Fundstücke Mai, Hüsch (Foto: SR)

Hanns Dieter Hüschs Gesellschaftsabend – ein Markenzeichen des SR

 

Ob im Hörfunk oder im Fernsehen, ob beim Hörspiel oder im Kirchenfunk – Hanns Dieter Hüsch war in den verschiedensten Redaktionen des Saarländischen Rundfunks ein geschätzter Mitarbeiter. So gut wie zuhause aber war er in der SR-Kabarettredaktion. Und dort besonders als Gastgeber seines „Gesellschaftsabends.“ In fast 30 Jahren moderierte er 161 Folgen. Kabarettredakteur Karl-Heinz Schmieding schrieb die Erfolgsgeschichte dieser Sendung auf. 

Von Karl-Heinz Schmieding

Die sehr populäre Meier-Glosse von und mit Hanns Dieter Hüsch wurde nach viereinhalb Jahren im Rahmen einer Programmreform der Europawelle Ende September 1973 eingestellt. Warum eigentlich, konnte später niemand mehr sagen. Zu diesem Zeitpunkt standen meine Kollegen und ich aber bereits kurz vor dem Start eines neuen Projekts. Es sollte eine weitere kontinuierliche Zusammenarbeit mit Hüsch garantieren. Zu meiner großen Freude hatte Hüsch sofort zugestimmt, als ich ihm von meiner Idee einer Art „Hanns Dieter Hüsch-Show“ erzählte und ihn fragte, ob er sich vorstellen könne, die Rolle des Moderators und Gastgebers zu übernehmen. Der natürlich ironisch gemeinte Titel „Gesellschaftsabend“, auf den wir uns, in Verbindung mit dem Namen des Gastgebers, verständigten, lag damals gewissermaßen in der Luft. Die „gesellschaftliche Relevanz“ der Kunst – ein Schlagwort, das aus der Studentenbewegung kam – war ein beliebtes Diskussionsthema. Auch die Kleinkunst hatte den Anspruch, „gesellschaftlich relevant“ zu sein.

Hanns Dieter Hüsch (um 1973) an der Philicorda-Orgel – gezeichnet vom Karikaturisten J. v. Tomei

In seiner Biographie „Du kommst auch drin vor“ schrieb H. D. Hüsch 1990 über seine Gesellschaftsabende beim SR:

„Der Gesellschaftsabend ist eine Erfindung von Karl-Heinz Schmieding, und ich bin der Gastgeber, Moderator und Präsentator, ich stelle die Kollegen Kabarettisten, Liedermacher und Instrumentalisten vor und umrahme den Abend mit eigenen Texten, und bis jetzt waren die Gesellschaftsabende immer ausverkauft und sind in der deutschsprachigen Hörfunklandschaft in ihrer Kontinuität auch einmalig und in Saarbrücken schon fast ein gesellschaftliches Ereignis.“

Premiere hatte „Hanns Dieter Hüschs Gesellschaftsabend“ am 20. Oktober 1973 im großen Sendesaal. Man kann sich die Aufnahme in voller Länge anhören. Der SR hat die gesamte Sendung in der SR 2-Mediathek eingestellt (Länge: 105'37“).

Aus der SR 2-Mediathek

Dem Trend der Zeit entsprechend dominierten die Liedermacher zahlenmäßig im Programm: Joana Emetz, Walter Hedemann und Lothar von Versen. Einziger Vertreter des kabarettistisch-satirischen Worts neben Hüsch war der bis dato weitgehend unbekannte Heino Jaeger, der sich überraschend als Star des Abends entpuppte (siehe dazu das „Fundstück“ über Heino Jaeger).

Musikalisch umrahmt wurde der Abend vom Kai Rautenberg-Jazztrio. Ein Türglocken-ähnliches Klingelzeichen kündigte den Auftritt der Gäste an. Aus dem Fundus der SR-Tochterfirma „Telefilm“ hatten wir uns für die Talk-Runden mit den Künstlern auf der Bühne eine Art Sitzecke zusammenstellen lassen – mit Wiener Caféhaus-Stühlen und entsprechenden Tischchen. Die Sitzecke wurde jedoch schon bald wieder abgeschafft, weil nicht alle Gäste, wie eigentlich geplant, während des gesamten Programms auf der Bühne sitzen bleiben wollten. Das Motiv der Wiener Caféhaus-Stühle, entworfen vom damaligen SR-Grafiker Karl Lothar Hildebrand, blieb aber als Logo fürs Plakat erhalten und wurde zum Erkennungszeichen für den „Gesellschaftsabend“ des SR.  

 (Foto: SR)

 (Foto: SR)
Die Plakate für den SR-Gesellschaftsabend mit Hanns Dieter Hüsch gab es in zwei Versionen, beide entworfen von Karl Lothar Hildebrand. (Fotos: SR)

Hüsch selbst saß während des Auftritts seiner Gäste immer auf der Bühne. Von seinem Platz an der Seite verfolgte er aufmerksam das Programm seiner Kolleginnen und Kollegen und spendete vor allem den Newcomern aufmunternden Applaus.

Von den zahlreichen prominenten Künstlern, die Hüsch im Laufe der Jahrzehnte im „Gesellschaftsabend“ und vor allem bei den Jubiläumsveranstaltungen begrüßt hat, waren nicht wenige sozusagen „Stammgäste“ wie z. B. Dieter Hildebrandt, Mathias Richling, Konstantin Wecker, Franz Hohler und Helmut Ruge. Einige von ihnen wie etwa Richling und Wecker waren bereits Mitte der 70er Jahre zum ersten Mal bei Hüsch aufgetreten, als sie noch keine Stars in der Szene waren – und haben damit den „Gesellschaftsabend“ fast genauso lange begleitet wie Hüsch selbst. In einer Hüsch-Laudatio im „Hagenbuch“-Stil schreibt Wecker „ … er denke voll Dankbarkeit / an den ersten Gesellschaftsabend im SR, als ihn Hüsch in die Gesellschaft der Kleinkünstler und Gaukler einführte / der Wortverdreher und Musikakrobaten / und ihm sozusagen den Ritterschlag gab / mit den Großen der Zunft auftreten zu dürfen …“

Egal ob Kleinkunst-Prominenz oder Newcomer – zu Hanns Dieter Hüsch kamen alle immer gern, weil sie ihn als uneigennützigen Freund und Kollegen schätzten und weil sie ihm als künstlerischer Autorität Respekt und hohe Anerkennung zollten. Vielleicht war das ja das Geheimnis des Erfolgs dieser Sendung.

Ganz sicher aber wäre der Erfolg nicht möglich gewesen ohne das kabarettbegeisterte Produktionsteam des SR, zu dem im Laufe der vielen Jahre wechselnd eine ganze Reihe von Kolleginnen und Kollegen gehörten: die Toningenieure Helmut David, Erich Heigold, Werner Klein, Winfried Götzinger und Ralf Schnellbach sowie die für die Aufnahmeleitung verantwortlichen Kollegen Gerd Arend, Bernhard Stigulinszky, Manfred Spoo und Steffen Kolodziej. Sie seien stellvertretend für alle anderen genannt, die ebenfalls wesentlich zum Erfolg der Reihe beigetragen haben.

28 Jahre lang, bis zu seinem offiziellen Abschied vom SR im Jahre 2001, hat Hüsch den „Gesellschaftsabend“ moderiert. Seit der 100. Folge im Jahre 1991 war das Fernsehen dabei – zunächst 1Plus live bei der Jubiläumsveranstaltung. Schon bald danach brachte auch das SR Fernsehen Südwest als Pendant zur HF-Ausgabe eine Halbstundensendung unter dem Titel „Der kleine Gesellschaftsabend“. Dank der Initiative von Michael Beckert wurde die Sendezeit wenig später aber auf 60 Minuten verlängert. Zudem bekam die Sendung ein neues größeres Studio und einen neuen Titel: „Hüsch & Co“. Redaktionell wurde die TV-Fassung des „Gesellschaftsabends“ von Andrea Schmid/Etspüler und mir gemeinsam betreut. Für die Regie zeichnete Hannelore Willié verantwortlich.

Denkwürdig waren die von Hörfunk (SR 2) und Fernsehen (1Plus bzw. 3sat) gemeinsam übertragenen Jubiläumsveranstaltungen, vor allem anlässlich runder Hüsch-Geburtstage, zu denen der „Gesellschaftsabend“ jeweils in die Saarbrücker Kongresshalle umzog.
Neben dem bereits erwähnten 100. „Gesellschaftsabend“ feierten wir dort den 70. (1995) und den 75. Geburtstag (2000) von Hanns Dieter Hüsch. Jeweils 1200 Kabarettfans waren ein begeistertes Publikum im Saal. Und auf der Bühne viele prominente Gäste aus der Kabarettszene als Gratulanten.

Hüschs 60. Geburtstag hatten wir 1985 noch im Sendesaal als reine Hörfunkveranstaltung ohne TV-Übertragung gefeiert. Der „Aktuelle Bericht“ war aber dabei, als Intendant Hubert Rohde dem Jubilar das erste Exemplar einer vom SR produzierten „Gesellschaftsabend“-LP überreichte und Dieter Hildebrandt seinem Kollegen Hüsch eine ironische Geburtstags-„Laudatio“ hielt.

Bei diesem „Gesellschaftsabend“ hatten wir erst um 21.00 Uhr begonnen und in Hüschs 60. Geburtstag hineingefeiert. Als um 0.00 Uhr die „Gratulationscour“ mit Intendant Hubert Rohde an der Spitze begann, bekamen alle 400 Gäste im Sendesaal aus der Hand von 20 studentischen Aushilfskellnern ein kleines Probierglas Wein, damit sie auf Hüschs Wohl anstoßen konnten. Das Gläschen war eine Spezialanfertigung, versehen mit SR- und „Gesellschaftsabend“-Logo und Hüsch-Geburtstagsdatum.

 (Foto: SR)
Ein Geschenk fürs Publikum: das Hüsch-Geburtstagsglas (Foto: SR)

 (Foto: SR)
Lutz Hahn, ab 2001 verantwortlicher Redakteur für den „Gesellschaftsabend“ (Foto: R. Oettinger)

Die Idee zu einem solchen „Geburtstagsglas“ hatte Rolf Dieter Ganz von der Pressestelle. Er war es auch, der dafür sorgte, dass die Gläschen binnen kürzester Zeit hergestellt und geliefert werden konnten. Unter den Saarbrücker Hüsch-Fans war das Glas schon bald ein begehrtes Sammlerstück.

Parallel zum Haupt-„Gesellschaftsabend“ gab es ebenfalls mit Hanns Dieter Hüsch seit Februar 1983 einen regionalen Ableger in Zusammenarbeit mit der Saarbrücker Zeitung und deren erfolgreicher Kleinkunstveranstaltungsreihe „Saarbrettl“, die SZ-Redakteur Wolfgang Weber redaktionell betreute. An das gemeinsame SR-SZ-Projekt „Hanns Dieter Hüschs Gesellschaftsabend EXTRA – Saarbrettl“ erinnert der damals verantwortliche SR-Redakteur, mein Kollege Lutz Hahn. Er war von 2001 an auch mein Nachfolger als Redakteur des Haupt-„Gesellschaftsabends“ mit Matthias Beltz als Hüsch-Nachfolger. Nach dessen plötzlichem Tod übernahm Lisa Fitz 2003 die Moderation. Da sich der SR schon bald wieder von ihr trennte wegen ihrer Mitwirkung in der RTL-Dschungel-Soap, wurde Richard Rogler 2004 der neue Moderator des „Gesellschaftsabends“. In dieser Zeit gab es auch einen Wechsel in der Redaktion: auf Lutz Hahn folgte Steffen Kolodziej, der zwischenzeitlich auch als Moderator einsprang. Und im Jahre 2008 übernahm Emmanuel Peterfalvi alias ALFONS die Moderation des „Gesellschaftsabends“ im Hörfunk und der SR Fernseh-Sendung „ALFONS und Gäste“.

Lutz Hahn über „Hanns Dieter Hüschs Gesellschaftsabend  EXTRA - Saarbrettl“, die Gemeinschaftsproduktion von SR und Saarbrücker Zeitung

Anlässlich des 25-jährigen „Gesellschaftsabend“-Jubiläums, das wegen einer schweren Erkrankung Hüschs um ein halbes Jahr hatte verschoben werden müssen, wurde der Jubilar am 10. April 1999 vom damaligen Ministerpräsidenten Reinhard Klimmt mit dem Saarländischen Verdienstorden ausgezeichnet.

Der Klimmtschen Laudatio folgte am Abend desselben Tages im „Gesellschaftsabend“ die kabarettistische „Laudatio“ von Detlev Schönauer mit „Acht goldenen Regeln“ für den „Ehrensaarländer“ Hanns Dieter Hüsch. Von „Hauptsach gudd gess, geschafft hann mir schnell“ (Regel 1) über „Du muschd eener kenne, wo eener kennt“ (Regel 3) bis „Schwätze muss mer mit de Leit“ (Regel 8) machte Schönauer seinen Kollegen mit den Geheimnissen saarländischen Lebens vertraut und empfahl Hüsch am Schluss seines saarländischen „Sprachkurses“, zur Bekräftigung und Verstärkung seiner verbalen Äußerungen einfach immer eine „Wutz“ an selbige anzuhängen. Und er schloss unter dem Beifall des Publikums im Sendesaal mit einer entsprechenden Liebeserklärung: „Hanns Dieter, mir hann Disch saugeer.“

Ministerpräsident Reinhard Klimmt verlieh Hanns Dieter Hüsch – auf dem Foto mit seiner Frau Christiane – 1999 den Saarländischen Verdienstorden. (Foto: SR)

Mit dem 161. „Gesellschaftsabend“, einem Duo-Programm gemeinsam mit seinem Freund und Kollegen Konstantin Wecker, nahm Hanns Dieter Hüsch am 9. Juni 2001 Abschied von seinem Publikum im Großen Sendesaal des Saarländischen Rundfunks.

Ein Wiedersehen mit dem legendären „Gesellschaftsabend“-Moderator bei gelegentlichen Gastauftritten, wie von uns erhofft, sollte es leider nicht mehr geben. Hüschs Gesundheitszustand verschlechterte sich in Folge eines Schlaganfalls im Herbst 2001 erheblich. Nach langer schwerer Krankheit starb Hanns Dieter Hüsch im Alter von 80 Jahren am 6. Dezember 2005.

SR-Fundstücke
Karl-Heinz Schmieding: Leidenschaft fürs Kabarett im Radio
Hanns Dieter Hüsch, Heino Jaeger, Mathias Richling, Konstantin Wecker: Bekannte Namen aus der Kabarett- und Liedermacherszene sind eng mit dem „Gesellschaftsabend“ und dessen Erfinder, SR-Kabarett-Redakteur und HF-Unterhaltungschef Karl-Heinz Schmieding, verbunden. Schmieding hat sie alle gefördert und mit einigen Radiokabarett-Geschichte geschrieben.

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