Truck Branss und Francoise Hardy (Foto: Hartmut Müller)

Machte Stars und war selbst einer

Der SR-Fernsehregisseur Truck Branss

  25.10.2021 | 13:00 Uhr

Von Hildegard Knef und Gilbert Bécaud bis hin zu Udo Jürgens und Heintje holte er unzählige große Stars zum kleinen Saarländischen Rundfunk auf den Halberg und machte Saarbrücken so zu einer Stadt der Fernsehstars. Seine zahlreichen Musikshows haben Kultstatus. Truck Branss gilt als Erfinder des Videoclips in Deutschland. Der Regisseur setzte auch ansonsten Maßstäbe für die Musik-Präsentation im Fernsehen, schuf Künstlerportraits und neue TV-Darstellungsformen der Popmusik, die bis heute modern anmuten. Dass der SR in den 1960ern zu einem Vorreiter dieses TV-Genres wurde, verdankt er dem Regisseur aus Berlin.  

Von Marko Völke

Branss reizte alle ästhetischen Möglichkeiten des (Schwarzweiß-)Fernsehens aus, konzentrierte sich ganz auf die Umsetzung der Musik, inszenierte die Lieder der Künstler zu kleinen Filmen und legte ganze Sendungen als Clips an. Immer wieder wurde der Regisseur für seinen stark bildästhetisch geprägten Stil und seine kühne Bildgestaltung mit einfachsten Mitteln gelobt. Ohne großes Budget produzierte er sehr preisgünstig, aber ungeheuer erfolgreich hunderte von Musik-Sendungen.
Zudem kombinierte Branss als einer der ersten Regisseure Studioszenen mit Außenaufnahmen. So stellte er zum Beispiel Künstler auf eine Schlackenhalde, was sich in dieser Zeit sonst wohl niemand gewagt hätte. Der ehemalige SR-Intendant Fritz Raff lobte den Regisseur einst als „einen der innovativsten Köpfe der Unterhaltungsbranche“.

Truck Branss wurde am 21. Januar 1926 als Kurt Branss in Berlin geboren. Sein Vater war Bankkaufmann. Nach dem Besuch des Realgymnasiums studierte er an der Technischen Universität Berlin, absolvierte eine Ausbildung zum Maschinenbau-Ingenieur und nahm Schauspiel-Unterricht an der Max-Reinhardt-Schule. Sein Traum, Schauspieler zu werden, endete allerdings bereits bei seinem ersten Film.
In „Die Rose von Stambul“ hatte Branss seine erste Rolle ergattert: Er sollte einen Sekretär spielen. Doch die Hauptdarstellerin Grethe Weiser war von ihm alles andere als begeistert: Immer, wenn er einen Satz zu Ende gesprochen hatte, habe sie laut mit der Zunge geschnalzt und den Kopf geschüttelt – getreu dem Motto „Der hat ja gar kein Talent“, blickte der Berliner in einem Interview zurück. Schließlich sei er ganz aus dem Film herausgeschnitten worden: „Damals habe ich mir vorgenommen, mich zu revanchieren“, erzählte er.

1951 begann er seine TV-Laufbahn beim Sender Freies Berlin (SFB, heute rbb). Als er dann Ende dieses Jahrzehnts als erster Kameramann bei dem Sender einen Film gedreht hatte, in dem Grethe Weiser die Hauptrolle spielte, war für ihn die Zeit der Rache gekommen: Immer, wenn die Schauspielerin nicht auf ihrer richtigen Position gestanden hat, ließ er die Aufnahme abbrechen, sagte laut: „So geht das nicht“ und schnalzte – wie sie damals – laut mit seiner Zunge“, blickte Branss zurück.

Anfang der 60er wechselte er als Regisseur dann zum Saarländischen Rundfunk. Daran, wie es dazu gekommen ist, erinnerte er sich in einem Interview noch gut: Bei seinen Dreharbeiten am Wannsee sei er von der ehemaligen SR-Abteilungsleiterin Dr. Helga Prollius beobachtet worden. Sie hatte den Auftrag, in Deutschland einen Regisseur zu suchen, der den Bereich Fernsehen des Senders mit aufbaut, und sie lud Branss nach Saarbrücken ein.

Der war von der Idee, im Saarland zu arbeiten, aber zunächst überhaupt nicht begeistert. Zu seiner Frau habe er gesagt: „Da können wir ja mal umsonst hinfahren“, verriet er in einem Interview und ergänzte: „Da kommen wir anschließend bestimmt nicht mehr hin.“ Denn als Berliner habe er gedacht, dass in dem Bundesland überall Kohleöfen stehen würden. Doch dann sei er völlig überrascht gewesen, wie schön im Saarland die Landschaft ist.

Und auch der damalige Intendant Franz Mai beeindruckte ihn. Er sei sehr überzeugend gewesen, habe ihn und seine Frau mit offenen Armen empfangen. „Schon nach 30 Minuten war mir klar: Den Job nimmst du an.“ Der Beginn einer langen, erfolgreichen Zusammenarbeit, die bis ins Jahr 1989 währte.

„In Deutschland gibt es keine Stars, wir müssen sie erfinden“, lautete sein Motto. Branss verhalf zahlreichen Künstlern zu ihrem zum Teil sogar internationalen Durchbruch. Dazu gehörte die jüdische Folk-Sängerin Belina. 1963 widmete er ihr die erste Ausgabe seiner Personality-Show-Reihe „Portrait in Musik“ in der ARD. Nicht nur Belina wurde damit über Nacht berühmt. Die Produktion verhalf ihm und damit auch dem SR zu großer Beachtung. Und Branss erhielt Aufträge aus ganz Deutschland.

Im November 1963 wurde die „Portrait in Musik“-Folge mit Hildegard Knef ausgestrahlt. Branss setzte dafür die Chansons der Schauspielerin mit optischen Effekten wie Trockeneisnebel, einem von unten beleuchteten Steg, Rückprojektionen sowie Tänzern videogerecht in Szene. Ein anderes Mal ließ er die Diva auf dem Saarbrücker Hauptbahnhof stehend „Ich hab Heimweh nach dem Kurfürstendamm“ singen.

Hildegard Knef hatte der Regisseur übrigens in der Berliner Schauspielschule bei Karl Meixner kennengelernt. Dort haben beide Unterricht genommen. Sie sei eine typische Berlinerin, eine geistreiche Frau und habe viel Humor, sagte er einst über sie. Als es nach ihren großen Film-Erfolgen Anfang der 60er etwas stiller um sie wurde, verpflichte er sie für ein Künstlerporträt: „Beim SR waren wir immer bedacht, große Namen zu haben, aber es durfte ja nichts kosten“, erklärte Branss in einem Interview. Aber die Sendung war für alle eine Win-Win-Situation: Dem Sender bescherte sie gute Quoten und Knef verhalf sie zu einer erfolgreichen Schlagerkarriere.

Lale Andersen in der Kaserne Lebach (Foto: SR)
Dreharbeiten mit Lale Andersen bei den Fallschirmjägern in der Lebacher Kaserne für „Ein Portrait mit Musik“.

Auch ein Musik-Porträt von Lale Andersen inszenierte der Regisseur 1964. Ihren Gassenhauer „Lili Marleen“ unterlegte er mit Realaufnahmen. Zu dem Lied der Sängerin und Schauspielerin zeigte er Fallschirmjäger des 261. Bataillons der Kaserne in Lebach. Stars wie Udo Jürgens, Françoise Hardy, Alexandra & Co. portraitierte Branss ebenfalls in Musik. Dabei reizte er stets gerne alle ästhetischen Möglichkeiten des Schwarzweiß-Fernsehens aus.

Branss wurde zwar insbesondere durch seine Künstlerporträts im In- und Ausland bekannt, er konzipierte daneben aber auch zahlreiche weitere, erfolgreiche Musik-Shows. Dazu gehörte ab Mitte der 1960er Jahre die ARD-Reihe „Meine Melodie“. In der Sendung drehte sich alles um jeweils einen Künstler, den sich die Zuschauer wünschen konnten. Und so setzte Branss neben den Songs von Vicky Leandros, Roy Black und Rex Gildo auch die von Udo Jürgens in Szene.

Mit dem österreichischen Entertainer habe er immer wieder gut zusammengearbeitet, blickte er zurück. Jürgens sei sehr diszipliniert gewesen: „Das einzige, was mich an ihm störte, war seine Vorliebe für junge Mädchen.“ Bei jedem seiner zahlreichen Auftritte in der Saarlandhalle habe Jürgens übrigens betont, dass er hier in Saarbrücken entdeckt worden sei.

Udo Jürgens moderiert. (Foto: Gerhard Heisler)
Udo Jürgens im SR-Hörfunkstudio.

Auch seine Gilbert-Bécaud-Shows aus den Jahren 1967 und 1968 wurden zu Meilensteinen des deutschen Fernsehens. Branss machte den französischen Chansonnier zu „Monsieur 100.000 Volt“. Der Name sei ihm einfach so eingefallen, weil der Künstler sehr temperamentvoll gewesen sei, erinnert sich der Regisseur. Für Bécaud ließ er eine große Arena ins TV-Studio bauen. So konnte das Publikum den Star von oben sehen – ein gestalterisches Wagnis und ein großer Erfolg.

Er habe Bécaud in Quebec getroffen und gefragt, ob er mit ihm eine Show machen wolle, so Branss, der Künstler habe ihm entgegnet: „Trinken wir zuerst was.“ Alkohol sei oft der beste Verhandlungspartner gewesen. Den Vertrag haben die beiden schließlich auf einer rosa Serviette gemacht. Auch nach ihrer Zusammenarbeit seien sie noch lange in Kontakt geblieben.

Branss war jedoch nicht nur für seine Erfolge bekannt, sondern auch für seine Strenge berüchtigt. Oft sei bei seinen TV-Produktionen schon im Foyer seine Stimme zu hören gewesen, erinnern sich (ehemalige) SR-Mitarbeiter, die ihn „live“ erlebt haben – wenn zum Teil auch nur akustisch. „Achtung bitte. Vier, Drei, Zwei, Eins. Fahr ran, wir blenden“, hagelten seine Kommandos, seine Stimme überschlug sich, ist in einer Ausgabe der ehemaligen, sendereigenen Zeitschrift „SR Info“ zu lesen.

Regiestuhl (Foto: SR)
Selten wohl saß er ruhig drauf: Der Regiestuhl von Truck Branss.

Seinen Ruf, knallhart zu sein, bestätigten auch einige Schlagersänger, die mit ihm zusammen gearbeitet haben. So bemängelte Christian Anders („Es fährt ein Zug nach nirgendwo“), dass er sie oft „wie Kinder behandelt“ habe. Mancher Star hatte gar Angst vor dem autoritären Regisseur. Er war hemmungslos ehrlich und konnte sehr unangenehm werden. Zudem legte er viel Wert auf Pünktlichkeit und gute preußische Eigenschaften. Für Branss stand dagegen fest: „Anders geht das in dem Geschäft gar nicht.“ Auf der anderen Seite trank er mit seinen Kollegen aber auch gerne mal ein Gläschen …

Goldene Europa (Foto: Gerhard Heisler)
Die Schlager-Trophäe „Goldene Europa“.

Aber nicht nur für den SR war Branss erfolgreich tätig. Er ist auch der Vater der „ZDF Hitparade“, der ersten Schlagershow im deutschen Fernsehen, in der das Publikum über seine Favoriten abstimmen konnte. „Das Wort Hit hatte ich aus Amerika“, erklärte er. Die Kult-Show ging übrigens aus der Radiosendung „Deutsche Schlagerparade“ der Europawelle hervor, aus der dann auch die Verleihung des ältesten deutschen Fernsehpreises, der „Goldenen Europa“, entstanden ist.

Die „Hitparade“ habe er 1969 erst dem SR angeboten. „Aber keiner wollte sie haben“, erinnerte sich Branss. Nicht nur die Sendung habe er fürs Fernsehen „erfunden“, sondern auch deren langjährigen Moderator Dieter „Thomas“ Heck. Heck, damals vor allem mit seiner „Deutschen Schlagerparade“ einer der Star-DJs auf der Europawelle Saar, wollte Branss zufolge um jeden Preis ins Fernsehen. Das ZDF sei aber zuerst gar nicht an ihm interessiert gewesen. Der damalige Unterhaltungschef habe ihn sogar als „hässlichen Vogel“ bezeichnet. Doch er, der Regisseur, fand den „Jungen mit der Maschinengewehrschnauze“ großartig und habe ihn zum Fernsehstar gemacht.

Die beiden galten als „Dream-Team“ und freundeten sich auch privat an. Später stand für Branss jedoch fest, dass Heck für ihn menschlich „die größte Enttäuschung“ gewesen sei. Er habe immer alle Lorbeeren selbst eingesteckt. Dennoch bezeichnete Branss die „ZDF Hitparaden“-Ära als eine schöne Zeit für sich. „Alle waren auf mich eingeschworen“, sagte er in einem Interview. Zudem sei er zu seiner Freude für die Produktion zumindest dienstlich regelmäßig in seine Heimatstadt Berlin zurückgekommen.

Bei 130 Folgen der „ZDF Hitparade“ führte Branss bis 1980 die Regie: „Dann wollte der SR, dass ich ausschließlich nur für ihn arbeite“, sagte er. Denn bei dem Sender sei er ja schließlich angestellt gewesen und großzügiger Weise für andere Projekte freigestellt worden.

Heck gab nach 15 Jahren die Show ab. Sie lief nach mehreren Moderatorenwechseln und sinkenden Quoten schließlich am 16. Dezember 2000 aus. „Ein Jammer um diese Show“, bedauerte der Regisseur. Den Rückgang der Zuschauer führte er auf die Moderatoren zurück. Aber auch die damals immer mehr aufkommenden Hightech-Shows waren wohl ein Grund für das Aus. Und schließlich machten die Musiksender mit ihren Videoclips dem TV-Dino das Leben schwer.

Aber gerade Shows wie die „Hitparade“ seien erforderlich, um den Nachwuchs zu präsentieren. „Nur durch neue Entdeckungen bleibt die Schlagerbranche überhaupt am Leben“, stand für ihn fest. Fortan sei es für begabte Künstler noch schwieriger gewesen, eine Chance für einen Fernsehauftritt zu bekommen.

Bis dahin wurden in der Kult-Show unzählige Stars geboren. Wie zum Beispiel Manuela, die mit dem Song „Schuld war nur der Bossa Nova“, einen großen Erfolg landete. „Hitparaden-König“ war jedoch Roland Kaiser, der 66 Mal zu Gast war. Und die Queen kommt aus dem Saarland: Nicole mit 51 Auftritten. Nicht zu allen Schlagerstars fiel Branss allerdings Schmeichelhaftes ein. Jürgen Drews bezeichnete er zum Beispiel als „Fratzke“, Rex Gildo dagegen als „liebenswürdigen Menschen“ und Mary Roos habe fast zu seiner Familie gehört.

Hitparade mit Dieter Thomas Heck (Foto: SR)
„Die ZDF-Hitparade“ mit Dieter Thomas Heck.

Neben der „Hitparade“ hat Branss von den 1960er bis zu den 1980er Jahren noch viele weitere Produktionen für das ZDF inszeniert. So übernahm er in 30 Folgen die Regie des Quiz „Dalli Dalli“ mit Hans Rosenthal. Den Moderator bezeichnete er in einem Interview als „unwahrscheinlichen Kameraden“ und als „sehr sparsam“. Unter anderem produzierte er außerdem die Sendungen „Anneliese Rothenberger gibt sich die Ehre“, deren Gastgeberin „unerhört genau“ gewesen sei, „Die Welt gehört der Frau“ mit Marlène Charell als Star und die Silvester-Galas.

Aus Liebe zu seinem „Kind“, der „ZDF Hitparade“, wurde jedoch irgendwann Hass. Er sei oft auf diese Show reduziert und alle seine anderen Leistungen seien gerne vergessen worden, sagte er im Rückblick. Dabei habe er über 1.000 Sendungen gemacht und sei ein Jahrzehnt lang auch der Spezialist für Tanz gewesen. So drehte er unter anderem an der Wiener Staatsoper Filme.1966 entstand dort seine Produktion „Schwanensee“ nach dem gleichnamigen Ballett mit den Weltstars Rudolf Nurejew und Margot Fonteyn.

Mit ihnen zu arbeiten, sei nicht immer einfach gewesen, verriet Branss in einem Interview. Gerade mit Nurejew habe er sich bei den Dreharbeiten häufig gestritten. Seine dritte Frau Rosemarie Branss, eine Choreografin, die in dieser Funktion auch als Beraterin bei der Produktion im Einsatz war, habe oft vermitteln müssen. Doch als der Film dann Erfolge feierte, sei der Zoff vergessen gewesen. Noch Jahrzehnte später war „Schwanensee“ eines der Lieblingswerke von Branss, dass er sogar immer wieder gerne selbst verschenkt hat, verriet er und ergänzte, dass das mit seiner Liebe zum Ballett zusammen hängen würde.

Mitte der 1960er Jahre produzierte Branss zudem mit dem Schauspieler und Kult-Komiker Heinz Erhardt die TV-Talentshow „Musikauktion“. Er sei im wirklichen Leben genau so lustig, wie in seinen Film gewesen. Seinen Text habe er nie richtig gelernt, sondern immer bravourös improvisiert.

Auch bei der „Goldenen Europa“, dem ältesten deutschen Fernsehpreis, der von 1968 bis 2003 vom SR verliehen wurde, übernahm Branss die Regie. Dabei setzte er die Auftritte der Preisträger oft ebenfalls videogerecht in Szene. Auch selbst wurde er mit der Auszeichnung geehrt. Zudem gilt er als Entdecker des Fernsehregisseurs Pit Weyrich, der in späteren Jahren übrigens auch die „Goldene Europa“ und weitere SR-Shows moderierte.

Karl-Heinz Reintgen und Truck Branss (Foto: Gerhard Heisler)
Karl-Heinz Reintgen, damals stellvertretender SR-Intendant, im Gespräch mit Truck Branss bei der „Goldenen Europa“ 1977.

Aber die Karriere von Branss war nicht nur von Erfolgen gekrönt. Als seinen größten Flop bezeichnete der Regisseur die Walter-Giller-Show, eine Comedy-Sendung, die er Ende der 1960er produziert hat. Die Drehbücher habe er zusammen mit Giller selbst geschrieben. „Das ganze Studio hat sich über die Witze tot gelacht – nur das Publikum nicht“, bedauerte Branss. 

Auch seine Sendung „Superschuß“ wurde verrissen. Zoff oder schlechte Kritiken belasteten den Regisseur immer sehr. Seine Frau Rosmarie habe da eine Art „Blitzableiterfunktion“ übernehmen müssen.  
Und: Obwohl seine Liste der Stars, mit denen er gearbeitet hat, lang ist – eine Filmikone konnte er nicht überzeugen, mit ihm zu drehen: Marlene Dietrich. Er habe mit der Schauspielerin unbedingt ein Künstlerporträt machen wollen, blickt Branss zurück. Nach langen Vorverhandlungen mit ihrem Management bekam er endlich einen Termin mit ihr in ihrer Pariser Wohnung. Dietrich habe ihm dort „in einem atemberaubend-engen Kleid empfangen.“ Vier Tage habe es gedauert, sie für sein Projekt zu gewinnen – dann habe sie endlich zugesagt.
Doch es gab ein Problem: Die Diva verlangte 100.000 Dollar Gage, was für den SR natürlich unmöglich gewesen sei. Darauf habe er ihr gesagt, dass sie die Produktion „fast schon umsonst“ machen müsste. Doch Dietrich habe ihm entgegnet: „Umsonst habe ich noch nie in meinem Leben gearbeitet.“ Obwohl sie also beruflich nie zusammen gearbeitet haben, seien sie privat trotzdem in Kontakt geblieben, und die Schauspielerin habe ihm lange Briefe geschrieben.

Branss arbeitete nicht nur über Jahrzehnte hinweg im Saarland, sondern lebte auch 35 Jahre an der Saar. Unter anderem wohnte er in Ormesheim, Kleinblittersdorf und Güdingen. Doch dann beschloss er 1994, nach Langendorf in Niedersachsen zu ziehen. Ein Abschied, der ihm schwer gefallen ist: „Das Saarland zu verlassen, schmerzt wahnsinnig“, sagte er in einem Interview. Er habe sich hier immer sehr wohl gefühlt und die Saarländer seien immer freundlich zu ihm und seiner Familie gewesen.

Aber in dem niedersächsischen Künstlerort war er seiner Heimat Berlin ein gutes Stück näher. Zudem war er überzeugt: „Ich habe im Saarland große Erfolge gefeiert, aber eben auch viele menschliche Enttäuschungen erlebt. Wenn man nicht mehr so im Rampenlicht steht, wird man eben vergessen. Das ist die Schattenseite des Lebens in der funkelnden Show- und Fernsehwelt.“ Das habe ihn sehr verletzt.

Doch einige Jahre später wich seine Verbitterung der Sehnsucht nach seiner alten Wahlheimat. So feierte er seinen 75. Geburtstag im Saarbrücker Presseclub. Für ihn stand fest: „40 Jahre Saarland kannst‘e nicht einfach wegwischen“. Es sei beglückend, wieder hier zu sein. Er habe sich ausgesöhnt, nur nette Leute getroffen und plötzlich das Gefühl gehabt, dass er nie weg gewesen war.

2001 erhielt Truck Branss zudem den saarländischen Verdienstorden als einer der bedeutendsten und für die Entwicklung des deutschen Fernsehens wichtigsten Regisseure. Als er von der Nachricht erfahren hat, sei er sehr glücklich gewesen, verriet er in einem Interview.

Unzählige Anekdoten hatte der Regisseur von seinen Begegnungen mit den Stars auf Lager. Mit vielen stand er noch lange in Kontakt, was jedoch nicht bedeute, dass diese auch seine Freunde seien, betonte er. „Der Erfolg bringt dir viele Freunde – und hinterher stellst du fest, dass es nur Neider waren.“ In dem Moment, wo man aus dem Geschäft raus ist, sei man für viele vergessen. Von seinen ganzen Freunden von früher seien nur wenige übrig geblieben. Dazu gehörten für ihn der Schauspieler Walter Giller, Sänger Ricky Shayne und der ehemalige SR-Moderator Manfred Sexauer.

Rund 30.500 Stunden habe er in Studios von SR und ZDF verbracht, zog Branss in einem Interview Bilanz. Hinzu kommen Wochen und Monate auf Reisen, der Suche nach Drehorten, Motiven und Protagonisten. So habe er viel von der Welt sehen können. „Das Glück, kostenlos reisen zu können, ist unermesslich“, stand für ihn fest. Allein für seine Sendung „Chöre der Welt“ sei auf fast allen Kontinenten unterwegs gewesen.

Auf die Frage, was er rückblickend anders machen würde, entgegnete Branss: Er würde früher mit der „ZDF Hitparade“ und „Dalli-Dalli“ aufhören. Durch diese Shows sei er zu lange blockiert gewesen und habe andere, lukrative Angebote abgelehnt. So schlug er zum Beispiel einen Beatles-Film aus – zu seinem späteren Bedauern. Er habe auch nicht gedacht, dass die Band so erfolgreich werden würde.

Brille auf einem Manuskript (Foto: SR)
Manuskript einer Branss-Sendung mit handschriftlichen Ergänzungen des Regisseurs.

In seinem Landhaus in Niedersachsen arbeitete Truck Branss bis ins hohe Alter, drehte unter anderem einen Werbefilm für einen japanischen Automobilhersteller. Zudem sammelte er Uhren, Musikdosen und alte Puppen. In einem seiner letzten Interviews verriet er: „Ich bin immer noch Saarländer, schaue jeden Abend den Saarländischen Rundfunk.“

Am 23. Februar 2005 starb Truck Branss im Alter von79 Jahren. Seine großen Fernseh-Erfolge sind bis heute unvergessen. Und viele seiner Musik-Clips wirken auch heute noch modern.

Redaktion für den Arbeitskreis SR-Geschichte: Axel Buchholz; Eva Röder (Gestaltung/Layout im Internet); Burkhard Döring/Magdalena Hell (Illustrationen); Sven Müller (Fernseh-Archiv SR: Videos/Standbilder).

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