Marlies Krämer - die sanfte Rebellin
Marlies Krämer ist eine außergewöhnliche Persönlichkeit. Seit Jahrzehnten legt sich die Seniorin mit Banken und Behörden an, die auf ihren Dokumenten und Vordrucken nur männliche Formen wie "Kunde" oder "Inhaber" kennen. Denn die Benachteiligung von Frauen fängt für Marlies Krämer mit der Sprache an.
Sendung: Sonntag 27.03.2022 23.05 Uhr
Mediathek: bereits verfügbar (bis 27.03.2023)
Dass Marlies Krämer eine außergewöhnliche Persönlichkeit ist, bestätigen ihre Freunde und Freundinnen genauso wie die Leute, die schon mal Streit mit ihr hatten. Denn die freundliche Seniorin aus Sulzbach kann eine enorme Beharrlichkeit an den Tag legen, wenn sie etwas als falsch oder unfair empfindet. Vor allem bei Fragen der sozialen Gerechtigkeit und der Gleichberechtigung von Frauen ist die Rentnerin eine im Ton sanfte, aber in der Sache unerbittliche Streiterin.
Benachteiligung fängt mit der Sprache an
Seit Jahrzehnten legt sie sich deshalb mit Banken und Behörden an, die auf ihren Dokumenten und Vordrucken nur männliche Formen wie "Kunde" oder "Inhaber" kennen. Denn die Benachteiligung von Frauen fängt für Marlies Krämer mit der Sprache an. Sie ist vor höchste Gerichte gezogen, war Gast in großen TV-Sendungen, hat Siege errungen und Niederlagen kassiert, Ehrungen erhalten und Anfeindungen ertragen. Und trotz vieler gesundheitlicher Probleme hat sie auch mit Mitte 80 noch mehr jugendliches Feuer in den Augen, als viele Teenager und Teenagerinnen.
Dabei war ihr Leben anders vorgezeichnet. 1937 geboren, war ihr der Weg zum Abitur schon aus familiären Gründen verwehrt. Es folgte eine Lehre als Verkäuferin und die Familiengründung mit Anfang 20. Als ihr Mann 1972 starb, wurde sie mit nur 35 Jahren Witwe und musste ihre vier Kinder allein durchbringen. Gleichzeitig begann eine Metamorphose. Statt zu resignieren, entwickelte sie eine enorme Energie und engagierte sich neben Beruf und Familie zunehmend auch gesellschaftspolitisch.
Marlies Krämer im SR-Podcast – jetzt anhören:
Sie fand in Günther Meyer einen neuen Partner, mit dem sie über Jahrzehnte "ein Paar wie Blitz und Donner" bildete, wie ein Journalist es später auf den Punkt brachte. Beide waren politisch stark engagiert, zunächst gemeinsam in der SPD, dann wechselte sie in der Schröder-Ära zur Linken. Schon in den 1990er Jahren machte Marlies Krämer bundesweit Schlagzeilen, als sie vor Gericht zog, weil in ihrem Reisepass nur die Formulierung "Inhaber" vorgegeben war. 1996 wurde das tatsächlich geändert.
Kampf gegen das generische Maskulinum
Bald darauf startete sie einen erfolgreichen Feldzug gegen die Meteorologen und Meteorologinnen, die bis dato grundsätzlich nur weibliche Namen für Tiefdruckgebiete benutzt hatten. Nur mit ihrer Klage gegen die Sparkassen, die ausschließlich das generische Maskulinum für "Kontoinhaber" oder "Empfänger" benutzen, hat sie bislang noch nicht gewonnen. Aber auch dort geht der Kampf weiter. Denn sie will als Kundin angesprochen werden, nicht als Kunde.
Der deutsch-kolumbianische Autor Camilo Berstecher-Barrero hat die sanfte Rebellin Marlies Krämer und ihren Lebensweg in einem Kino- und Festivalfilm porträtiert. Wer steckt hinter dieser starken Frau? Warum kämpft sie in ihrem Alter immer noch gegen so mächtige Institutionen? Und woher nimmt sie ihre Kraft?