SR-Postkarte aus den 1960er Jahren mit einem Rekonstruktionsversuch des Schlosses Monplaisir von Prof. Dieter Heinz. (Foto: SR)

Der Halberg: vom Mythen- zum Medienberg

 

Das Funkhaus des Saarländischen Rundfunks steht auf dem Saarbrücker Halberg. Damit hat der Sender an der Saar einen Sitz, der mit der Geschichte der Saargegend und Saarbrückens seit zwei Jahrtausenden eng verbunden ist. Das ist ein Privileg und eine Verpflichtung zugleich. Der SR sieht es deshalb auch als seine Aufgabe an, die Zeugnisse der Vergangenheit auf dem und rund um den Halberg zu bewahren und die Erinnerung daran zu pflegen. Vor allem der frühere SR-Bibliothekar und Regionalhistoriker Roland Schmitt hat dazu nach Kräften beigetragen. Zum Beispiel diesen von ihm 2021 noch einmal aktualisierten Überblicktext über die Geschichte des Halbergs.

Von Roland Schmitt

Er ist wahrlich ein besonderer Berg, seit alters her, genauer: Seit rund 2000 Jahren zieht diese gerade mal 278 m hohe Erhebung die Menschen in ihren Bann – inzwischen fernab am Stadtrand: „Alt-Saarbruck soll gelegen gewesen sei, uff etlicher alter Leute Berichten, in der Gegend des Halbergs, uff derselben Seite zur Sar zu, da der Halberg angeht ... Es soll auch eine hölzerne Brücke allda über die Sar gewesen sein, daher die Stadt den Namen gehabt Saarbrücken“, so der Chronist Johann Andreae in seiner „Genealogia Nassovica“ (1637).[1] Neben einer Holzbrücke soll es auch eine weitere aus Stein gegeben haben. Angebliche Überbleibsel hatte der Altertumsforscher Friedrich Schröter (1802 – 1870) als römischen Ursprungs gedeutet. Grabungen ergaben 2017, dass die Steinquader von einer barocken Schleuse stammen, die nicht fertiggestellt wurde.

Roland Schmitt (Foto: Roland Schmitt privat)
Roland Schmitt, von 1982 bis 2019 Leiter der SR-Bibliothek und Regionalhistoriker.


An diesem Saarbogen unterhalb des Halbergs siedelten wohl schon Kelten des Mediomatriker-Stammes, unweit der von ihnen im St. Arnualer Stiftswald angelegten Fliehburg. Nach der Unterwerfung der gallischen Stämme setzen sich die Römer nach und nach an strategisch wichtigen Punkten fest, eben auch hier, vermutlich um 100 n. Chr. Die gallorömische Siedlung lag zum einen an einem schiffbaren Fluss, zum anderen unmittelbar an der Kreuzung zweier sich entwickelnder Fernstraßen: von Borbetomagus (Worms) nach Divodurum (Metz), von Augusta Treverorum (Trier) nach Argentorate (Straßburg). Ein auf dem Vogesenberg Donon aufgefundener Meilensteindokumentiert höchst wahrscheinlich den Namen dieser kleinen Stadt: „vicus Saravus“.

Wie der Halberg Jahrhunderte später zu seinem Namen gekommen ist, kann nicht zweifelsfrei geklärt werden: Die erste Silbe ,,Hal“ legt eine Verbindung mit Salz nahe, doch gibt es, anders als bei Orten wie Hallstatt oder Reichenhall, hier an der mittleren Saar keine natürlichen Salzvorkommen. Der Denkmalpfleger Reinhard Schindler geht davon aus, dass das Charakteristische – die an der Westseite des Halbergs gelegene Sandsteinhöhle – für die Namensgebung verantwortlich ist. Im Schrifttum des 18. Jahrhunderts wird ausdrücklich „vom Halberg als dem Höhlenberg“ gesprochen. Die „Umnutzung“ dieser „heidnischen“ Höhle – sie wurde im Volksmund gerne als „Heidenkapelle“ bezeichnet – zur christianisierten Einsiedelei ergab auch die Möglichkeit, im Halberg einen „heiligen Berg“ zu erkennen. Und den Namen so zu erklären.

Heidenkapelle (Foto: SR)
Die Mithras-Grotte, im Volksmund auch „Heidenkapelle“ genannt (Aufnahme ca. 1925).

Etwa um 200 n. Chr. vergrößern jedenfalls Bewohner des vicus, die dem Mithras-Kult huldigen, die nahe gelegene Naturhöhle. Sie bauen sie zu einer dreischiffigen Anlage aus, die offenbar durch Säulen gestützt wurde. Ein hölzerner Vorbau schließt die Grotte ab, damit möglichst kein Tageslicht in den Kultraum dringen kann. Lange Zeit war man der Ansicht, dass der in Europa und Kleinasien praktizierte Mithras-Kult lediglich eine Übernahme der Religion des persischen Kriegeradels durch römische Legionäre und Kaufleute darstellt. In den 1980er Jahren kam eine Hypothese (von David Ulansey) auf, demnach sich hinter diesem Mysterienkult eine komplexe Astralreligion (die auf Bewegungen Bezug nimmt) verberge, die zwar Bezüge zum persischen Licht- und Sonnengott Mithras aufweise, wohl aber in der antiken Stadt Tarsos „erfunden“ wurde. Inzwischen gibt es in der Forschung an dieser Interpretation erhebliche Zweifel.

Etliche Kaiser begeistern sich jedenfalls für die neue, nur Männern vorbehaltene Religion und tragen somit zur Verbreitung im gesamten Römischen Reich bei. Mit der Thronbesteigung Theodosius' im Jahre 379 n. Chr. wird jedoch das Ende des Mithras-Kultes eingeläutet: Das „modernere“ Christentum hat sich durchgesetzt und bekämpft nun rücksichtslos alle „heidnischen“ Religionen. Und hierzu zählt es auch die konkurrierende Heilslehre des Mithras, trotz oder gerade wegen der auffälligen Parallelen zum christlichen Glauben. Denn auch die Mithras-Religion verspricht bei moralischem Handeln im Diesseits Erlösung im Jenseits. Nicht wenige Motive im Christentum (z. B. die Himmelfahrt) entstammen dem Mithras-Mysterienkult, und die Festlegung der Geburt Christi auf die Nacht vom 24. auf den 25. Dezember wird plausibel, wenn man berücksichtigt, dass just an diesem Tag die Mithras-Anhänger die Wiedergeburt ihres Mensch gewordenen Siegesgottes und Heilbringers gefeiert haben. Spätestens Ende des 4. Jahrhunderts dürfte auch der Mithras-Kult am Halberg erloschen sein. Die Faszination der Kulthöhle hält allerdings bis heute an: „Insbesondere am Abend, wenn die untergehende Sonne ihre letzten Strahlen durch die Wipfel der Bäume wirft und die tiefen Schatten der Höhlungen mit den kräftigen Naturfarben des roten Felsens in ein kontrastreiches Wechselspiel treten, steigert sich die Wirkung des Anblicks ins Dämonische.“ [2]

Der Niedergang des Römischen Reiches manifestiert sich auch am „vicus Saravus". Die gallorömische Siedlung nebst nie fertig gestelltem Kastell wird zwischen dem Ende des 3. und Anfang des 5. Jahrhunderts immer wieder durch Angriffe und Plünderungen in Mitleidenschaft gezogen: Erst durch die Alemannen, dann durch die Franken. Gleichwohl wurde der vicus nicht vollkommen aufgegeben. Inzwischen geht die Forschung davon aus, dass zumindest im Kleinen diese Siedlung weiter bestand.

Der Halberg verschwindet jedenfalls für viele Jahrhunderte aus dem Blickfeld. Handgreifliche Zeugnisse, auch hinsichtlich der Nutzung der Höhle, fehlen. Was sich erhalten hat, sind Legenden um den ehemaligen Bischof von Metz, den heiligen Arnualdus, und seinen Sohn Arnulph. Beide sollen von der „Heidenkapelle“ aus in der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts die mittlere Saar missioniert haben. Unweit des Halbergs, wo sich beide Einsiedler nacheinander womöglich in der Mithras-Grotte „einrichteten“, entsteht in Folge der fränkischen Landnahme auf der gegenüberliegenden Saarseite das Dorf Merkingen. Das dort einst vorhandene römische Landhaus („villa rustica“) wird mit einer Kirche überbaut, dessen Gründung Arnualdus zugeschrieben wird. Der Merowingerkönig Theudebert II. hatte ihm den Hof Merkingen in einer Schenkungsurkunde überlassen. Grund und Boden „drum herum“ gehören nunmehr großenteils dem von Arnualdus ins Leben gerufenen Kollegiatstift, einer Gemeinschaft von Geistlichen. Sie sind dem Bischof von Metz unterstellt. Auch der Halberg gelangt somit in den Besitz des Stiftes.

Die in der Bevölkerung als Einsiedelei betrachtete „Heidenkapelle“ entwickelt sich mit den Jahren offenkundig zu einem Ziel für Wallfahrer. Schriftliche Zeugnisse gibt es dafür zwar keine, aber einige wenige Funde, die diese Vermutung für das späte Mittelalter stützen. Auch in der Folge findet der Halberg in schriftlichen Zeugnissen nur selten Erwähnung. Für das Dorf auf der anderen Saarseite hat sich inzwischen statt des alten Namens Merklingen der neue Name St. Arnual längst eingebürgert.

Das anfänglich gute Verhältnis zwischen den Stiftsherren und den Grafen von Saarbrücken, die ihre Grablege von Wadgassen nach St. Arnual verlegt hatten, verkehrt sich aufgrund diverser Konflikte nach und nach ins Gegenteil. Im Jahre 1549 eskalieren die Streitigkeiten, Kaiser Karl V. muss vermitteln. Es geht dabei auch um den Halberg. Der von Graf Philipp II. zerstörte „Wildzaun um den Halberg“ bleibt „abgetan“; beide Parteien müssen hinsichtlich des gemeinsamen Jagd- und Weiderechts eine einvernehmliche Lösung finden. Nach wenigen Jahren erledigt sich das angespannte Verhältnis zwangsläufig von selbst: Das Grafenhaus wendet sich dem protestantischen Glauben zu und löst 1569 das Stift auf, das fortan unter nassau-saarbrückischer Verwaltung steht.

Der Halberg. Alter Stich. (Foto: SR)
Ansicht der Städte Saarbrücken und St. Johann um 1750. In der Mitte links ist der Halberg mit den drei Hauptgebäuden des Schlosses zu sehen. Durch eine Schneise im Wald gab es eine freie Sichtverbindung zum Saarbrücker Residenzschloss.

Wiederum verschwindet der Halberg für längere Zeit in den Annalen „von der Bildfläche“. Mit Graf Ludwig Crato Lebensdaten (*1663) wird sich dies ändern. Das lateinische Wort „Crato“ bedeutet Kraft und ist ein Beiname. Der „Kräftige“ lässt nach den Plänen des Architekten Josef Motte dit la Bonté 1709 – 1711 auf dem Plateau ein Jagd- und Lustschloss, ein „Maison de plaisance” erbauen. Es ist ein dreiteiliges Pavillongebäude, ergänzt durch einen Barockgarten. Eine geplante Wasserleitung vom Eschberg aus soll die Schlossanlagen mit dem lebensnotwendigen, vor Ort aber raren Nass versorgen. Dieses Ansinnen lässt sich (vorerst) nicht realisieren. Viel Freude hat Graf Ludwig Crato an seinem Schlösschen nicht; er verstirbt bereits im Jahre 1713.

Drei Jahrzehnte lang passiert nur wenig auf dem Halberg. Die Erben des Grafen halten sich kaum in der Saargegend auf. Mit der Übernahme der Regentschaft durch Fürst Wilhelm Heinrich (1718 – 1768) im Jahre 1742 rückt der Halberg wieder etwas ins Blickfeld. Nach und nach erwirbt der neue Fürst Land rund um den Halberg, so auch 1755 das Kolbenholz, das er zur Anlage eines Parks mit Tiergehege benötigt. Des Weiteren lässt er den Scheidter Bach zum Halbergweiher stauen, damit die Schmiedehämmer und Blasebälge seines 1756 errichteten Eisenwerkes am Fuße des Halbergs (in Brebach) angetriebenwerden können. Der Weiher wird zudem für Kahnpartien bei fürstlichen Festivitäten genutzt. Bis zu seiner Trockenlegung in den 1950er Jahren bleibt der im Winter oft zugefrorene kleine See ein Dorado für Schlittschuhläufer.

Halbergweiher (Foto: SR)
Schlittschuhläufer auf dem Halberg-Weiher um 1930.

Mit der Zeit verliert Fürst Wilhelm Heinrich das Interesse an seinem Bergschloss und auch an den landwirtschaftlich genutzten Anlagen des Hofgutes. Das lag unten nicht weit von der Auffahrt zum Halberg. Noch heute ist ein Torstein der ehemaligen Hofeinfahrt dort erhalten. Der Hof wird mitsamt dem Hüttenwerk verpachtet.

In den Jahren 1762-67 lässt Fürst Wilhelm Heinrich (1718 – 1768) am Südhang des Halbergs, nach Brebach zu, einen Weinberg anlegen. Die Erträge sind sowohl quantitativ als auch qualitativ nicht „berauschend“, weshalb der Weinbau weitgehend wieder aufgegeben wird. Gleichwohl dienen die Rebstöcke als Staffage für szenische Aufführungen in der Sommerzeit. Erst die harten Winter der Jahre 1814/15 lassen die verwilderten Reben erfrieren.

Der Halberg. Lageplan (Foto: SR)
Grundriss des Brebacher Bannes mit Schlossanlage und dem nach St. Arnual hin angelegten Weinberg (1764).

Nach dem Tod des Fürsten 1768 nimmt sich dessen Sohn Ludwig (1745-1794) des Schlösschens an und lässt es instand setzen. Unter der Regie des Hofgärtners Johann Friedrich Christian Koellner werden die Parkanlagen ab 1771 zu einem englischen Landschaftsgarten erweitert. Im Folgejahr wird auf Geheiß des Fürsten Ludwig die „Heidenkapelle“ ausgeräumt und mit der Zeit „verschönert“: „Wie im Inneren der Grotte, so sind an den beiden äußeren Seitenwänden viele flach eingehauene Nischen wahrnehmbar, in welche mittels hölzerner, zum Theil noch sichtbarer Keile Steinbilder befestigt und eingesetzt waren ...“, so die Einschätzung Friedrich Schröters (1852).[3]  Der Torso einer „Göttin mit Ährenbündel“ (Ceres?), die dem Bildhauer Pierrard de Coraille zugeschrieben wird, ist übrigens im Foyer des Schlosses ausgestellt. Die (unbeschädigte) Skulptur mag einst in einer jener Nischen gestanden haben.

Fundstück Mai 2021: Der Halberg. Torso. (Foto: SR)
Torso der „Göttin mit Ährenbündel“ (Ceres).

Unter der Leitung des fürstlichen Generalbaudirektors Friedrich Joachim Stengel erfolgen umfassende Umbaumaßnahmen. Sie waren notwendig geworden, da Fürstin Sophie Eleonore Wilhelmine von Schwarzburg-Rudolstadt (1751 – 1780) das Schlösschen auf dem Halberg als Rückzugswohnsitz auserkoren hatte. Im Mai 1773 verlässt sie die Saarbrücker Residenz und ihren für seine Mätressenwirtschaft bekannten Gatten. Eine davon war die Fechinger „Gänsegretel“ (1757 – 1829). Sie wurde seine letzte Gemahlin und trug u. a. die Titel Reichsgräfin von Ottweiler und Herzogin von Dillingen. Den damals fünfjährigen Erbprinzen Heinrich nimmt sie mit auf den Halberg. Der verlebt hier, wie er später bekennt, seine schönsten Jahre. Das kleine Lustschloss erhält weitere Ergänzungsbauten: Zwischen 1788 und 1789 wird nach den Plänen von Balthasar Wilhelm Stengel eine Fasanerie und am Fuße des Berges ein Finkenhäuschen errichtet.

Auch ein prominenter Gast findet sich im Fürstenhause ein, wie der auf den Mai 1792 datierte Brief von Adolph Freiherr von Knigge (1752 – 1796) belegt: „Das Schloß ist klein, aber artig eingerichtet. Der menschenfreundliche Fürst hat über ein Camin im Speisesaale eine Inschrift setzen lassen, wovon ich nur die letzte, einladende Zeile behalten habe: Je veux, que mon plaisir soit
le plaisir des autres.“[4] Knigges Schilderungen des Halbergs und des als „Monplaisir“ fortan bekannten Schlösschens lassen allerdings vermuten, dass er wohl schon früher (etwa zwischen 1783 und 1787) vor Ort gewesen sein muss.

Freiher von Knigge (Foto: SR)
Adolph Freiherr von Knigge, Schriftsteller und „Vater“ der Benimm-Ratgeber.

Die durch die Französische Revolution ausgelösten „unruhigen Zeiten“ greifen auch auf das nassau-saarbrückische Gebiet über. Fürst Ludwig setzt sich im Januar 1793 mit seiner Familie nach Neunkirchen ab. Die Front rückt von Westen her immer näher, Saarbrücken wird von französischen Revolutionstruppen eingenommen. Die Region bleibt auch im Oktober 1793 heiß umkämpft, wie ein Augenzeuge bestätigt: „Der Generallieutenant von Kalkreuth lies sogleich 2 Bataillons mit einer schweren Batterie auf den Hallberg, oder Montplaisir genannt,...vorrücken, wodurch der Feind genöthiget wurde, sowohl das avancierte Lager, als auch den Winterberg zu verlassen.“ [5] Vom Halberg aus nehmen die preußischen Kanoniere St. Arnual und Saarbrücken unter Feuer und zerstören die Schiffbrücke, die die Franzosen über die Saar geschlagen hatten. Allerdings müssen die preußischen Truppen, denen sich auch Erbprinz Heinrich angeschlossen hatte, nach wenigen Wochen schließlich doch zurückweichen. Um den 15. November 1793 herum wird das kleine Schloss auf dem Halberg von französischen Soldaten zerstört. Die Ruine dient fortan als „Steinbruch“ für die umliegenden Dörfer.

Inzwischen hat Heinrich von Nassau-Saarbrücken (1768 – 1797) das Erbe seines Vaters angetreten, der am 1. März 1794 verstorben war. Als Fürst (fast) ohne Land zieht er sich auf Schloss Cadolzburg (bei Ansbach) zurück, das ihm der preußische König zur Verfügung gestellt hatte. Am 27. April 1797 stirbt er in seinem mittelfränkischen Exil an den Folgen eines Reitunfalls.
Vorausschauend hatte Heinrich in seinem Testament (vom 29. Dezember 1796) folgendes verfügt: „Tritt der Fall ein, dass meine Leiche dereinst kann ins Saarbrück‘sche gebracht werden, so ist mein Wunsch auf dem Halberg beerdigt zu werden, und eine Piramide über meinem mit Fichten besetzten Grab zu haben, worauf folgende Worte eingegraben werden sollen: „Hier ruht die Asche des Fürsten Heinrich zu Nassau, dessen einziger Wunsch der war, das Wohl seiner Untertanen befördern zu können.“[6] Gleichwohl wurde er in Cadolzburg beerdigt. Doch dank eines „Freundeskreises Erbprinz Heinrich“ konnten seine sterblichen Überreste 1976 nach Saarbrücken überführt und am Rande des alten Schlossgeländes auf dem Halberg bestattet werden.

Stele Fürst Heinrich (Foto: Burkhard Döring)
Obelisk am Grab des Erbprinzen Heinrich am Innenhof des Schlosses Halberg.

In der „Franzosenzeit“ gerät der Halberg weitgehend in Vergessenheit. Nach dem „Wiener Kongress“ 1815/16 gelangt ein Großteil der (deutschen) Saarregion zur preußischen Rheinprovinz. Der Halberg befindet er sich nunmehr im Besitz des Forstfiskus. In der Folgezeit wird er von den Bürgern aus St. Johann, Saarbrücken und Umgebung als „Naherholungsgebiet“ und „Vergnügungspark“ genutzt. Auf der pittoresken Hirschwiese frönt man dem Mastklettern und Sackhüpfen. Ein beliebtes Ziel bleibt offenbar auch die „Heidenkapelle“, in deren oberer Höhlenrückwand eine 1866 eingemeißelte Inschrift in lateinischer Sprache die Grotte (fälschlicherweise) als „... Tempel, der ehemals den Opfern der Druiden geweiht war ...“ einstuft.

Plakat für ein Volksfest auf dem Halberg (1835). Zum Vergrößern bitte anklicken.

Mitte der 1870er Jahre sind die beschaulichen Jahrzehnte dahin. Der aus dem Hunsrück stammende, in Neunkirchen ansässige Hüttenindustrielle Carl Ferdinand Stumm (1836 – 1901) ist auf der Suche nach einem adäquaten Gelände für ein repräsentatives Herrenhaus fündig geworden. Nach langwierigen Streitigkeiten mit den Städten St. Johann und Saarbrücken erwirbt er von der königlich-preußischen Forstverwaltung für 700.000 Mark den Halberg. Eine erste Aktion ist die (Wieder-) Einzäunung des Geländes, um klar zu machen, wer hier das Sagen hat und über den Zutritt befinden darf.

In den Jahren 1876 bis 1880 lässt Stumm nach den Plänen des Hannoveraner Architekten Edwin Oppler (1831 – 1880) eine Schlossanlage, vorwiegend im neogotischen Stil, errichten. Zum Gesamtensemble gehören neben dem etwa 60 m langen, aus gelbem Jaumont-Kalkstein erbauten, dreigeschossigen Schloss weitere Wirtschaftsgebäude, mehrere Bedienstetenhäuser, eine Remise und ein Stallgebäude aus rotem Naturstein in Landhausarchitektur.

In diesem Gebäude für die Kutschen und Pferde wurde in den sechziger Jahren dann das SR-Fernsehen produziert.

Den Wasserturm und das Torhaus vollendet nach Opplers plötzlichem Tod dessen Schüler Ferdinand Schorbach (1846 – 1912). Letzterer zeichnet auch für die 1881/82 errichtete neoromanische Kirche verantwortlich. In dem zwischen Halberg und Hüttengelände gelegenen privaten Sakralbau werden Gottesdienste sowohl für die Familie Stumm als auch für die protestantische Belegschaft abgehalten.

Anknüpfend an die Fürstenzeit lässt Carl Ferdinand Stumm, auch den Landschaftspark mit seiner üppigen und vielfältigen Vegetation (neben Rotbuchen, Douglas- und Helmlocktannen, diversen Thuja-, Eiben- und Zypressenarten hat sich auch ein Mammutbaum erhalten) pflegen und kontinuierlich ausweiten. Die Planung hierfür übernimmt der renommierte Frankfurter Gartenarchitekt Heinrich Siesmayer (1817 – 1900). Die Hirschwiese macht ihrem Namen weiterhin Ehre und dient als Damwildpark. In der Folgezeit entstehen weitere, von den Stumms initiierte Bauten am Fuße des Halbergs. Das Krankenhaus und das Gemeindehaus sind wie auch die Kirche bis heute erhalten, wenngleich sie inzwischen anderweitig genutzt werden.

Der Halberg um 1900. Postkarte (Foto: SR)
Ansichtskarte mit Schloss, Stummscher Kirche und Hirschwiese (um 1900).

Carl Ferdinand Stumm ist einerseits ein für „seine“ Arbeiter und Angestellten in jeder Beziehung besorgter und sorgender Patriarch, andererseits ein mit fester Hand agierender, jegliche sozialistischen und gewerkschaftlichen Bewegungen bekämpfender Großindustrieller. Nicht von ungefähr erhält dieses ausgeklügelte „Unternehmensmodell“ später den Namen „System Stumm“. Der Freund Bismarcks versucht sich auch in der preußischen, nach der Reichsgründung auch in nationaler Politik. Den Ausdruck seiner Wertschätzung durch die Hohenzollern belegt Ende April 1892 der Besuch Kaiser Wilhelms II. auf dem Halberg und in Neunkirchen. Dessen Vater Friedrich III. hatte vier Jahre zuvor den „Stahlbaron“ zum (erblichen) Freiherrn von Stumm-Halberg ernannt. Als der mal zum „König“, mal zum „Scheich von Saarabien“ gekürte Großunternehmer 1901 einem Krebsleiden erliegt, ist die ganze Saarregion geschockt.

Der Halberg. Stummscher Friedhof. (Foto: Dieter Schmitt)
Der Stummsche Familienfriedhof heute.

In einer pompösen Zeremonie wird er auf einem eigens angelegten Privatfriedhof (Nordostseite des Halbergs) beigesetzt. Dort war schon sein 1876 im Alter von 13 Monaten verstorbener Sohn Carl beerdigt worden. Seine Frau Ida Charlotte Freifrau von Stumm-Halberg, geb. Böcking (1839 – 1918), führt die Geschicke der Familie weiter. Nach ihrem Tod entschwindet der Halberg für einige Jahrzehnte wieder der öffentlichen Aufmerksamkeit. Die Schlossanlage ist nur noch selten bewohnt, soll sogar in den Jahren 1936/1937 abgerissen werden und einem Wohngebiet weichen.

Im Juli 1939 veräußern die Stumm-Erben schließlich den attraktiven Hügel an die Reichsrundfunkgesellschaft. Ab 1937 wurden zuvor schon an seiner Südseite 18 Westwall-Bunker angelegt, die allerdings während des 2. Weltkrieges ungenutzt und somit bedeutungslos bleiben sollten. Gleichwohl wurde auch der Halberg – mal wieder – Schauplatz kriegerischer Handlungen. Zwischen 1943 und 1945 dient das Schloss als eine Kommandostelle der Flugabwehr.

Der Halberg. Französischer Beutepanzer (Foto: SR)
Französische Beutepanzer nach dem Frankreich-Feldzug vor Schloss Halberg (1940).

Nach Kriegsende wurden die Bunker nicht gesprengt, sondern nur übererdet bzw. unzugänglich gemacht. Ein Bunker ist noch intakt.

In der französischen Besatzungs- bzw. Autonomiephase nach Kriegsende wird dem Stummschen Schloss eine administrative Funktion zuteil: Ab 1946 residiert hier der Militärgouverneur Gilbert Grandval, der ab 1948 zum Hohen Kommissar ernannt wurde. Er und seine Frau mögen den „teutonischen“ Stil der Neogotik nicht – folglich wird das Schloss „zurechtgestutzt“, etliche Türme und Türmchen müssen weichen. Auch das Innere wird massiv „geschliffen“ und umgestaltet. Nur ein kleiner Raum im Erdgeschoss mit dem charakteristischen Kreuzrippengewölbe bleibt teilweise erhalten –  er dient heute als Damentoilette!

Der Halberg. Luftbildaufnahme (Foto: SR)
Halberg und Stummsches Schloss; im Hintergrund der noch unbebaute Eschberg (Aufnahme ca. 1930).

Nach dem Wegzug Grandvals (inzwischen zum französischen Botschafter „aufgestiegen“) in die Innenstadt übernimmt 1952 die Zollverwaltung die Räumlichkeiten. Die „Wartburg“, die Radio Saarbrücken in der Innenstadt als Funkhaus gedient hatte, platzt derweil aus den Nähten. Die Geschäftsleitung des 1957 gegründeten Saarländischen Rundfunks erinnert sich des Halbergs und der Tatsache, dass er ja schon 1939 als Standort des Funkhauses vorgesehen war. 1959 erhält der SR vom Land die Genehmigung, auf dem Halberg-Plateau neue Sendergebäude zu errichten. Stall und Remise mit dem nicht mehr genutzten Wasserturm aus Stummscher Zeit werden erst zum provisorischen Gebäude für das entstehende SR-Fernsehen und müssen dann 1968/69 einem Konferenzgebäude weichen.

Im Jahr 1990 entwurzelt ein Orkan etliche Bäume und fördert Reste von Steinplatten zu Tage. Ein Jahr später nutzt man die Situation für  archäologische Grabungen. Seither ist bekannt, wo das frühere Lustschloss „Monplaisir“ einmal stand – nämlich zwischen dem jetzigen Schlossgebäude und dem Hörfunk-Bau, mit der Vorderseite zum Saartal hin ausgerichtet.

Aufgrund seiner in der Region unvergleichlichen (kultur-)historischen Bedeutung bleibt der Halberg ein beliebtes Ausflugs- und Besichtigungsziel – und außerdem bei vielen Saarländern Synonym für „unseren Sender an der Saar“. Im Frühjahr 2017 wird, anlässlich des 60. Jubiläums des Saarländischen Rundfunks, ein ca. 3,5 km langer Rund(wander)weg „Historischer Halberg“ eingerichtet und mit 19 Info-Stelen ausgestattet.

Der Halberg. Rundweg-Führung. (Foto:  Pasquale D'Angiolillo/SR)
Eine Wanderung durch die Halberg-Geschichte: Der Rundweg Historischer Halberg.


[1]     zit. Nach: Kähne, Kohle, Kußverwandtschaft. Ein Saarbrücker Lesebuch / Hrsg.: Klaus Behringer, Marcella Berger, Fred Oberhauser. Saarbrücken 1998, S. 7.

[2]     Schindler, Reinhard: Die Mithrashöhle von Saarbrücken. Saarbrücken 1964. S. 3.

[3]     Schröter, Friedrich: Ueber die römischen Niederlassungen und die Römerstraßen in den Saargegenden, zweite Abtheilung, Saarbrücken 1852. S. 147.

[4]     Knigge, Adolph: Ausgewählte Werke in zehn Bänden. Bd. 4: Reisen, Literatur. Hannover 1992. S. 19.

[5]     Geschichte der vereinigten Sachsen und Preußen, während des Feldzuges 1793 zwischen dem Rheine und der Saar in Form eines Tagebuchs von einem Augenzeugen. Dresden; Leipzig 1795. S. 32.

[6]     zit. Nach : Heinrich von Nassau-Saarbrücken. Das Testament des letzten Regenten von Nassau-Saarbrücken ist erfüllt / Hans Stiff u. a. Saarbrücken 1977. S. 30.


Redaktion für den Arbeitskreis SR-Geschichte: Axel Buchholz; Gestaltung/Layout: Eva Röder; Illustrationen: Roland Schmitt, Magdalena Hell

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