Für die Saarbrückerin Edith Braun (7. August 1921 – 14. Oktober 2016) waren die saarländischen Mundarten beides in einem: Berufung und Beruf. Und das in doppelter Hinsicht: als Autorin und als Wissenschaftlerin. Über eineinhalb Jahrzehnte hat sie ihre Leidenschaft eng mit dem Saarländischen Rundfunk verbunden. Ihre zahlreichen Beiträge ließen sie bei den Mundart-Freunden schnell sehr bekannt und beliebt werden.
Lutz Hahn, als Redakteur in der Unterhaltung Wort auch für die Mundart-Sendungen zuständig, erinnert sich voller Dankbarkeit an seine langjährige Mitarbeiterin, die in diesem Jahr ihren 100. Geburtstag hätte feiern können.
Von Lutz Hahn
Es war ein kurzer Anruf in der Redaktion, mit dem meine Zusammenarbeit mit Edith Braun begann. Der Schweizer Phonetik-Professor Max Mangold von der Universität des Saarlandes fragte 1983 an, ob der SR ihm noch alte Mundartmanuskripte zur Verfügung stellen könnte. Er und seine Mitarbeiterin Edith Braun, der er auch persönlich verbunden sei, wollten sie für ihre Arbeit am „Saarbrücker Wörterbuch“ auswerten. Frau Braun würde deshalb gern mal persönlich vorbeikommen. Ich konnte nicht ahnen, dass aus diesem ersten indirekten Kontakt eine 16-jährige Zusammenarbeit mit ihr im Mundartprogramm von SR 3 Saarlandwelle entstehen sollte.
Edith Braun bekam selbstverständlich die gewünschten Manuskripte, wir unterhielten uns über ihre Arbeit, und ich nutzte die unerwartete Gelegenheit – der SR gewann eine neue Mitarbeiterin.
Die Saarlandwelle suchte just zu diesem Zeitpunkt einen Autor für eine unterhaltsame Reihe über die Saarbrücker Mundart. Denn der Wunsch nach einer intensiveren und fachlich besseren Beschäftigung mit den saarländischen Mundarten wurde damals als wesentlicher Bestandteil der Rückbesinnung aufs Regionale gesehen. Und die gehörte zur Definition des Programms der 1980 aus der Taufe gehobenen Saarlandwelle. Ich fragte also Edith Braun, und es zeigte sich sehr schnell, dass sie nicht nur die entsprechende fachliche Kompetenz mitbrachte, sondern auch über die Gabe verfügte, humorvoll und anschaulich zu schreiben.
Der Moderator Peter Maronde (Nachfolger des verstorbenen Klaus Groth) in den „Bunten Funkminuten“ und Anne Karin im „Frohen Wochenende“ haben dann seit 1984 die vergnüglichen „Saarbrücker Mundartlektionen“ wöchentlich in ihren Sendungen vorgetragen. Der erklärende Grundtext war in Hochdeutsch verfasst und wurde durch eine Fülle dazugehöriger Mundartbeispiele ergänzt. Die „Lektionen“ erschienen 1986 auch als Buch.
Ein kleiner Ausschnitt aus dem Kapitel „Vum Schaffe verregge die Päär“ soll zeigen, wie die Texte angelegt waren: „Eine große Rolle spielt bei uns Saarländern das Wörtchen schaffe. Die wortwörtliche Übersetzung wäre: schaffen; aber in der deutschen Sprache versteht man unter „schaffen“ nicht ganz dasselbe. Im Deutschen ist die erste Bedeutung von „schaffen“ das schöpferische Tun. Bei uns hingegen ist mit schaffe das Arbeiten ganz allgemein gemeint. Es bedeutet darüber hinaus auch noch „tun“. So finden wir im Saarbrücker Wörterbuch unter anderem: Schaffs Glään ins Bedd! In der Bedeutung von: bring das Kind zu Bett! Und: Was schaffsche dann soo? (Was tust du denn so?)
Und: Vum Schaffe kumme (Von der Arbeit heimkommen).
Und Sie kennen auch sicher unsern Leib- und Magenspruch: „Wann mer erschd emò gess hann, geschaffd hann mier schnell!“
Oder unsere Lobeshymne auf die Arbeit: „Wanns Dsuugugge schunn sò scheen iss, wie scheen muss dò erschd es Schaffe sinn!“
Und weil bei uns es Schaffe so schön ist, gilt immer noch der Spruch: „Bei uns hadd sisch noch kääner doodgeschaffd.“ Das „vergnügliches Lern- und Lesebuch“ (Untertitel) wurde ein schöner Erfolg.
Zwei Jahre zuvor (1984) war das „Saarbrücker Wörterbuch“ von Braun/Mangold erschienen – das erste große Wörterbuch der Saarbrücker Mundart seit Friedrich Schöns „Wörterbuch der Mundart des Saarbrücker Landes“, das 1921 herausgekommen war und 1971 noch einmal nachgedruckt wurde. Das „Saarbrücker Wörterbuch“ enthält rund 30.000 Stichwörter und das Angebot einer geregelten lautgerechten Mundartschreibweise – etwas völlig Neues im Saarland. Im Vorwort des Buches heißt es: „Die für die Mundart gewählte Schreibung entspricht der Mundartaussprache. Sie ist nach hier gegebenen Regeln leicht in Lautschrift umzusetzen.
Es handelt sich also nicht um eine mehr oder weniger ungeregelte, stark an das schriftsprachliche Schriftbild angepasste Schreibung, die Mundartsprecher sowie Nichtmundartsprecher beim Lesen zwar leicht verstehen, die aber Nichtmundartsprecher, z. T. aber auch Mundartsprecher, nicht in echte Mundartaussprache umzusetzen vermögen.“
Edith Braun hat diese neue Mundart-Schreibweise in all ihren Büchern und Manuskripten verwendet. Und wenn sie als Expertin zu Rate gezogen wurde, hat sie sich immer bemüht, eine geregelte möglichst lautgerechte Schreibweise auch bei Buch- und Sammlungsprojekten anderer saarländischer Mundarten durchzusetzen. Bei der Mehrzahl der saarländischen Autoren stieß sie allerdings auf Ablehnung, weil man da mehr an der mühelosen Lesbarkeit der Texte interessiert war.
Einen kleinen Aufstand gab es bei der Mundartsprechergarde des SR (Bernd Stenger, Günther Stutz, Gerdi Weißenbach, Ingeborg Fries und Marianne Weber-Riedel), als man Edith Brauns Texte im Hörspielstudio umsetzen sollte. Das ungewohnte Schriftbild erschwerte den Fluss der Dialoge.
Anne Karin und Peter Maronde hatten mit den „Saarbrücker Lektionen“ weniger Schwierigkeiten, aber sie sollten ja in Mundart auch nur Wörter, Beispielsätze, Wortspielereien und kleine Gedichte lesen, keine Dialoge. Ein kleines Gedicht, das Eigenheiten der lautgerechten Schreibweise zeigt, sei hier abschließend zitiert. Ich nenne es gern „Edith Brauns einziges erotisches Gedicht“:
Friehlingserwache
Mei Schildgreedsche hadd sei Winderschlòòf rum,
Mein Schildkrötchen hat seinen Winterschlaf rum,
Es iss aus seinem Torfkäschdsche rausgeschlubbd kumm.
Es ist aus seinem Torfkästchen rausgeschlüpft gekommen.
Draus heerd mer die Väschelscher peife.
Draußen hört man die Vögelchen pfeifen.
Die Schneegläggscher leide mimm Käbbsche.
Die Schneeglöckchen läuten mit dem Köpfchen.
Wanns der reschd iss, Bäbbsche,
Wenn's dir recht ist, Bärbelchen,
Dann kumm isch unn graawe dei Gäärdsche um.
Dann komme ich und grabe dein Gärtchen um.
Edith Braun hat viel in ihrer Saarbrücker Mundart und teilweise auch in anderen saarländischen Mundarten geschrieben, aber sehr viel auch in Schriftdeutsch (z. B. journalistische Arbeiten). Sie hat die Mundart zugleich immer mit wissenschaftlichem Anspruch neu betrachtet. Über ein Phonetik-Thema hat sie 1988 Im Alter von 66 Jahren promoviert: über Homonyme in der Saarbrücker Mundart. Dabei geht es um gleichlautende Wörter mit unterschiedlicher Bedeutung, wovon es in der Saarbrücker Mundart erstaunlich viele gibt.
Auch nach den „Mundartlektionen“ war Edith Braun mit kleinen Hörspielszenen, Geschichten und Plaudereien weiterhin im Programm von SR 3 präsent geblieben. Sie schrieb u. a. eine Mundartfassung der Komödie „Der Bär“ des russischen Schriftstellers Anton Tschechow, die von Brigitte Dryander als Hörspiel (mit den Sprechern Mathias Kniesbeck und Alice Hoffmann) sehr schön umgesetzt wurde. Auch ein großes Hörspiel des bekannten schwäbischen Autors Robert Nägele übertrug sie. Überhaupt spielen Übertragungen – in den meisten Fällen besser gesagt: Nachdichtungen – in ihrem Gesamtwerk eine große Rolle. Sie hat frühzeitig „Max und Moritz“ und den „Struwwelpeter“ (De Saarbrigger Schdruwwelpeeder. In Saarbrigger Bladd verdsählt vun Braune Eedidd) nachgedichtet, hat Gedichte u. a. von Goethe, Storm, Opitz, Claudius, Heine und George in ihrer Saarbrücker Mundart nachgedichtet, auch Texte französischer, englischer, russischer und georgischer Autoren.
Dabei kam ihr zugute, dass sie ihr Studium am Dolmetscherinstitut der Universität Saarbrücken 1976 mit einem Übersetzerdiplom für Englisch und Russisch abgeschlossen hatte. Edith Braun hat zudem einige der großen Bildergeschichten von Wilhelm Busch (Knopp-Trilogie, Plisch und Plum, Hans Huckebein) nachgedichtet oder auch Saint-Exupéry's „Der kleine Prinz“. Das alles liegt in Buchform vor und ist natürlich im SR-Programm ausführlich vorgestellt worden.
Wie viele andere Mundartautoren hat auch sie die Weihnachtsgeschichte (nach dem Lukas-Evangelium) in die Saarbrücker Mundart übersetzt. Für ein großes Amateurtheater-Projekt unter der Leitung des Autors und Kulturmanagers Dr. Dieter Staerk hat sie große Teile von Hofmannsthals „Jedermann“ nachgedichtet. Es gab zwei feierliche Aufführungen in den Kirchen von Sulzbach und Landsweiler-Reden. Diese Nachdichtung gelang ihr großartig und „eingängiger“ als das Original, wie ich finde. Ein Beispiel:
Jedermann
De muschd mer änns doch dsuugeschdehn:
Die Weld wäär ohne Geld nidd scheem.
E elend brimmediev Gefugger
Um jeed Pund Sals unn jeed Pund Dsugger.
Die Äärd iss doch erschd kuldewierd,
Seids Geld erfunn iss unn kursierd.
Unn auserdemm bringds Geld fer jeede
Gans ungeahnde Meeschlischkääde.
Mer gebbd hoffierd, iss reisch unn mäschdisch,
Kann lääwe wie e Firschd soo bräschdisch.
Mer mischd sisch aa mid vill Geschigg
E bissje in die Bolledigg,
Duud insgeheim die Räädscher schmiere
Unn im Verborschne midreggiere.
Es Geld das iss e Bassbarduu,
Schliesd alles uff, kä Dier bleibd dsuu.
Manche Nachdichtungen in Mundart wurden ausschnittsweise auch im Programm des SR gesendet.
Der Höhepunkt meiner langjährigen Zusammenarbeit mit Edith Braun war zweifellos das Projekt „Mundart-Werkstatt“, das nach einer Idee von ihr 1990 ins Leben gerufen wurde. Ich war mir anfangs keineswegs sicher, ob das Konzept bei den Hörerinnen und Hörern Anklang finden würde, aber die „Werkstatt“ war fast acht Jahre lang eine Erfolgsgeschichte. Sie wurde zum regelmäßigen Bestandteil anfangs der Sendung „Mundartabend“ (SR 3 Saarlandwelle, montags mit Günther Schmitt) und später der Sendung „Frohes Wochenende“ (SR 3 Saarlandwelle, samstags mit Manfred Spoo). Spoo hatte schon länger zuvor die mit Jan Hofer nach Hamburg verzogene Anne Karin in der Moderation abgelöst. Seine elegante und geschickte Gesprächsführung trug wesentlich zum Gelingen bei.
Das Konzept der Sendung passte auf der Saarlandwelle bestens in ein Unterhaltungsprogramm mit ohnehin sehr viel Mundart: Die Mundartfreunde unter den Radiohörerinnen und -hörern wurden gebeten, ihre Kenntnis der regionalen Mundarten direkt einzubringen – live per Telefon, dann auch schriftlich und schließlich gezielt bei öffentlichen Veranstaltungen. Von diesen sogenannten „Mundart-Treffs“ gab es im Laufe der Jahre über 40 im ganzen Saarland. In der Sendung selbst standen für den Live-Austausch zwischen dem Moderator und Edith Braun auf der einen Seite und den Anrufern auf der anderen Seite in der Regel nur etwa 15 Minuten zur Verfügung. Da die Resonanz aber viel stärker war, hat sich Edith Braun nach der Sendung immer noch in ein Aufnahmestudio gesetzt und eine halbe Stunde lang die vielen Anrufe entgegengenommen. Danach hat sie nach Gehör (sie war auch studierte Phonetikerin) alle auf Tonband mitgeschnittenen Anrufe verschriftet – als Materialsammlung für eine spätere Buchpublikation.
Die interessantesten Beiträge aus der jeweils letzten Telefonrunde wurden dann zusammengeschnitten und in der nächsten Sendung eingespielt und erläutert. Für Edith Braun hatte das ganze Projekt mit allen Begleitveranstaltungen den Vorteil, dabei immer selbst als Person in Erscheinung treten zu können. Sie war die „Werkstatt“, wie der Schriftsteller Peter Eckert einmal zutreffend bemerkte. Das Vertrauen, das sich Edith Braun hier als engagierte und kenntnisreiche Mundartexpertin erwarb, führte sie in der Folge zu immer weiteren Aufgaben und Projekten.
Drei großen Sammlungen hat sich die Arbeit der Mundartwerkstatt mit Hilfe der SR 3-Hörerinnen und -Hörer im Laufe der Jahre gewidmet. Erstes Thema waren „Die Necknamen der Saar und drum herum“. Die Beteiligung an diesem Projekt war so fruchtbar, dass die Sammlung bereits 1991 als schön gestaltetes Buch im Hempel Verlag erscheinen konnte.
In einem Vorwort habe ich als Redakteur der Sendung den ungewöhnlichen Weg zu dieser Necknamen-Sammlung hervorgehoben. Der Sprachwissenschaftler Prof. Rudolf Post, der damals am großen Wörterbuch der pfälzischen Mundarten arbeitete, schrieb an Frau Braun: „Mein Eindruck ist, dass dieses Buch eine gelungene Kombination aus interessanter und anschaulicher Lektüre und detaillierter Information darstellt. Es ist möglich, sich einerseits zu bestimmten Namen und Orten zu informieren, andererseits aber auch mit Vergnügen Ihre lebensvollen und unterhaltsamen Namenartikel mit Ihren gut geschriebenen Einführungen, Kommentaren und Überleitungen zu lesen. Ich denke, dass dieses Buch den Menschen an der Saar und „drum herum“ vieles aus ihrer eigenen Tradition wiedereröffnet ...“
Ein Beispiel von Seite 86:
FRANKENHOLZ – FRANGGEHOLS
Franggeholser Dachkaarer (Frankenholzer Dachkater)
auch: Franggeholser Narre (Frankenholzer Narren)
Eine 80-Jährige erinnert sich, dass sie als Kind nach Höchen (mundartlich „Heesche“) in die Kirche gehen musste – eine halbe Stunde hin, eine halbe Stunde zurück: „Awwer dò hadds niggs gebb – in die Kirsch! In die Kirsch!
Im Mai hammer sunndaas als misse dreimòò ningehn – mòòrjeds, dann middaas in die Aandachd, unn òòmeds waar Roosegrans. Dò hammer als gesaad: Mier misse immer bei die Heescher Saunäwwel dòò gehn. Wammer nuur mò selwer e Kirsch härre!“
Dazu passt auf Seite 1007:
HÖCHEN – HEESCHE
Heescher Saunäwwel (Höcher Saunäbel)
Eine Hörerin berichtet: „Dò sinn frieher vill Wuddse (Sauen) geschlachd wòòr unn die Saunäwwel uffgehängd wòòr.“
Um eine Vorstellung davon zu geben, wie dieses Buch und auch die folgenden Bände „Hasenbrot und Gänsewein“ (1995 zusammen mit Anna Peetz) sowie „Lebendige Mundart – Gudd gesaad, Sprüche und Redensarten“ Band I (1996), Band II (2000, zusammen mit dem Autor dieses Textes) entstanden sind und welch enormer Arbeitsaufwand hinter diesen wertvollen Hinterlassenschaften der „Mundart-Werkstatt“ steckt, hier ein Zitat aus Edith Brauns Einleitung zu „Hasenbrot und Gänsewein“:
„Das vorliegende Buch ist das zweite Projekt der Mundart-Werkstatt des Saarländischen Rundfunks. Es ist auf die gleiche Weise entstanden wie das Necknamenbuch: Wir haben im Saarland und drum herum gefragt, was den Leuten zu dem Thema „Essen und Trinken und Sprüche dazu“ einfällt, und haben die Antworten ausgewertet, die uns in Form von mündlichen oder schriftlichen Beiträgen zugingen.
Wir haben gewissenhaft alles aufgezeichnet, haben die zahlreiche Hörerpost nach Informationen durchforstet, haben etwa 100 Kassetten abgehört und verschriftet und waren bestrebt, nichts verloren gehen zu lassen von all den Wörtern, Redewendungen und Sprüchen – alle möglichst in der jeweiligen Mundart …
Wir haben bewusst nicht aus schriftlichen Quellen geschöpft, denn wir wollen lebendige Mundart sammeln, wir wollen sie von den Informanten gesprochen hören, um sie möglichst lautgetreu aufzeichnen zu können. Vor allem aber wollen wir die Menschen zum Mit-Sammeln anregen, ihnen die sprachlichen Schätze ihrer Mundart ins Bewusstsein rufen und ihre Freude an der Sprache wecken …“
Und dafür konnte Edith Braun viele Mitstreiter gewinnen, die sie vor allem über die Werkstattarbeit kennengelernt hatte. Es sind Wörterbücher zu verschiedenen saarländischen Mundarten entstanden. Dabei hat Edith Braun entweder mit einzelnen orts- und sprachkundigen Autorinnen und Autoren oder mit ganzen Arbeitsgruppen zusammengearbeitet.
Bei den Koautoren sind hier folgende Wörterbücher zu nennen: von Hostenbach mit Ewald Britz, von Werschweiler mit Adelinde Wolff, von St. Ingbert mit Max Mangold und Eugen Motsch, von Saarlouis mit Karin Peter. Ganze Arbeitsgruppen waren es beim Quierschieder Wörterbuch oder in Lebach bei den beiden Bänden zur Lebacher Mundart. Zur Arbeitsgruppe unter dem Dach der Volkshochschule Lebach zählte übrigens auch Klaus Altmeyer (27. 4.1926 – 18. 8.2020), der frühere Leiter der SR-Pressestelle. Alle diese Bücher enthalten zusätzlich zu umfangreichen Wortverzeichnissen auch Geschichten, Gedichte, persönliche Erinnerungen und Brauchtumsbeschreibungen – alles in den jeweiligen Mundarten.
Eine lange Freundschaft und ein ständiger Austausch verband Edith Braun mit Karin Peter, die alten Saarlouiser Stadtdialekt pflegt, und der Saargemünderin Marianne Haas-Heckel (*16. 12. 1946), die über Jahrzehnte an vielen Fronten jenseits der Grenze für das „Francique“, ihre lothringische Mundart, gestritten hat. Noch kurz vor ihrem Tod freute sich Edith Braun, weil Marianne Haas endlich ihr großes „Sarregeminner Wörterbuch“ veröffentlicht hatte.
Mit Karin Peter hat Edith Braun das Saarlouiser Mundartbuch verfasst, ein gründlich erarbeitetes Werk mit konsequenter lautgerechter Schreibweise. Unter anderem wurden dafür 12 Mundart-Treffs in Saarlouis organisiert sowie zahlreiche Hausbesuche gemacht, bei denen Geschichten, Wörter und alte Fotos gesammelt wurden. Später entstand noch ein weiteres gemeinsames Werk über „Schimpfwörter und Kosewörter in saarländischen Mundarten“.
Auch mit ihrer Tochter Evelyn hat Edith Braun bei einer überarbeiteten Neuauflage der „Necknamen“ und bei „Keine Fismatenten – Französische Wörter in saarländischen Mundarten“ zusammengearbeitet. Evelyn Treib (8. 3. 1949 – 11. 11. 2016) war zum einen eine begabte Autorin, die auch Mundartliches für den SR geschrieben hat wie z. B. ein Mundarthörspiel und eine große Arbeit über den Mundartforscher, Mundartsammler und auch Mundartdichter Friedrich Schön. Zum anderen war sie auch Edith Brauns beste Korrekturleserin.
Zum 90. Geburtstag hat Evelyn ihrer Mutter ein Gedicht gewidmet, in dem sie ihr humorvoll indirekt bescheinigt, dass sie sich in allem nicht so verhalten würde, wie man das in dem hohen Alter sonst vielleicht erwarten könnte:
Scheen ald
Es Eedid gridd als ofd se heere,
mer gängd wääm Alder ääs verehre:
Wie ääs jò noch so munder wäär,
so dischdisch unn gedanggeschwäär,
so juuchendlisch, so uffgeschloss –
kää Looblied gebbd dòò ausgeloss.
Ei jòò, denggds Eedid, s iss jò wòhr,
nuur kann doch isch niggs dòòdefòòr.
Unn jung meeschd isch schunn gaar nidd sinn,
wo käämde mer dann dòò noch hin?
Geh ford, scheen ald bin isch, dsem Gligg
noch glaar im Kobb, aa sunsch känn Tigg.
Dann fangds mò aan se simmeliere,
wie Leid mid neindsisch funggdsjeniere.
…
Nää, saad sischs Eedid dòò verschrogg,
uff soo Gnäbb hann isch gaar känn Bogg.
Genn isch aach ald unn immer äller,
isch peif uff de Senjooredeller!
Eerschd wann isch nimmeh schaffe maan,
fang isch mimm Oomalääwe aan.
Im Dezember 1999 wurde Edith Braun im Zuge einer Programmreform, der auch die Sendung „Das Frohe Wochenende“ zum Opfer fiel, in Ehren als freie Mitarbeiterin des SR verabschiedet. Da war sie 79 Jahre alt und hatte noch einen großen Teil ihres „dritten Lebens“ (wie sie das gern nannte) vor sich. 2001 gründete sie zusammen mit Peter Eckert den Mundartring Saar und gestaltete dann auch lange Zeit die Zeitschrift des Vereins. Ihr zuliebe trat ich dem Mundartring bei und ließ mich dann auch bewegen, an der „Mundartpost“ mitzuwirken – fast ausschließlich wieder als „Vorworter“.
Selbstverständlich fanden Edith Brauns Publikationen in den Medien weiter ihren Niederschlag. In der Saarbrücker Zeitung hat sie von 1996 bis 2016 die wöchentliche Kolumne „Unsere Mundart“ verantwortet. Leider fand sich dafür kein Nachfolger mehr. Edith Braun wurde als bekannte und anerkannte Mundartexpertin häufig zu Lesungen eingeladen. Auf Anregung von Georg Fox und der Bosener Gruppe wurde ihr im Festsaal des Saarbrücker Rathauses das Bundesverdienstkreuz für ihre Bemühungen um die Regionalsprachen des Landes verliehen. Schon früher war sie mit dem „Preis der Emichsburg“ geehrt worden, ein Preis, der im pfälzischen Bockenheim jährlich für Verdienste um die rheinfränkische Mundart vergeben wird.
Aus der langen vertrauensvollen Zusammenarbeit mit Edith Braun war für mich eine freundschaftliche, ja herzliche Beziehung zu der „Mundartpäpstin“ (wie sie spöttisch-respektvoll in der Saarbrücker Zeitung genannt wurde) erwachsen. Wir blieben eigentlich immer im Gespräch, wobei es keineswegs nur um Mundartfragen ging. Irgendwann durfte ich sie beim Vornamen nennen, ich bezeichnete mich gern als ihren „Vorworter“, weil ich dieser Ehre mehrfach teilhaftig wurde, auch bei ihrem letzten Buch „In Alters Frische“. Edith Braun widmete mir auch einen schmalen Band mit ihren selbsterdachten Limericks, nachdem ich bei einem Waldspaziergang einmal mein Vergnügen an dieser poetischen Ulk-Form demonstriert hatte. Edith Braun war mir eine langjährige gute Freundin, von der ich viel über die Mundart gelernt habe.
2016 ließen Edith Brauns Kräfte doch sichtbar nach. Bei einem Waldspaziergang musste sie immer wieder nach ein paar Metern Halt machen. Mit vielen Freunden und Verwandten feierte sie noch im August ihren 95. Geburtstag, am 14. Oktober 2016 ist sie gestorben. Zu meinem Leidwesen konnte ich an der Trauerfeier, die Susanne Wachs dankenswerterweise auf dem Halberg organisiert hat, wegen einer Knie-OP nicht teilnehmen.
Das galt dann leider auch noch für eine Gedenkveranstaltung in der Staatskanzlei, zu der Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer eingeladen hatte. Immerhin konnte ich aber das Programm vorbereiten.
Ich schließe mich gern der Würdigung von Peter Eckert zum Tod von Edith Braun an: „Mit ihr hat die Mundartwelt im Saarland ihr zweifellos profiliertestes, in der gesamten Großregion geachtetes Gesicht verloren.“ Und der SR eine Stimme, die der Mundart einprägsam und nachdrücklich zu Gehör verhalf – vielen Hörerinnen und Hörern zu großer Freude.
Redaktion für den Arbeitskreis SR-Geschichte: Axel Buchholz; Eva Röder (Gestaltung/Layout); Burkhard Döring/Magdalena Hell (Illustrationen und Recherche); Sven Müller (Fernseh-Archiv SR: Videos/Standbilder)