Der "Docteur" mit dem markanten Schnauzbart (Foto: Jochen Marmit)

Elsässischer Tropenarzt

Auf den Spuren von Albert Schweitzer in Kaysersberg und Gunsbach

 

(05.08.2013) „Urwalddoktor, Tropenarzt“ – das dürfte wohl seine bekannteste Rolle gewesen sein. Und tatsächlich, Albert Schweitzer ist vor allem durch seine Arbeit in Afrika weltweit berühmt geworden. Dabei war er mehr als nur ein engagierter Mediziner.

Der "Docteur" mit dem markanten Schnauzbart (Foto: Jochen Marmit)
Der "Docteur" mit dem markanten Schnauzbart

Albert Schweitzer war Musiker und Bach-Experte, Theologe, Philosoph, Handwerker und Friedensnobelpreisträger. Als er jedoch vor 100 Jahren, am 16. April 1913, mit seiner Frau Helene in Gabun ankommt, wird die Grundlage zu all diesem gelegt. Am Fluss Ogooué beginnen sie mit dem Bau eines Tropenhospitals nahe der Stadt Lambaréné. Das Hospital gibt es bis heute, es gilt als eines der besten Zentralafrikas. Wer war dieser Albert Schweitzer, woher kam er und wie lebte er? Das kann man sich gleich an zwei Orten bei Colmar ansehen, denn: Albert Schweitzer war Elsässer.

Maison du Docteur Albert Schweitzer (Foto: Jochen Marmit)
Maison du Docteur Albert Schweitzer

Geburtshaus und Musée in Kaysersberg

Beginnen wir in dem kleinen, beschaulichen, aber natürlich auch längst von den Touristen aus aller Welt entdeckten elsässischen Städtchen namens Kaysersberg. Nordwestlich von Colmar ein wenig versteckt im Tal der Weiß an der elsässischen Weinstraße gelegen, erblickte hier Albert Schweitzer am 14. Januar 1875 das Licht der Welt. Sohn des örtlichen Pfarrers (in Anstellung) Ludwig und seiner Frau Adele Schweitzer. Kaysersberg gehörte damals zum deutschen Reichsland Elsass-Lothringen. Viel Zeit hat er nicht in Kaysersberg verbracht, schon im Geburtsjahr zog die Familie nach Gunsbach (Günsbach) um, weil der Vater dort eine Anstellung im Pfarrhaus fand. Albert Schweitzers Muttersprache war Elsässisch, aber auch Französisch wurde in der Familie gesprochen. Hochdeutsch lernte er in der Schule.

Das Geburtshaus in Kaysersberg steht gleich zu Beginn der Fußgängerzone. Es ist das grüne Haus, Fachwerk in der ersten Etage, zwei Fenster und ein Tor zum Hinterhof auf der Vorderseite. Erkennbar auf dem Dach: der kleine schieferverkleidete Glockenturm – es war gleichzeitig die protestantische Kirche, wo Familie Schweitzer wohnte. Rechts daneben das Musée du Docteur Albert Schweitzer. Wer hier eintritt, begibt sich in eine Art Gedenkstätte für den berühmten Sohn der Stadt. Zwei große Räume im Erdgeschoss, der hintere liegt bereits im Geburtshaus. Der erste Raum ist fast komplett mit Fotografien an den Wänden gestaltet. Beginnend mit der Zeit von 1913, als Schweitzer und seine Frau Helene zum ersten Mal nach Gabun reisten, um dort ihren Traum von einem Urwaldhospital zu verwirklichen. Die Schwarz-Weiß Aufnahmen zeigen die ersten Bauarbeiten, die am Fluss Ogooué in Lambaréné stattfanden: Holzhütten mit Palmdach, darin praktiziert Albert Schweitzer mit seinem kleinen Team. Es gibt viele Aufnahmen, die ihn als Konstrukteur zeigen – er war promovierter Mediziner, weltweit geschätzter Musiker, Philosoph, aber eben auch tatkräftiger elsässischer Handwerker. Auffällig auch die Gegensätze der stets weiß gekleideten Europäer und der schwarzen Patienten, oftmals Kinder. Und der Mann mit dem kräftigen weißen Schnauzbart ist natürlich der Urwalddoktor Albert Schweitzer. In einer Vitrine gibt es Fotos und Schriftstücke aus seiner Familie, darunter auch sein Testament an die einzige Tochter Rhéna. Er übergibt ihr das Hospital 1965, kurz vor seinem Tod, kurz nach seinem 90. Geburtstag.

Auf den Spuren von Albert Schweitzer in Kaysersberg und Gunsbach (Foto: Jochen Marmit)

Im zweiten Zimmer ist eine kleine afrikanische Sammlung untergebracht. Sie stammt von Freunden und Bekannten Schweitzers. Es sind Kult- und Alltagsgegenstände aus Afrika, die mehr einen atmosphärischen Eindruck hinterlassen. Dieser zweite Raum liegt im Erdgeschoss des Geburtshauses, das sonst leider nicht weiter beäugt werden kann. Derzeit gibt es Pläne der Stadt Kaysersberg, das leerstehende Gebäude zu erwerben und komplett neu zu nutzen im Gedenken an Albert Schweitzer.

Insgesamt präsentiert sich die Ausstellung eher bescheiden, aber in Details auch anregend. Es kommen übrigens mehr ausländische als französische Besucher hierher, hin und wieder auch eine Delegation aus Lambaréné, der Stadt des Tropenhospitals in Gabun, mit der eine Partnerschaft besteht. Wer nun mehr wissen möchte, der sollte sich auf den Weg nach Gunsbach machen.

Albert Schweitzer Haus in Gunsbach

Das heutige Albert Schweitzer Haus wurde vom Namensgeber selbst erbaut – 1928. Das Geld dazu stammte vom Goethe-Preis der Stadt Frankfurt, den man ihm kurz zuvor verliehen hatte. Das Ehepaar Schweitzer konnte das Hospital in Gabun zwischen 1913 und 1917 aufbauen und betreuen, doch dann wurde das Elsass wieder Französisch, das deutsche Ehepaar wurde nach Europa zurückgeführt und in Südfrankreich interniert. 1919 wird Tochter Rhéna geboren. Bis 1927 reist Schweitzer mehrmals nach Lambaréné, dann geht er auf Vortrags- und Konzertreisen quer durch Europa, um Geld für den Neubau des Hospitals aufzutreiben. Längst ist Albert Schweitzer zum Philosophen in eigener Sache geworden. Er hat seine „Ehrfurcht vor dem Leben“ als Grundlage formuliert – und damit meint er alles Leben: Pflanzen, Tiere, Menschen.

Auf den Spuren von Albert Schweitzer in Kaysersberg und Gunsbach (Foto: Jochen Marmit)

Damit sein Hospital in Gabun die nötige Unterstützung und Ausrüstung an Mensch und Material bekommt, entschließt er sich, in Gunsbach eine Art europäische Basis einzurichten. Von hier wird die Arbeit koordiniert, hier ist die Anlaufstelle auch für alle Spenden – denn was der Herr Docteur auch immer baute – es war aus Spendengeldern finanziert. So baute er das Haus in der rue de Munster Nummer 8. Das Haus ist gut an seinem äußeren Bewuchs zu erkennen. Gleich im ersten Zimmer rechts ist die Zeit stehengeblieben. Hier wurde das Schlaf- und Arbeitszimmer so belassen, wie es Albert Schweitzer bei seinem letzten Besuch 1959 zurückgelassen hat: Schreibtisch mit Unterlagen, ein eisernes Bett, Schrank, Waschbecken. Hinzugefügt wurde lediglich die Wiege, in der er selbst einmal gelegen hat. Auffällig auch die große Kopie eines afrikanischen Kopfes. Er gehörte früher zu einem Denkmal in Colmar. Nach seinen eigenen Worten ist Albert Schweitzer bereits als Knabe immer wieder dorthin gegangen, weil ihn der schwermütige Gesichtsausdruck des Afrikaners so faszinierte.

Im Durchgang zu den anderen Räumen hängen auch die Urkunde des Friedensnobelpreises aus dem Jahre 1952 und die Ehrenbürger-Dokumente verschiedener elsässischer Städte. Eindrucksvoll ist auch der Familienstammbaum. Gerne wird auf einen ganz besonderen Großcousin hingewiesen: der Existentialist Jean Paul Sartre. Eine Glasvitrine hat fünf Etagen und beschreibt die vielen Talente und Tätigkeiten Schweitzers: Schriftsteller, Musiker, Briefeschreiber (angeblich circa 70.000!), Mediziner, Architekt.

Albert Schweitzer war passionierter Musiker (Foto: Jochen Marmit)
Albert Schweitzer war passionierter Musiker

Dass der Schreibtisch so nah am Bett stand, verwundert nicht wirklich. Oft wachte Schweitzer in der Nacht auf und arbeitete ein paar Stunden, schlief dann wieder. Sein Koffer, sein Mantel, sein Hut, seine Orgel. Im Wohnraum steht sie, die original Tropenorgel, die extra für Lambaréné angefertigt, mit einem Kanu den Ogooué hinunter zum Hospital gebracht wurde und nach seinem Tod wieder in Gunsbach landete. Dazu sein erstes Harmonium, das er in Munster spielte, Zeugnisse aus seiner Schulzeit im Elsass, Briefe, Fotos, ein wenig Mobiliar. Man fühlt sich dem Phänomen Albert Schweitzer und seinem Werken etwas näher.

Auf einer Führung durch die Etage erfährt man auch viel über seine Frau Helene und deren schwieriges Leben – litt sie doch massiv unter dem tropisch-heißen Klima in Gabun, musste immer wieder zurück nach Europa. Auch dass sie Deutsche geblieben war im Gegensatz zu ihrem Mann, der nach 1918 Franzose wurde, macht die Lebensgeschichte der Familie noch einmal komplizierter. Natürlich gibt es auch jede Menge Informationen zum Hospital in Lambaréné damals und heute – der Dreh- und Angelpunkt des Wirkens von Albert Schweitzer. Ebenfalls deutlich wird: Es gab auch zahlreiche Helfer des Tropenarztes, die sich ganz der Mission Tropenhospital verschrieben hatten – so Emma Hausknecht, die das Albert Schweitzer Haus Zeit ihres Lebens betreute und organisierte.

Altes Pfarrhaus in Gunsbach (Foto: Jochen Marmit)
Altes Pfarrhaus in Gunsbach

Altes Pfarrhaus, Afrika-Museum und Albert Schweitzer Weg in Gunsbach

In der Ortsmitte steht das Alte Pfarrhaus (Ancien Presbytère, 3, rue du Docteur Albert Schweitzer). Hier wuchs Albert Schweitzer auf, nachdem sein Vater als Pfarrer von Kaysersberg hierher wechselte (1875 – 1925). Das Gebäude wird heute wie das Albert Schweitzer Haus von der AISL (Association Internationale Schweitzer Lambaréné) verwaltet, dient als Tagungsort, Begegnungszentrum und Unterkunft. Gästezimmer (DZ) sind ab 64,- Euro zu haben. Im Afrika-Museum ist die Sammlung afrikanischer Kunst und Alltagsgegenstände der Emma Hausknecht zu sehen. Untergebracht ist sie im alten Klassenzimmer in der Mairie. Hier ging Albert Schweitzer die ersten vier Jahre zur Schule.

Für ein wenig Frischluft und schöne Abwechslung sorgt der Albert-Schweitzer-Weg. Er beginnt am Alten Pfarrhaus und führt anhand von 16 Tafeln durch das Dorf und geht hinauf zum Denkmal auf der Kanzrain Anhöhe. Nach gut einer Dreiviertel-Stunde und einem Kilometer Wegstrecke ist dann das Albert-Schweitzer-Haus in der „rue du Munster“ erreicht.

Jochen Marmit


Kontakt


Musée Albert Schweitzer
126, rue du Général de Gaulle
F-68240 Kaysersberg

Tel: (00333) 89 47 36 55
Fax: (00333) 89 47 14 74

E-Mail: museeschweitzer.kaysersberg@orange.fr

Albert Schweitzer Museum und Archiv
8, route de Munster
F-68140 Gunsbach

Tel: (00333) 89 77 31 42
Fax: (00333) 89 77 31 42

www.schweitzer.org


Öffnungszeiten


Musée Albert Schweitzer (Kaysersberg):
März – November von 9.00 – 12.00 Uhr und 14.00 – 18.00 Uhr, Mi geschlossen;
Juli, August, September täglich geöffnet (bis 19.00 Uhr

Albert Schweitzer Museum und Archiv (Gunsbach):
Di – Sa 9.00 – 11.30 Uhr und 14.00 – 16.30 Uhr


Eintritt


Musée Albert Schweitzer (Kaysersberg):
Erwachsene 2,- €.

Albert Schweitzer Museum und Archiv (Gunsbach):
5,- € (6,- € inkl. Afrika-Museum), Führung dauert knapp 30 Minuten und ist ratsam; hier ist auch das Albert Schweitzer Archiv sowie ein sehr gut sortiertes An­gebot mit den Schriften und Büchern Schweitzers (in Deutsch).


Anfahrt


Von Saarbrücken aus A 4 nach Strasbourg, dann weiter auf der A 35 Richtung Colmar, kurz vor Colmar auf die D 4/D 28 Richtung Kaysersberg (circa 200 Kilometer). Von dort über Ammerschwihr und Ingersheim zur D 417 Richtung Munster, Abfahrt nach Gunsbach (rechts, circa 25 Kilometer). Im Ort sind Museum (Maison Musée) und Altes Pfarrhaus (Ancien Presbytère) ausgeschildert. Wer direkt nach Gunsbach möchte folgt der A 35 nach Colmar, dann Richtung Munster fahren.

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