Corinna Gepner  (Foto: Cristina Campodonico)

Der Eugen-Helmlé-Übersetzerpreis 2020 geht an Corinna Gepner

  07.09.2020 | 05:00 Uhr

Der mit 10.000 Euro dotierte Eugen-Helmlé-Übersetzerpreis der Stiftung des Verbandes der Metall- und Elektroindustrie des Saarlandes (Stiftung ME Saar), der Stadt Sulzbach und des Saarländischen Rundfunks würdigt das Andenken des bedeutenden Sulzbacher Übersetzers und Autors. Im Jahr 2020 geht er an die französische Übersetzerin Corinna Gepner.

„Man übersetzt mit seiner ganzen Geschichte, der individuellen und der kollektiven, mit all dem, was uns voranging und dem was uns umgibt,“ schreibt Corinna Gepner in ihrem Buch „Traduire ou perdre pied“ (etwa: „Übersetzen oder den Boden unter den Füßen verlieren“), das die Jury in seiner schonungslosen Auseinandersetzung mit ihrer Arbeit und ihrem Leben beeindruckt hat.

Für die promovierte Germanistin ist die Tätigkeit des Übersetzens ein tiefes inneres Bedürfnis, quasi etwas Überlebensnotwendiges. In kurzen Aperçus stellt sie ihre bewegende Familiengeschichte der Arbeit an und mit den Sprachen gegenüber, verwebt die Migrationsgeschichte ihrer Großeltern, die aus Osteuropa nach Frankreich kamen, mit der Notwendigkeit, zu übersetzen, „um nicht den Boden unter den Füßen zu verlieren“. Eine existenzielle Herangehensweise, die ihre übertragenen Texte prägt.

Musikalität der Sprache überzeugt

Sie werfen die Fesseln der ursprünglichen Linguistik, des Erzählstils ab, ohne das Original anzufechten: Der fremde Text bleibt immer „die Realität des anderen“, der man sich anzunähern versucht, zu der man aber stets eine Distanz bewahrt. In diesem Niemandsland zwischen Kreation und Re-Kreation wird Corinna Gepner Autorin.

Ihre Übertragungen dienen somit dem literarischen Werk in seiner Ausgangs- und in seiner Zielsprache, besonders gelungen zum Beispiel in ihren Übersetzungen der Romane von Katharina Hagena. Das hat die Jury ebenso überzeugt wie die Musikalität ihrer Sprache und die konsequente Suche nach dem Rhythmus, der für Corinna Gepner, die auch Musikerin war, eine wichtige Rolle spielt.

Die Preisträgerin

Corinna Gepner, geboren 1963 in Paris, widmet sich seit über 20 Jahren der literarischen Übersetzung aus dem Deutschen, mitunter aus dem Englischen, ins Französische. Zuvor hat sie unter anderem französische Literatur an der Université Paris III unterrichtet und zehn Jahre lang regelmäßig eine Radiosendung über deutschsprachige Literatur moderiert.

Inzwischen umfassen ihre Übersetzungen über sechzig Titel aus dem Deutschen ins Französische, darunter Werke von Klassikern wie Klaus Mann, Erich Kästner oder Stefan Zweig und aktuelle Literatur etwa von Christian Kracht oder Katharina Hagena.

Bis 2020 war sie Präsidentin der „Association des traducteurs littéraires de France“ und unterrichtet literarisches Übersetzen an der  École de traduction littéraire und an verschiedenen Universitäten. Sie hat die Reihe Contrebande in den Éditions de la Contre-Allée mitbegründet, die Übersetzerinnen und Übersetzern eine Stimme gibt. 2019 erschien dort ihr Buch „Traduire ou perdre pied“.

Übersetzer*innen fördern Verstehen und Verständnis

„Sprache reflektiert Lebenswirklichkeit“, sagte der Intendant des Saarländischen Rundfunks, Professor Thomas Kleist. „Übersetzerinnen und Übersetzer tragen mit ihrer tagtäglichen Arbeit dazu bei, gegenseitiges Verstehen und Verständnis zu fördern und sind daher für unsere Gesellschaft besonders wertvoll. Wie auch die Medien sind sie Vermittler von Wissen und Kultur. Nicht weit von der Landesgrenze entfernt, erfüllt auch der Saarländische Rundfunk seinen Integrationsauftrag in der Großregion SaarLorLux. Grenzüberschreitende Themen und Aktivitäten liegen uns sehr am Herzen. Daher beteiligt sich der SR immer wieder gerne am Eugen-Helmlé-Übersetzerpreis.“

Übersetzen als Brücke, die Grenzen überwindet

Oswald Bubel, Vorstandsvorsitzender der Stiftung ME Saar: „Die Verbindung zu unseren französischen Nachbarn – auch auf kultureller Ebene – liegt der Stiftung ME Saar sehr am Herzen. Der Saarländer Eugen Helmlé hat als Übersetzer beispielhaft Brücken ins Nachbarland gebaut. Deshalb engagieren wir uns seit 16 Jahren beim Eugen-Helmlé-Übersetzerpreis. Wir freuen uns besonders, dass mit Corinna Gepner eine Übersetzerin und Literaturwissenschaftlerin geehrt wird, die neben moderner Literatur wie Büchern von Katharina Hagena auch allgemein weniger bekannte klassische Werke wie Erich Kästners „Fabian“ und Ernst Haffners „Blutsbrüder“ ins Französische übersetzt hat, die sich mit dem Deutschland der 30er Jahre auseinandersetzen.

In ihrem Buch „Traduire ou perdre pied“ beschreibt sie außerdem eindrücklich die Herausforderung, die das Übertragen eines Buchs in eine andere Sprache mit sich bringt.  Sie zeigt, dass Übersetzen die Verknüpfung eigenen Erlebens, eigener Geschichte mit der Erlebniswelt des übersetzten Autors ist - und damit eine Brücke, die Grenzen überwindet.“

Glückwünsche vom Sulzbacher Bürgermeister

Der Bürgermeister der Stadt Sulzbach, Michael Adam, betont: „Eugen Helmlé war jahrzehntelang ein unermüdlicher Vermittler von französischsprachiger Literatur  in den deutschen Sprachraum. Mit seiner Arbeit hat er wichtige Impulse gesetzt zur kulturellen Annäherung unserer beiden Länder. Mit dem Eugen-Helmlé-Übersetzerpreis wird die Bedeutung des Lebenswerkes von Eugen Helmlé noch stärker ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt. Der neuen Preisträgerin Corinna Gepner gratuliere ich ganz herzlich.“

Jurorinnen und bisherige Preisträger

Die Jurorinnen des Eugen-Helmlé-Übersetzerpreises 2020 waren die Berliner Journalistin Susanne von Schenck, die Literaturbeauftragte der Direction Régionale des Affaires Culturelles (DRAC) der Region Grand Est in Metz, Colette Gravier, und Tilla Fuchs, Literaturredakteurin beim Saarländischen Rundfunk.

Die bisherigen Preisträger waren Tobias Scheffel (2005), Claude Riehl (2006), Andrea Spingler (2007), Nicole Bary (2008), Lis Künzli (2009), Olivier LeLay (2010), Holger Fock und Sabine Müller (2011), Alain Lance und Renate Lance-Otterbein (2012), Jürgen Ritte (2013), Cécile Wajsbrot (2014), Hinrich Schmidt-Henkel (2015), Anne Weber (2016), Simon Werle (2017), Olivier Mannoni (2018) und Sonja Finck (2019)

Verleihung erst 2021

Eine Verleihung findet in diesem Jahr coronabedingt leider nicht statt. Geplant ist, Corinna Gepner gemeinsam mit der Preisträgerin, dem Preisträger 2021 einzuladen. Am Montag, 7. September, 9.04 Uhr, widmet sich auch das "ZeitZeichen" auf SR2 KulturRadio dem Eugen-Helmlé Übersetzerpreis, der 2005 erstmals vergeben wurde.

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