Spielzeugmuseum Freinsheim  (Foto: Marion Groll)

Spielen wie vor 100 Jahren

Zu Besuch im Historischen Spielzeugmuseum Freinsheim

Simone Mir Haschemi  

Eisenbahnen und Autos, Bären, Puppen und Stofftiere, aber auch Brettspiele oder einen Mini-Puppenofen. Uwe Groll sammelt seit 20 Jahren historisches Spielzeug. Fast 2000 Stücke sind inzwischen zusammengekommen. Große und kleine Besucher können sie in seinem Spielzeugmuseum in Freinsheim besichtigen und bestaunen.

Alles begann vor zwanzig Jahren auf einem Flohmarkt in Wiesbaden, auf den Uwe Groll seine Frau unwillig begleitete. Er verliebte sich in eine zierliche, kleine Spielzeuglokomotive der Firma Bing. Sie ist weinrot, hat einen kleinen Anhänger und schmückt heute das Freinsheimer Spielzeugmuseum. „Damals wusste ich noch nicht, dass die Firma Bing aus Nürnberg einmal der größte Spielzeughersteller der Welt war“, erinnert sich Uwe Groll.

Spielzeugmuseum in Freinsheim  (Foto: Simone Mir Haschemi)

Zu der einen kleinen Lok gesellte sich bald noch viel mehr Blechspielzeug. Das Museum in einem verwinkelten Haus mitten in der malerischen Altstadt von Freinsheim scheint aus allen Nähten zu platzen. Von außen ahnt man nicht, was sich darin verbirgt – und innendrin reiht sich ein Raum an den nächsten, jeder einzelne bis in die letzte Ecke voll mit Eisenbahnen, Puppenküchen, kleinen Dampfmaschinen, Kindergrammophonen, rot leuchtenden Autos, Bügelspielen für Mädchen und unzähligen anderen Spielsachen. Vielem ist anzusehen, dass vor hundert Jahren Kinder damit gespielt haben müssen. Manches glänzt so strahlend, dass kaum vorstellbar ist, dass es schon ein ganzes Jahrhundert auf dem Buckel hat.

Es begann vor über 150 Jahren

Blechspielzeug ist Uwe Grolls Leidenschaft geworden: „Und seit wir die Familie Bing kennen und um das Schicksal der jüdischen Unternehmer in Nürnberg wissen, ist es auch ein Stück weit Aufgabe geworden.“

Die Geschichte des Museums beginnt also in gewisser Weise noch viel früher – vor über 150 Jahren. Da gründeten die Brüder Ignaz und Adolf Bing die Bing-Werke. Sie entwickelten sich vor rund 100 Jahren zu einem Konzern, der fast 6.000 Menschen allein im Spielzeugbereich beschäftigte: die größten Spielzeugwerke der Welt.

Die Spielwaren in Freinsheim stammen überwiegend aus der Hochphase des Nürnberger Spielzeugherstellers von 1890 bis 1932. Letzteres wurde zu einem schwierigen Jahr für das Unternehmen. Die Weltwirtschaftskrise machte dem Konzern zu schaffen, und bedingt auch durch das Aufkommen des Nationalsozialismus in Deutschland und damit verbundener Ressentiments gegen die jüdischen Bings musste die Firma letztlich die Spielzeugherstellung aufgeben.

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[SR 3, Simone Mir Haschemi, 11.08.2016, Länge: 3:00 Min.]
Audio: Spielen wie vor 100 Jahren
[SR 3, Simone Mir Haschemi, 11.08.2016, Länge: 3:00 Min.]

Größte Spielzeugwerke der Welt

Im Grunde genommen ist das Spielzeugmuseum in Freinsheim ein Bing-Museum, meint Uwe Groll. Nur leider sage dieser Firmenname heute kaum noch jemandem etwas, bedauert der Sammler. „Die Vorstellung, dass es vor 100 Jahren eine Firma gab, die weltweit die Spielwarengeschäfte beherrscht hat, vom Kartenspiel bis zur Dampfmaschine, das kann man heute fast nicht mehr glauben. Wir kalkulieren dieses Überraschungsmoment ein, dass die Besucher eigentlich erst am Ende feststellen, dass sie zu 99 Prozent Bing-Spielzeug gesehen haben.“

Die Firma Bing war auf Metallwaren spezialisiert und hat neben den Spielzeugen eine enorm große Haushaltswarenproduktion betrieben. Einen großen Teil des Spielzeugs im Museum machen entsprechend Schiffe, Eisenbahnen, Flugzeuge, Autos zum Selbstfahren (die Vorläufer der Bobbycars) aus. Die Spielzeug-Transportmittel sind handbetrieben, elektrisch, durch ein Uhrwerk oder auch durch Dampf angetrieben.

Spielzeugmuseum Freinsheim  (Foto: Marion Groll)

Vorführung beim Museumsfest

Einmal im Jahr zum großen Museumsfest holt Uwe Groll seine Schätze aus den Vitrinen und führt sie mit großem Schaueffekt im Von-Busch-Hof in Freinsheim dem staunenden Publikum vor. Außerdem setzt Uwe Groll für Besucher gern die Spielzeug-Eisenbahnanlage in Betrieb und demonstriert die Funktionsweise der klassischen Bing-Dampfmaschinen. Von so vielen Spielsachen beeindruckt können Kinder sich an einem Mal- und Basteltisch und mit einer Holzeisenbahn austoben. Der Großteil der historischen Schätze im Museum eignet sich allerdings eher zum Bestaunen als zum Ausprobieren.

Aber daneben hat die Firma Bing auch Spielzeug für Freunde von Plüschigerem auf den Markt gebracht: Bären, Puppen, Stofftiere. Auch Bing-Brettspiele und Scherenschnitte waren bei Kindern beliebt. Besonders wichtig ist Uwe Groll, dass die Spielsachen in der Regel nicht restauriert, sondern im Originalzustand ausgestellt sind – dass man erahnen kann, wie sie vor langer, langer Zeit durch Kinderhände gegangen sind. Uwe Groll hat sie alle im Laufe der letzten zwanzig Jahre gesammelt: Bis auf wenige Ausnahmen gehören ihm die Spielsachen in seinem Museum selbst.

Puppenküchen von 1800

Dabei ist das ausgestellte Spielzeug nicht nur ein Stück Kulturgeschichte, sondern erzählt auch viel über seine Zeit. Die Puppenküchen zum Beispiel: Um 1800 waren die Küchen besonders prunkvoll ausgestattet – in der wirklichen Welt wie auch in der der Puppen. Später machte sich eine größere Bescheidenheit breit. Und ab 1870 kam der klassische Küchenschrank in Mode, weil er für mehr Hygiene in der Küche sorgte – zu finden auch in den Puppenküchen in Freinsheim.

Ein winziger alter schwarzer Puppen-Kohleofen in einer Spielzeug-Küche im Museum ist nicht nur mit den passenden Töpfen ausgestattet, sondern auch das passende Seihsieb fehlt nicht. Miniatur-Krüge und Zuckerdosen sorgen für Heimeligkeit und eine Mausefalle auf dem Boden für Reinlichkeit in der Küche. Und das alles in einer Küche nicht größer als ein Schuhkarton, Jahrzehnte alt.

Spielzeugmuseum Freinsheim (Foto: Marion Groll)

Familien kommen oft zwei Mal

Bei historischem Spielzeug stellt sich die Frage, welche Besucher es eigentlich mehr fasziniert, die Erwachsenen oder die Kinder. Uwe Groll hat die Erfahrung gemacht, dass das „Dream-Team“ Opa oder Oma mit Enkel ist. „Junge Familien mit Kindern, das merken wir oft, kommen zwei Mal zu Besuch. Beim ersten Mal sind sie sehr überrascht, Eltern wie Kinder. Sie brauchen noch einen zweiten Anlauf, um mit dieser Fülle zurechtzukommen.“

Von den fast 2.000 historischen Spielsachen, die er in Freinsheim ausstellt – welches davon ist Uwe Groll das liebste? „Das erste Stück hat immer eine ganz besondere Bedeutung“, lacht der Sammler. Ohne die kleine Spielzeuglokomotive vom Flohmarkt gäbe es das Spielzeugmuseum in Freinsheim wohl nicht.

Simone Mir Haschemi


Auf einen Blick


Kontakt
Historisches Spielzeugmuseum Freinsheim
Marion und Uwe Groll
An der Bach 9
67 251 Freinsheim
Tel.: (0 63 53) 91 65 57
E-Mail: info@spielzeugmuseum-freinsheim.de
www.spielzeugmuseum-freinsheim.de

Öffnungszeiten
Mitte März bis Ende Oktober: täglich von 14.00 bis 18.00 Uhr
desweiteren: an den Wochenenden, an Feiertagen oder nach vorheriger Vereinbarung

Eintritt
Erwachsene: 3,50 Euro
Kinder ab 6 Jahren: 1,50 Euro
Gruppenangebote mit Führung und Verzehr

Anfahrt
Von Saarbrücken aus über die A 6 Richtung Mannheim, Ausfahrt Kirchheim abfahren auf die B 271 Richtung Bad Dürkheim, nach gut 3 Kilometern links abbiegen auf K 2 Richtung Dackenheim. Nach 3 Kilometern erreicht man Freinsheim, dort am Rande der Stadtmauer parken und in der Altstadt zu Fuß den Schildern Richtung Spielzeugmuseum folgen.

Tipps
Am 29. und 30. Oktober 2016 findet eine große Vorführung des Spielzeugs im Von-Busch-Hof in Freinsheim statt.
Marion Groll ist Pädagogin und bietet nach Absprache individuelle Führungen und Programme rund um das Museum an.



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