Adolf Raskin (Foto: Fritz Mittelstaedt)

Adolf Raskin: Der erste Radio-Intendant an der Saar war Nazi

 

Die offizielle Geburtsstunde des Reichssenders Saarbrücken stand Anfang Dezember 1935 ganz im Zeichen des Hakenkreuzes. Die Nationalsozialisten zelebrierten den Festakt in der Saarbrücker „Wartburg“ noch im Rausch des für sie triumphalen Saarreferendums. Am 13. Januar hatten 90,73 Prozent für „Heim ins Reich“ votiert.

Dieser Erfolg für Hitler-Deutschland ging zu einem wesentlichen Teil auf die Abstimmungspropaganda im Radio zurück. Organisiert hatte sie Dr. Adolf Raskin als Leiter des Westdeutschen Gemeinschaftsdienstes (WDG). Danach wurde er der erste Intendant des neuen Reichssenders Saarbrücken.

Von Axel Buchholz

Als „Saarkampfzentrale des Deutschen Rundfunks“ hatte Joseph Goebbels, der Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda, Anfang 1934 den WDG gegründet. Er sollte die bisherigen Saar-Sendungen aller Reichssender zentral steuern. Von nun an entschied der WDG über die Abstimmungspropaganda vor allem (aber nicht nur) in den Reichssendern Frankfurt, Stuttgart und München (Nebenstelle Kaiserslautern). Diese drei waren an der Saar zu hören. Einen eigenen Rundfunk hatte dort der Völkerbund nicht erlaubt.

Adolf Hitler (Foto: K. Bartz)
Adolf Hitler hört am Radio das Ergebnis der Saarabstimmung.
Joseph Goebbels (Foto: SR)
Joseph Goebbels bei einer Rede in der Saarbrücker „Wartburg“.
Josef Bürckel. (Foto: Sammlung Landesarchiv)
Josef Bürckel.

Dr. Adolf Raskin als Leiter des WDG konnte bestimmen, welche Saar-Programme wann und wo gesendet werden mussten. Unterstellt war er nur Reichspropaganda-Minister Goebbels und dem NS-Gauleiter in der Pfalz, Josef Bürckel. Der war zugleich Beauftragter der NSDAP im Saarland (ab Anfang 1933) und Saarbevollmächtigter der Reichsregierung (ab 7. August 1934).

Beim „Saarkampf“ im Äther, auch gegen die „feindlichen“ Sender in Straßburg und Luxemburg, hatte sich der Rundfunk aus Goebbels Sicht als wirkungsvolles Propagandainstrument erwiesen. Nach der Rückgliederung sollte er sich nun in dem politisch wichtigen neuen Teil des „Reiches“ an der Grenze zu Frankreich bewähren.

Dennoch war nicht selbstverständlich, dass Saarbrücken jetzt einen vollwertigen eigenen Sender bekommen würde. Vorgesehen war zuerst nur ein schwacher Gleichwellen-Sender an der Saar, der neben wenigen selbst produzierten Sendungen hauptsächlich die Programme aus Frankfurt, Stuttgart und München übernehmen sollte. Erst nach einer Eingabe Bürckels mit der Vision eines „Grenzland-Großsenders Saarbrücken“ wurde von Adolf Hitler persönlich die „Errichtung eines Sendebetriebs mit eigenem Funkhaus … angeordnet“ [1].

Bürckel war nach dem Referendum zum Parteichef des neuen Gaues Saarpfalz und zum Reichskommissar für die Rückgliederung des Saarlandes aufgestiegen. Bei Adolf Hitler verfügte er über großen Rückhalt. [2]

Neben Goebbels wurde Bürckel der zweite nationalsozialistische „Ziehvater“ des Senders an der Saar: Goebbels als Verantwortlicher für den gesamten Reichsrundfunk, Bürckel als regionaler NS-Machthaber.

Als erster Intendant des neuen Reichssenders Saarbrücken erschien beiden der Musikwissenschaftler Dr. Adolf Raskin (geb. 17. November 1900, tödlich verunglückt am 8. November 1940) prädestiniert. Sie kannten und schätzten ihn als bewährten Leiter des Westdeutschen Gemeinschaftsdienstes. Im „Saarkampf“ über die Rundfunkwellen hatte er große organisatorische Fähigkeiten und viel Propaganda-Talent unter Beweis gestellt.

Adolf Raskin. (Foto: Deutsches Rundfunkmuseum)
Adolf Raskin.

Seine Radiokarriere hatte der geborene Kölner 1933 als Leiter der Abteilung Musik beim „Reichssender Köln“ begonnen. Das Saargebiet war Raskin bereits aus seiner Zeit als Lehrling bei der Saarbrücker Röchlingbank (ab 1923) und danach als Musikkritiker und Feuilleton-Redakteur der Saarbrücker Zeitung (bis 1929) vertraut. [3]

Mit dem drei Jahre älteren Goebbels verband Raskin möglicherweise auch eine zum Teil gemeinsame Schulzeit am Gymnasium in Rheydt (bei Köln). [4] Zudem hatte sich Reichssendeleiter Hadamovsky bei Goebbels für Raskin (laut dessen Aussage) als Saarbrücker Intendant stark gemacht. Dennoch war sich der Propagandaminister offenbar bis zum letzten Augenblick bei seiner Personalentscheidung nicht ganz sicher. Das jedenfalls berichtet Willi Schäferdieck. Er war als Literaturredakteur beim Reichssender Köln ein ehemaliger Kollege von Raskin und seit dessen Zeit als Feuilleton-Redakteur bei der Saarbrücker Zeitung mit ihm befreundet. Am Tag der Sendereinweihung und Amtseinführung von Raskin habe Goebbels diesen „zweimal … als Intendanten ein- und wieder abgesetzt“ ehe er sich schließlich endgültig entschied. Das, so Schäferdiek, habe ihm Raskin selbst „nicht ohne verschmitzt-ironisches Lächeln“ erzählt. Das Personal des Senders sei ziemlich verstört gewesen.

Grund für Goebbels Schwanken war laut Schäferdieck eine Denunziation des Kulturwarts des Gaues Saarpfalz [5], eines Konkurrenten um den Intendantenposten. Der habe Goebbels darüber informiert, dass Raskin in seiner Zeit als Zeitungs-Musikkritiker über eine Opernaufführung des Komponisten Ernst Krenek „hochbegeistert“ berichtet. [6] Krenek wurde später von den Nazis als „kulturbolschewistisch“ und Jude verboten.

Karl Mages. (Foto: Fritz Mittelstaedt)
Karl Mages.

Jedenfalls aber war Raskin der Goebbels-Mann an der Spitze des Senders. Karl Mages (geb. am 12. Februar 1905 in Lambsheim/Pfalz, ebenfalls Parteimitglied und Bürckel-Vertrauter) wurde sein Stellvertreter und Sendeleiter.

Der Reichssender Saarbrücken war der erste, den die Nationalsozialisten gründeten – und ganz nach ihren Vorstellungen aufbauten. Es entstand also ein neuer gleichgeschalteter Sender im nationalsozialistischen Reichsrundfunk. An seinem Propaganda-Auftrag gibt es keinen Zweifel. Schon seit 1933 hatte Goebbels die Zuständigkeit „für alle Aufgaben der geistigen Einwirkung auf die Nation“ [7] in Rundfunk und Presse. So verstand denn auch Intendant Raskin den Rundfunk generell als „Instrument der nationalsozialistischen Staatsführung“. Speziell habe der Saarbrücker Sender die Aufgabe der „kultur-politische(n) Erschließung des Gaues Pfalz-Saar“. Seine „besondere außenpolitische Bedeutung“ liege darin, „auch jenseits der Westgrenze Verständnis zu wecken für das, was das neue Deutschland will“ [8].

Der Reichssender Saarbrücken übernahm Programme aus Frankfurt, Stuttgart und München. Zum Vergrößern der Programmfahne von der 2. Woche 1935 bitte anklicken.
Beitrag von Adolf Raskin in der Zeitung "NS-Funk", 1936. Zum Vergrößern bitte anklicken.
Brief von Adolf Raskin an Oskar Wöhrle. Zum Vergrößern bitte anklicken. Zum besseren Verständnis siehe weiter unten.

Als massenattraktive Verpackung für all die nationalsozialistische Propaganda diente die volkstümliche „Entspannung und Unterhaltung“, auf die im Programm laut Goebbels „besonderer Bedacht“ gelegt werden müsse. [9] So wurde denn auch jeder Unterhaltungsmitarbeiter für den Rundfunk als dem „allerwichtigste(n) Massenbeeinflussungsmittel“ instrumentalisiert – unabhängig davon, welche persönlichen Motive der Einzelne auch immer gehabt haben mag. Manch einer wird es möglicherweise gar nicht durchschaut haben, andere werden es vielleicht in Kauf genommen und wieder andere begeistert unterstützt haben.

Der Intendant Dr. Adolf Raskin wird bislang in den Publikationen des Saarländischen Rundfunks entweder kaum oder als „nicht dem Prototyp“ des linientreuen Nationalsozialisten entsprechend“ [10] charakterisiert. Auch wird ihm zu Gute gehalten, dass seine „markige(n) Töne“ (im Stil der nationalsozialistischen Propaganda) „vielleicht auch davon ablenken sollten, dass er zuvor als „Salonbolschewik“ bei den Machthabern in Mißkredit geraten war“. [11]

Jedenfalls war Raskin schon 1926 ausgesprochen „national“ eingestellt. Damals schrieb er von der „großen deutschen Volksgemeinschaft“, „wahrer deutscher Kulturpflege“ und pries die Begriffe „Deutschtum“ und „Deutschsein“ sowie den „deutschen Kampf um einen Platz an der Sonne“. Diese Raskin-Zitate stammen aus seinem Aufsatz „Vom Musik- und Theaterleben Saarbrückens“ im Saarkalender für das Jahr 1926.

Dank der gründlichen Recherchen der WDR-Rundfunkhistorikerin Dr. Birgit Bernard wissen wir inzwischen mehr noch über Raskins politische Entwicklung. In seiner Zeit als Kulturredakteur und Musikkritiker für die Rheinisch-Westfälische Zeitung in Essen profilierte er sich noch nazi-untypisch als Parteigänger der „Modernen“. Er begeisterte sich auch für Künstler, die später von den Nazis als „kulturbolschewistisch“ geächtet wurden. Später als mächtiger Nazi-Propagandist hielt er weiterhin Kontakt zu ihnen. Anfang der 30er Jahre begann Raskin dann, auch für die Essener Nationalzeitung zu schreiben, also für die regionale Parteizeitung der NSDAP. Parteimitglied wurde er aber erst kurz bevor er 1933 (dem Jahr der sogenannten Machtergreifung der Nazis) auf Empfehlung der NSDAP-Gauleitung Essen gleich als Abteilungsleiter Musik beim „Reichssender Köln“ begann.

Das war der Beginn der steilen Karriere des ausgewiesenen Radiofachmanns Raskin im Dienst der Nationalsozialisten. Nach nur etwa zwei Jahren als Intendant des Reichssenders Saarbrücken wurde er ab 1937 Kommissar des Intendanten der Reichsrundfunkgesellschaft (RGG) in Berlin für das damals ganz neue Medium Fernsehen. Nach dem „Anschluss“ Österreichs 1938 ans „Deutsche Reich“ war er zuerst Sonderbeauftragter und dann kurz Intendant beim Reichssender Wien. Zurück in Berlin, leitete Raskin in der RGG auch die politisch wichtige tagesaktuelle Berichterstattung des „Zeitfunks“. Den Höhepunkt seiner Karriere erreichte er 1940 mit der Berufung zum kommissarischen Intendanten des Kurzwellensenders (des Vorgängers der Deutschen Welle). Zugleich war er Leiter der Auslandsabteilung der RGG. Damit unterstanden ihm ebenfalls die Geheimsender zur psychologischen Kriegsführung. Sie arbeiteten hemmungslos mit Lug und Trug – das aber so erfolgreich, dass Raskin von Goebbels für „ein Meisterwerk an Zersetzungspropaganda“ gelobt wurde.

Entsprechend fielen auch die Nachrufe auf Raskin aus, der am 8. November 1940 beim Absturz einer Lufthansa-Maschine ums Leben kam. Goebbels betrauerte den Tod seines „fähigsten Auslandspropagandisten“. RGG-Intendant Glasmeier bescheinigte ihm „geniale Arbeit“ mit den Mikrofonen als „seine(r) Waffe“ im Dienste des Vaterlands. Posthum bekam er auf Anweisung Hitlers das Verdienstkreuz erster Klasse.

Birgit Bernard. (Foto: Armin Korn)
Birgit Bernard.

Die Rundfunkhistorikerin Birgit Bernard beschreibt Raskin als einen Mann mit „deutlichem Karrierebewusstsein“, aber auch als „eine nach eigenem Spielraum strebende Persönlichkeit“. Diesen „Freiraum“ habe er „nach durchaus eigenen Vorstellungen“ [12] gestaltet.

Der promovierte Musikwissenschaftler und Journalist Raskin war wohl tatsächlich zu intellektuell, gebildet und kunstsinnig, um ein „in der Wolle gefärbter“ Schaftstiefel-Nazi zu sein. Ganz bestimmt aber war er ein willfähriger Karrierist im Propagandadienst für das verbrecherische System der Nationalsozialisten geworden – und nicht nur ein bloßer Opportunist. Es ist kaum vorstellbar, dass jemand in seiner Position nicht von alldem Unmenschlichen gewusst haben könnte, was er mir seinem Tun unterstützte.


Zum besseren Verständnis des Briefes von Adolf Raskin an Oskar Wöhrle

Der Brief zeigt, wofür sich Adolf Raskin engagierte. Als er ihn am 12. Dezember 1939 an den elsässischen Schriftsteller Oskar Wöhrle schrieb, war er Zeitfunkleiter beim Reichsrundfunk in Berlin. Raskin bereitete aber offenbar schon seine nächste Tätigkeit vor. Etwa zwei Monate später wurde er interimistischer Leiter des deutschen Kurzwellensenders. Damit war er auch zuständig für die Auslandspropaganda und die deutschen Geheimsender.
Bei einem von Raskin geplanten deutschen Geheimsender für Frankreich wollte Wöhrle mitarbeiten. Der Sender sollte sich als inner-französischer Oppositionssender ausgeben. Die „Tendenz“ für eine Mitarbeit umriss Raskin u.a. so:  „gegen die Juden, gegen die Engländer … für die Wiederherstellung eines rassisch unbedrohten Elsass …“ Und auch „gegen die derzeitige (französische) Regierung, gegen den Krieg“. Das war zu diesem Zeitpunkt ein „Sitzkrieg“ oder ein „seltsamer Krieg“ (Drôle de guerre).
Als Reaktion auf den deutschen Einmarsch in Polen am 1. September 1939 hatten Frankreich und England Deutschland den Krieg erklärt. Nach zwei begrenzten wechselseitigen Militäraktionen herrschte tatsächlich aber Waffenruhe. Möglicherweise war das der Grund dafür, dass Raskins Geheimsender-Plan „im Augenblick“ als „zu heikel“ erschien „und noch nicht freigegeben wurde“.
Der Schriftsteller Oskar Wöhrle (*26. 1. 1890/St. Louis, † 31. 1. 1946/Glottertal im Schwarzwald) hatte ein bewegtes Leben zwischen Deutschland und Frankreich geführt. Zeitweise war er Eigentümer von als „links“ und „liberal“ angesehenen Verlagen. Im Rahmen der Bücherverbrennung wurde sein Buch „Querschläger“ am 10. Mai 1933 von den Nazis verbrannt. Wöhrle flüchtete nach Prag, kehrte aber nach Deutschland zurück und kooperierte dann, wie auch der Brief belegt, mit den Nationalsozialisten gegen Frankreich.   


[1] Muskalla, Dieter, NS-Politik an der Saar unter Josef Bürckel, Saarbrücken 1995, S. 587

[2] Paul, Gerhard, Josef Bürckel – der rote Gauleiter, in Schmelser, Ronald, Syring, Enrico, Zitelman, Rainer (Hrsg.), Die braune Elite II, S. 52

[3] Lebenslauf von Adolf Raskin nach einem Vortrag der Rundfunkhistorikerin Dr. Birgit Bernard am 17.11.2009 im Deutschen Zeitungsmuseum/Wadgassen auf Einladung des „Arbeitskreises SR-Geschichte“ des Saarländischen Rundfunks.

[4] Siehe Anmerkung 1, S. 592. Dort schreibt Dieter Muskalla von einem „Freundschaftsverhältnis“ zwischen Goebbels und Raskin, ohne dies allerding im Einzelnen zu belegen.

[5] Das war Kurt Kölsch, Lehrer und Pfälzer Mundartdichter.

[6] Schäferdiek, Willi, Lebensecho, Düsseldorf 1985, S. 109 f. 

[7] Verordnung von Reichskanzler Adolf Hitler „über die Aufgaben des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda“ vom 30. Juni 1933, abgedruckt in Diller, Ansgar, Rundfunkpolitik im Dritten Reich, Bd. 2 der Reihe Rundfunk in Deutschland, hgg. von Hans Bausch, dtv, S. 89. 

[8] Raskin, Adolf, Reichssender Saarbrücken, in (Presse-)“Mitteilungen der Reichs-Rundfunk-Gesellschaft“ Nr. 480 vom 14.10.1935.

[9} Goebbels in seiner Rede anlässlich der Eröffnung der Funkausstellung 1936.

[10] Bünte, Hans, in „Geschichte und Geschichten des Senders an der Saar. 50 Jahre Saarländischer Rundfunk“, Herder 2007, S. 30.

[11] Bünte, Hans, in „Unser Sender an der Saar. 50 Jahre Rundfunk an der Saar“, Saarländischer Rundfunk 1985, S. 22 ohne weitere Präzisierung des „Misskredits“.

[12] Bernard, Birgit, „Exemplarische Studie: Nachdenken über Adolf R.“, in Behmer, Markus, Bernard, Birgit, Hasselbring, Bettina (Hrsg.) „Das Gedächtnis des Rundfunks: Die Archive der öffentlich-rechtlichen Sender und ihre Bedeutung für die Forschung“, S. 335

Redaktion für den Arbeitskreis SR-Geschichte: Axel Buchholz (ab); Eva Röder (Gestaltung/Layout), Roland Schmitt (Fotos)

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