ zur Untätigkeit verdammt, denn es gab keine Überleitungen von Sendung zu Sendung mehr zu spielen, wie früher beim Reichsrundfunk üblich. Es war übrigens ein in jeder Weise verbindliches Element und viel kulinarischer als die heute üblichen Station-Jingles, bei denen man immer gleich an Waschmittelreklame u. ä. denkt.
Schallplatten galten zu der Zeit lediglich Ersatz für mangelnde Möglichkeiten zu Live-Konzerten, zu „aufgespielter" Musik also – im Gegensatz zur „abgespielten” von heute.

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Noch Handbetrieb: der Nachrichten-Gong. (Foto: SR)

Weniger als 100 Mitarbeiter arbeiteten in einer Radio-Idylle, die – ländlich sittsam – den Tag mit live gespielter Zither-, volkstümlicher Harmonika- oder Kaffeehausmusik begann. Mit Frühgymnastik, Land- und Frauenfunk über den Vormittag und dem Mittagskonzert ging es weiter. Danach führte das Programm mit sogenannten Bunten Nachmittagen, Tanzmusik, Chor- und Volksmusik zum Abend hin, wo es Hörspiele gab (meist Bearbeitungen aus dem Klassikerrepertoire des Theaters), Konzerte des völlig unterbesetzten Radio-Sinfonieorchesters, Literatursendungen u. s. f. Dazwischen wurden Nachrichten mit Zeitansage gesendet. Den Gong davor schlug der Sprecher von Hand an.

Um den Stellenwert des Hörspiels deutlich zu machen, lassen Sie mich eine Episode aus meinem Privatleben einfügen. Ich erinnere mich an ein Gespräch mit einer alten Bäuerin in Werschweiler, wo ich ein Forellengewässer an der Oster gepachtet hatte. Die Frau sagte, als sie hörte, dass ich aus Saarbrücken kam: „Ich war auch schon einmal in meinem Leben in Saarbrücken“. Werschweiler liegt ca. 45 km von Saarbrücken entfernt.
Das Hörspiel war, vielleicht auch seines klassischen Repertoires wegen, Theaterersatz für die Leute auf dem flachen Lande, Pantoffeltheater für die Ohren. Ich habe mich damals in öffentlichen Vorträgen bemüht, für das Hörspiel im Sinne eines Theaterersatzes zu werben.

Auch einen Französisch-Sprachkurs gab es, bei dem ich, meiner Sprachkenntnisse wegen, teilnehmen durfte. Es war dies die einzige Sendung, in der französisch gesprochen wurde. Ich erinnere mich, dass ich Anfang der 50er zum Evangelischen Kirchentag delegiert wurde und dort einem eindrucksvoll arroganten Menschen begegnete, der sich als Intendant eines großen deutschen Senders zu erkennen gab. Er fragte mich gönnerhaft herablassend, ob es im Programm von Radio Saarbrücken auch eine deutschsprachige Sendung gäbe.

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Beim Französischkurs wirkte auch A. C. Weiland mit.

Er wusste also nicht, dass es bei Radio Saarbrücken außer dieser wöchentlichen 15-minütigen Sprachsendung kein französisches Wort gab. Ein Hauptverantwortlicher des deutschen Rundfunks hatte demnach keine Ahnung von der Situation im Saarland.

(Andererseits bestanden auf Redaktionsebene enge Kontakte zwischen Radio Saarbrücken und bundesdeutschen Sendern. Die oberste Zuständigkeit dafür hatte ab 1953 gemäß Geschäftsverteilungsplan der französische Generaldirektor Frédéric Billmann.

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Förderte Weiland: der französische Generaldirektor Frédéric Billmann (Foto: SR)

Auch Weiland selbst hatte solche Kontakte geknüpft. Er wollte mit zwei bundesdeutschen Sendern eine Hörspiel-Gemeinschaftsredaktion gründen. Die Leiter der Hörspielabteilungen vom NWDR in Hamburg (heute NDR) und vom SDR Stuttgart (heute SWR) waren dazu offenbar bereit. Generaldirektor Billmann war damit, so Weiland, einverstanden.
Dazu kam es allerdings nicht wegen der vorzeitigen Kündigung von Weilands Sondervertrag als „Produktionsleiter“ und damit Verantwortlichem für Hörspiel und Unterhaltung.

Es ist interessant, sich mit dieser Kündigung näher zu befassen:
Sie erfolgte im Jahr der Saarabstimmung über ein Europäisches Statut für das Saarland, das in den Pariser Verträgen zwischen Frankreich und Deutschland 1954 ausgehandelt worden war. Bereits vor der Abstimmung am 23. Oktober verzichteten die Franzosen auf ihre Gesellschafteranteile an Radio Saarbrücken³.

Weiland zufolge wurde seine Kündigung mit Schreiben vom 27. 6. 1955 von Radio Saarbrücken nie begründet. Er selbst gibt dafür folgende Erklärung: „Meine fristlose Entlassung a. d. Sondervertrag durch Herrn Prof. Goergen ging auf … Informationen zurück, wovon ich aber erst sehr viel später Kenntnis erhielt. Danach hatte ich die Interessen saarländischer Künstler dadurch missachtet, dass ich für exponierte Hörspielrollen hochrangige Schauspieler von prominenten deutschen Theatern engagierte.“ Diese Informationen gingen, so Weiland, von Radiosprechern an eine saarländische Aufsichtsrätin des Senders.

Für seine Besetzungspolitik führt Weiland Qualitätsgründe an. Rückendeckung dafür hatte er durch den französischen Generaldirektor, der ihn von Anfang an gefördert und unterstützt hatte: „Bei der Besetzung des Hörspielensembles ließ mir Billmann freie Hand …“

Dagegen hätten die „saarländischen Mitarbeiter“ aus Gründen des „Selbstschutzes“ kein Interesse an Konkurrenz aus der Bundesrepublik gehabt. Auch das weibliche CVP-Mitglied des Aufsichtsrates habe einmal bei ihm versucht, gegen ein Engagement von Gustl Halenke „seinen Einfluss … geltend zu machen.“ Weil er sie für besser hielt, hatte Weiland die Rolle dennoch mit dieser renommierten bundesdeutschen Schauspielerin besetzt – statt, wie von der Aufsichtsrätin empfohlen, mit einer saarländischen.

 (Foto: SR)
Wollte Radio Saarbrücken „saarlandisieren“: der deutsche Generaldirektors Prof. Hermann Mathias Goergen (Foto: SR)

Weiland hatte sich aber nicht nur die Aufsichtsrätin und Teile der Belegschaft zu Gegnern gemacht, er widersetzte sich mit dieser Haltung aus Prinzip auch dem Kurs einer „Saarlandisierung“ des Senders, der von der saarländischen CVP-Landesregierung und dem von ihr gestellten deutschen Generaldirektor Prof. Hermann Mathias Goergen verfolgt wurde. Und Goergens Durchsetzungsfähigkeit im Sender dürfte im zeitlichen Umfeld der Kündigung Weilands größer geworden sein, da Frankreich dabei war, sich aus Radio Saarbrücken zurückzuziehen.

Schriftlich mitgeteilt wurde dieser Verzicht Frankreichs auf den direkten Einfluss auf Radio Saarbrücken zwar erst am 2. 7. 1955, also eine Woche nach Weilands Kündigung. Abgestimmt zwischen beiden Regierungen wurde er aber sicher schon vorher – wie es politischen Gepflogenheiten zwischen befreundeten Regierungen entspricht. Anzunehmen ist also, dass auch die Machtverschiebung im Sender hin zur deutschen Seite innerhalb der keineswegs spannungsfreien französisch-deutschen Doppelspitze schon vor Weilands Kündigung eingesetzt hatte. Das würde erklären, warum der französische Generaldirektor Billmann seine schützende Hand nicht mehr über Weiland halten konnte.

Am 26. 7. bat der französische Generaldirektor Billmann dann um Entbindung von seinem Amt zum 1. August 1955. Der saarländische Generaldirektor Prof. Hermann Mathias Goergen, gegen dessen Linie Weiland Widerstand geleistet hatte, war damit dann alleiniger Chef im Hause.

 (Foto: SR)
Saarabstimmung am 23. Oktober 1955: schon vorher zogen sich die Franzosen aus Radio Saarbrücken zurück (Foto: E. Oettinger)

Bei der Saarabstimmung am 23. Oktober lehnten die Saarländer das Europäische Statut für ihr Land mit großer Mehrheit ab. Die Pläne Frankreichs und der CVP-Regierung Hoffmanns waren gescheitert. Der saarländische Generaldirektor Prof. Goergen hatte damit seinen politischen Rückhalt verloren. Am 2. 11. 1955 wurde er abgelöst.
Weiland, der sich gegen seine Kündigung gewehrt hatte, konnte bleiben – trotz des Widerstands des Betriebsrates. Ab Januar 1956 wurde er unter dem neuen kommissarischen Geschäftsführer von Radio Saarbrücken, Prof. Eugen Meyer, wieder Abteilungsleiter – wie schon 1951. Jetzt aber zuständig nur für die Unterhaltung Wort.

Nach 1957 zeigte sich beim öffentlich-rechtlichen Saarländischen Rundfunk noch einmal, wie sehr sich Weiland Teile der Belegschaft zu Feinden gemacht hatte. Auch dann nach 1956 habe man versucht, schreibt er, ihn „als Franzosenfreund zu diffamieren und alle noch zur Verfügung stehenden Bänder meiner Sendungen durchforstet, um dafür Belege zu finden, freilich ohne Erfolg.“ Den ersten SR-Intendanten Dr. Franz Mai scheint dieser Widerstand gegen Weiland auch nicht beeindruckt zu haben. In seiner Amtszeit krönte A. C. Weiland dann seine Karriere als Hauptabteilungsleiter Unterhaltung für Hörfunk und Fernsehen mit bundesweit erfolgreichen Unterhaltungssendungen.)

Anmerkungen:

1 Die beiden Texte Weilands stammen vom 25. 6. 1996 und vom 4. 7. 2006. Sie wurden gekürzt und stellenweise sprachlich etwas bearbeitet. Die kursiven redaktionellen Ergänzungen (ab) erfolgten zur besseren Verständlichkeit des Gesamtzusammenhangs.

2 Weilands Arbeit als für das Hörspiel von Radio Saarbrücken Verantwortlicher – von1949 (zuerst kommissarisch) bis 51 und wieder 1953 bis 55 – ist ausführlich von Anette Kührmeyer dargestellt worden: „Hörspiel bei Radio Saarbrücken von 1946 bis 1955“, in: Medienlandschaft Saar, Band 1, hgg. von Clemens Zimmermann, Rainer Hudemann, Michael Kuderna.

3 vgl. dazu und auch zu Weilands Kündigung: Heribert Schwan, Der Rundfunk als Instrument der Politik im Saarland 1945 – 1955, S. 169 u. S. 126.

 

(Redaktion für den Arbeitskreis SR-Geschichte und redaktionelle Anmerkungen: Axel Buchholz (ab); Mitarbeit: Klaus Altmeyer, Jürgen-Cornelius Mahrenholz, Eva Röder (Gestaltung/Layout), Roland Schmitt (Fotos/Recherche) und Alexander Weiland, Reproduktionen: SR)

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