La Radio Sarroise à Paris (Foto: Norbert Carius privat / SR)

La Radio Sarroise à Paris

Norbert Carius: Der erste eigene SR-Korrespondent in Frankreich

  03.01.2023 | 09:40 Uhr

Der SR hatte stets Korrespondenten in Paris. Er setzte damit fort, was sein Vorgängersender Radio Saarbrücken in einem erst französisch besetzten und dann von Frankreich dominierten Saarland begonnen und gepflegt hatte. Teilweise waren es sogar mehrere Korrespondenten nebeneinander für die unterschiedlichen Themenbereiche. Den ersten eigenen Frankreich-Korrespondenten mit eigenem Büro bekam der SR mit Norbert Carius allerdings erst ab 1996. Eine Kooperation mit anderen ARD-Sendern bei der Berichterstattung und die Nutzung kostensparender und damals neuer Technik machten es möglich.

Von Norbert Carius

Frühjahr 1995. Ich war seit gut drei Jahren Korrespondent des Saarländischen Rundfunks in Bonn, als mich der damalige Hörfunkchef Hans-Harro Schmidt in sein Büro einbestellte. Ob ich mir zutrauen würde, den Korrespondentenplatz in Paris zu übernehmen, wollte er wissen. Aber klar doch!

Eine tiefgreifende Änderung der südwestdeutschen Rundfunklandschaft stand bevor: Die Politik hatte die Fusion von Südwestfunk (SWF) und Süddeutschem Rundfunk (SDR) zum SWR beschlossen. Der Frankreich-Korrespondent des SDR, Klaus Huwe, hatte gleichzeitig auch für den SR gearbeitet. Er hatte runde 40 Jahre in Paris gearbeitet und schon 1963 über die Unterzeichnung des Elysée-Vertrags durch Adenauer und de Gaulle berichtet. Nun aber würde sich Klaus Huwe Ende des Jahres in den Ruhestand verabschieden. Deshalb hatte die SDR-Geschäftsführung beschlossen, das eigene Büro zu schließen und sich vom SWF mit versorgen zu lassen. Die kleinen Sender Saarländischer Rundfunk, Sender Freies Berlin, Ostdeutscher Rundfunk Brandenburg (seit 2003 sind beide zusammen der Rundfunk Berlin-Brandenburg, rbb) und Radio Bremen waren somit „heimatlos“.

Klaus Huwe, langjähriger Frankreich-Korrespondent für den SDR (Foto: SR)
Klaus Huwe, langjähriger Frankreich-Korrespondent für den SDR

In dieser Situation hatte SR-Intendant Manfred Buchwald zusammen mit Hans-Harro Schmidt die Idee, die Frankreich-Kompetenz des SR zu stärken und in Paris ein eigenes Korrespondenten-Büro zu eröffnen. Dass dabei die Wahl auf mich fiel, hatte ich meinen vorherigen Frankreich-Aktivitäten zu verdanken. An der Pariser Journalistenschule CFPJ hatte ich einen Drei-Monats-Kurs absolviert. Aus Frankreich hatte ich häufig als Reporter berichtet, unter anderem für die „Französische Woche“, die es damals alljährlich im SR-Programm gab. Darin wurde jeweils eine französische Region ausführlich vorgestellt. Schließlich war ich über Jahre der Leiter von Radioseminaren für junge Leute in Montpellier und Saarbrücken gewesen, die in Zusammenarbeit mit dem Deutsch-französischen Jugendwerk stattfanden. Auch das Büro in Paris kannte ich von etlichen Produktionen, die ich dort aufgenommen hatte.

Hörfunkchef Hans-Harro Schmidt, Intendant Manfred Buchwald und Fernsehdirektor Werner Zimmer (Foto: Reiner Oettinger)
Hörfunkchef Hans-Harro Schmidt, Intendant Manfred Buchwald und Fernsehdirektor Werner Zimmer

Mein Auftrag lautete, das Studio in Paris komplett neu aufzubauen. Erste Frage: Übernehmen wir die Räume des SDR, der Untermieter beim WDR unweit der Champs Elysées war? Ich entschied mich bald dagegen: Zwei kleine Büroräume (für den Korrespondenten und die Sekretärin) und eine Besenkammer mit Mikrofon und Tonbandgerät entsprachen nicht meinen Vorstellungen eines modernen „Alleinkämpfer“-Arbeitsplatzes. Eine Sekretärin würde ich nicht haben, stattdessen Platz brauchen für mehr Technik. Und die (wenn ich es recht erinnere) gut 6.000,- Mark Monatsmiete beim WDR waren damals selbst für Pariser Verhältnisse exorbitant.

Also suchte ich eine andere Lösung. Vom London-Korrespondenten des Deutschlandfunks (und früheren SR-Kollegen Burkhard Birke) wusste ich von den Vorteilen des Wohnens und Arbeitens unter einem Dach. Man war stets erreichbar und sofort einsatzfähig. Das Archiv (das noch aus Zeitungsausschnitten bestand) und die Agenturen standen rund um die Uhr zur Verfügung. Schließlich gab es damals noch kein Internet oder Wikipedia, und ein ISDN-Sendeanschluss kostete ein Vermögen. Fündig wurde ich im Pariser Vorort Villeneuve-la-Garenne: ein Haus mit geräumigem Rez-de-jardin für Büro und Studio – direkt am Seine-Ufer und mit guter Verkehrsanbindung ins centre ville.

Das Studio Paris im Pariser Vorort Villeneuve-la-Garenne (Foto: SR)
Das Studio Paris im Pariser Vorort Villeneuve-la-Garenne

Norbert Carius mit Klaus Huwe im Pariser Studio (1997) (Foto: Norbert Carius privat / SR)
Norbert Carius mit Klaus Huwe im Pariser Studio (1997)

Revolutionär war damals die Technik, die der SR seinem ersten Auslandsstudio verpasste. Produziert wurde am PC mit dem gerade marktreifen DIGAS-Schnittprogramm. Bandmaschine und Kassettenrecorder dienten nur noch als Zuspielgeräte. Französische afp-Agenturmeldungen kamen per Satellitenantenne und Computer ins Haus. Auch deutsches und französisches Fernsehen wurden via Satellit empfangen und konnten direkt mitgeschnitten werden. Der SR hatte in Paris das erste digitale Auslandsstudio der ARD.

Dass der Korrespondent aufgrund der Einheit von Wohnung und Büro praktisch rund um die Uhr verfügbar war, sprach sich in den Redaktionen schnell herum. Bei dramatischen Ereignissen war ich meist der Erste, der etwas senden konnte: Wenn mich früh morgens ein Anruf vom Aktuellen Dienst des SR oder vom SFB-Inforadio aus dem Bett scheuchte, brauchte ich 30 Sekunden bis zum Schreibtisch, auf dem auch das Mikrofon für die Live-Gespräche stand. Der Agentur-Computer lief sowieso, Radio France Info und der TV-Nachrichtensender LCI wurden automatisch aufgezeichnet und lieferten Infos und O-Töne frei Haus.

Und aktuelle Themen gab es genug: Auch damals erschütterte ein Attentat Paris: eine Bombe im RER, dem Netz der Regionalbahnen. Die Täter wurden nie gefunden. Es gab Regierungskrisen, Flugzeugabstürze, Bauerndemos und LKW-Streiks. Ich (der ich immer gesagt hatte, ich mache alles außer Kirche, Kunst und Sport) berichtete über den Papstbesuch, die große Picasso-Ausstellung und die Fußball-Weltmeisterschaft. Das spektakulärste Ereignis allerdings habe ich verpasst: Als Lady Di in einem Pariser Straßentunnel zu Tode kam, war ich auf Korsika – da musste meine Vertreterin rund um die Uhr ran.

Der Alltag des Paris-Korrespondenten sah in der Regel so aus: morgens zwischen 6 und 8 Uhr im Studio für Live-Gespräche mit den Frühsendungen, danach Frühstück (und Spaziergang mit dem Hund), ab 10 Uhr wieder am Schreibtisch, um die Beiträge für die Mittags- und Nachmittags-Magazine zu produzieren. Das war dann so gegen 17 Uhr erledigt, und es war Zeit für ein bisschen Pariser Leben, bevor ich am Abend nochmal ins Studio runter ging, um mir die Fernsehnachrichten anzusehen und die Kurzbeiträge für den nächsten Morgen zu schreiben. An eine tarifliche Arbeitszeit von 38,5 Stunden war dabei natürlich überhaupt nicht zu denken. Als ich Jahre später vorübergehend auf den Halberg ins Saarbrücker Funkhaus zurückkehrte, wollte mir mein Programmdirektor ein Arbeitszeit-Konto einrichten, um seinen umtriebigen Mitarbeiter Carius besser kontrollieren zu können. Ich habe ihm dann vorgerechnet, dass ich die nächsten zwei Jahre gar nicht kommen könne, weil ich erst meine Überstunden abfeiern müsse – er hat das Vorhaben ganz schnell beerdigt.

Carius am „Place de la Concorde“ (im Hintergrund der Obelisk von Luxor) (Foto: Norbert Carius privat / SR)
Carius am „Place de la Concorde“ (im Hintergrund der Obelisk von Luxor)

Was habe ich in meiner Korrespondentenzeit von Paris gesehen, was ist mir in Erinnerung geblieben? Vor allem das Alltägliche: Café au lait und tartine (Baguette mit Butter) im Café an der Ecke, der marché in meinem Vorort, Spaziergänge am Seineufer und im Parc des Buttes Chaumont, shoppen im Samaritaine (dessen wunderbare Aussichtsterrasse leider seit Jahren geschlossen ist), die unzähligen kleinen Restaurants, in denen selbst vietnamesische Gerichte so viel leckerer schmecken als zu Hause in Deutschland. Und eine Pressereise zu einem Raketenstart in Kourou im französischen Übersee-Département Französisch-Guayana, der dann wegen eines technischen Defekts verschoben werden musste. Stattdessen konnten wir im Startturm rumkrabbeln und alles genau ansehen. Die touristischen Hotspots von Paris besucht man als résident eher selten, auf dem Eiffelturm war ich nur zwei Mal, einmal mit Gästen, ein weiteres Mal zu Dreharbeiten für einen Fernsehfilm.

Vor dem Café an der Ecke (Foto: Norbert Carius privat / SR)
Vor dem Café an der Ecke

Das Studio war ab der Gründung ein Gruppenplatz. Zunächst SR, SFB, ORB, RB, später kam wohl zeitweise der HR dazu. Der turnusmäßige Wechsel zwischen den Sendern war von vornherein geplant.

Drei Jahre habe ich aus Frankreich berichtet und in dieser Zeit geschätzte tausend Beiträge nach Saarbrücken überspielt – von der Nachrichtenminute bis zum 60-Minuten-Feature. Dann bot mir SR-Intendant Fritz Raff eine neue Herausforderung an: Er schickte mich 1998 als Fernsehkorrespondent ins neue ARD-Hauptstadtstudio nach Berlin, wo ich dann – mit kurzer Pause – 18 Jahre bleiben sollte.

Im Pariser Studio waren meine Nachfolgerinnen Barbara Schulte von Radio Bremen und Angela Ullrich vom RBB, dann war wieder der SR an der Reihe mit Anne Christine Heckmann. Das Studio wurde in dieser Zeit ins Pariser „Maison de la Sarre“ verlegt, zog dann nochmal um und landete schließlich wieder beim WDR in der Rue du Colisée, wo es schließlich im ARD-Hörfunkstudio Paris aufging.

Redaktion für den Arbeitskreis SR-Geschichte: Axel Buchholz; Eva Röder (Gestaltung/Layout); Burkhard Döring/Magdalena Hell (Illustrationen und Recherche); Sven Müller (Fernseh-Archiv SR: Videos/Standbilder).

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