Blick vom Perler Hammelsberg ins Moseltal (Foto: Christian Repplinger)

Kaffeebohnen in Damenstrümpfen

Unterwegs auf den Schmugglerpfaden am Perler Hammelsberg

  27.07.2015 | 12:10 Uhr

Schokolade und Kaffeebohnen muss man zum Glück heute nicht mehr über die Grenzen schmuggeln. Wer aber dennoch einmal wie ein Schmuggler über den Perler Hammelsberg wandern möchte, kann dies auf dem Schmugglerpfad tun.

Geschmuggelt wird, seit es Grenzen gibt. Und was sich heute in Europa durch die quasi nicht mehr vorhanden Grenzen kaum mehr jemand vorstellen kann, war über Jahrhunderte ein fester Bestandteil der Lebenswirklichkeit vieler Menschen. Ganz besonders derjenigen, die in einem sogenannten Dreiländereck beheimatet waren. Wie eben die Leute in Perl und Umgebung. Geschmuggelt wurde hier so ziemlich alles. Lebensmittel, Tabak, Gebrauchsgüter jeglicher Art. Und sehr beliebt: Schokolade aus belgischer Produktion. War halt billiger als auf der deutschen Seite.

Hörfunkbeitrag: Unterwegs auf den Schmugglerpfaden am Perler Hammelsberg

Der "Kuapen Klees" - kundiger Schmuggel-Führer zu jeder Jahreszeit (Foto: Gemeindeverwaltung Perl, Tourismus und Kulturförderung Martin Deubel)

Der "Kuapen Klees" kennt den Weg

An diese Zeiten erinnert die Gemeinde Perl nun mit ihren Wanderungen auf den alten Schmugglerpfaden, die längst zu Spazierwegen geworden sind. Die Führung übernimmt dabei der „Kuapen Klees“, einer, der früher als Schmuggler viel über die Höhen des Hammelsbergs unterwegs war. Langer schwarzer, etwas abgetragener Mantel, Hut, tief in die Stirn gezogen, Aktentasche. Treffpunkt ist der kleine Wanderparkplatz am Ende der Straße „Zum Hammelsberg“ in Perl.

Und hier schon gleich der erste Grenzstein, auf der einen Seite ein "D", auf der anderen ein "F" für Frankreich. Zu Luxemburg hin gibt es naturgegeben keine Grenzsteine. Die Mosel, und zwar ihre Mitte, war die Grenze. Deshalb stand das längst abgerissene Luxemburger Zollhäuschen eben genau auf der Mitte der Schengener Brücke.

Zölle beflügelten den Schmuggel

Geschmuggelt wurde in der Gegend eigentlich immer, besonders aber als die Beamten Napoleons auf die glorreiche Idee kamen, auf alles Mögliche Zölle zu erheben. Die wollte natürlich keiner zahlen und so blühte der Schmuggel erst so richtig auf. Und natürlich dachten auch die Preußen, die auf den Kaiser der Franzosen folgten, gar nicht daran, an dieser Praxis etwas zu ändern.

Felderwirtschaft - grenzenlos

Aber im Dreiländereck war es nicht leicht, den Warenverkehr zu kontrollieren. Vor allem die Bauern, die Felder oder Weinberge in Luxemburg und Deutschland hatten, besaßen gute Möglichkeiten, die Dinge, die sie nicht verzollen wollten, also alle, unter der Ernte auf ihren hochbeladenen Fuhrwerken zu verstecken.

Viele Ankedoten über die Blütezeit des Schmuggels

Die zweite legendäre Blütezeit des Schmuggels war dann nach dem Zweiten Weltkrieg. Jetzt waren es sehr oft Bestecke, Möbel und Ähnliches, was illegal über die Grenze gebracht wurden. Diese Dinge waren im damals mehr oder weniger autonomen Saarland unverschämt teuer. Viele Anekdoten hat der „Kuapen Klees“ auf Lager. In Mundart erzählt, aber doch so, dass auch des Moselfränkischen Nicht-Mächtige den Inhalt mitbekommen. Zur Not wird übersetzt.

So gab es Leute, die ihre Schuhe in Luxemburg eingekauft haben und extra damit durch die damals noch nicht zur Großschifffahrtsstraße ausgebaute Mosel wateten, damit sie schon mal einige Gebrauchsspuren abbekamen.

Oder die Männer, die in Thionville (vormals Diedenhofen) im Stahlwerk arbeiteten. Die wurden natürlich in Francs bezahlt. Diese schmuggelten sie dann, meist in den Schuhen versteckt, nach Hause. Denn Francs mussten im Saarland versteuert werden.

Schön auch die Geschichte der alten Frau, die Luxemburger Kaffeebohnen in ihre Strümpfe eingenäht hatte. Auf dem Heimweg verlor sie aber die eine oder andere Bohne. Ein junges Mädchen machte sie darauf aufmerksam. Antwort: Die brauche ich dann wenigstens nicht mehr zu verzollen!

Schmugglerpfade sind sind keine Flanierwege

Die Schmugglerpfade erfordern schon eine gewisse Kondition. Teilweise geht es doch recht steil den Hammelsberg hinauf. Entschädigt wird der Wanderer dafür mit einem unvergleichlichen Blick auf Schengen und Sierck-les-Bains. Störend allerdings die vier Kühltürme des Atomkraftwerks von Cattenom.  

Eine kleine Belohnung für die Mühen des Aufstiegs gibt es bei der Zwischenrast dann in flüssiger Form. Für die Herren Hundsärsch (aus Mispeln). Für die Damen ein Sahnelikörchen. Beides natürlich aus heimischer Produktion.

Michael Lentes


Kontakt:

Gemeinde Perl
Trierer Straße 28
66706 Perl
Tel.: (06867) 66-0
Fax: (06867) 66-100
E-Mail: info@perl-mosel.de
www.perl-mosel.de

Öffnungszeiten/Führungen:

Termine für 2015: 03.07., 02.08., 28.08., 11.09., 16.10.
Die Führungen starten jeweils um 17.00 Uhr am Wanderparkplatz.
Die Strecke beträgt circa 1,5 – 2 km.
Die Führung dauert circa 1,5 – 2 Stunden.

Eintritt:

Der Eintritt beträgt 6 €/Person.
Eine Anmeldung ist erforderlich. Maximale Gruppengröße: 30 Teilnehmer.
Tickets können online bestellt werden unter www.tickets-regional.de, an allen Ticket Regional Vorverkaufsstellen und unter der Tickethotline (0651) 97 90 77.

Tipp:

Festes Schuhwerk und strapazierfähige Kleidung werden empfohlen.

Anfahrt:

Über die A 8 Ausfahrt Perl. Am ehe- maligen deutschen Zollhaus (Euro-Grill) links in Richtung Dorfmitte. An der Quirinuskapelle rechts ab (Triererstraße), am Weingut Herber vorbei, halblinks in die Straße „Am Hammelsberg“ abbiegen. Der Parkplatz ist ausgeschildert.



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