Nibelungenmuseum in Worms  (Foto: Lisa Huth)

Die Reichen und die Schönen

Und warum sie auch nicht glücklich werden

Lisa Huth  

Drachen, Tarnkappe, Unbesiegbarkeit und überhaupt das Leben der Nibelungen sorgen noch heute für Faszination. In Worms, wo große Teile der spannenden Geschichten spielen, kann man jetzt in diese faszinierende Welt regelrecht eintauchen: Beim Besuch im Nibelungenmuseum.

So war das schon immer. Während die Armen in Elendshütten leben und das nicht viel besser gestellte „einfache Volk“ in dicht gedrängten Häusern, Fenster Mangelware, engen Gassen, in die jeder seine Notdurft und Exkremente kippte, während also die normalen Menschen mit der Unbill des täglichen Lebens kämpfen mussten, saßen die Reichen und Schönen in ihren Kemenaten und Ahnensälen, vergnügten sich beim Jagen, kümmerten sich um Mode oder gingen auf Auslandsreisen. Daneben gaben sie sich den diversen Spielarten der Liebe hin, wobei Arroganz, Intrigen, Gier, Rache, Neid und Missgunst die „da oben“ genau wie heute immer wieder ins Straucheln brachten.

 Nibelungenmuseum in Worms  (Foto: Stefan Blume)

Das Drehbuch für mittelalterliche Filme wurde schon vor rund 800 Jahren geschrieben: Die Nibelungen sind sozusagen eine komplette Fortsetzungsserie Reich und Schön.

Unbesiegbarkeit und Tarnkappe

Nach dem Motto: „der Held bekommt immer das Mädchen“, erlegt Siegfried erst den Drachen, bekommt als Dreingabe noch die Unbesiegbarkeit (alter Menschheitstraum), klaut dem König der Zwerge und Elfen dessen Tarnkappe (unsichtbar sein können, auch ein alter Menschheitstraum) und kommt so auch noch an einen gewaltigen Schatz.

Das weiß auch jeder seit Menschengedenken: Reich wird man nicht durch seiner Hände redliche Arbeit. Und dann heiratet Siegfried die –  natürlich – schöne und edle Kriemhild aus Burgund. Vorher noch muss er Kriemhilds Bruder Gunther helfen: Der möchte die wilde Brünhild aus Island ehelichen. Die will aber nur einen, der wirklich, wirklich stärker ist als sie. Hier kommt jetzt die Tarnkappe ins Spiel, die eigentlich ein Tarnmantel ist: Gunther besiegt Brünhild mithilfe des unsichtbaren Siegfried.

Feiger Mord und Rache

Da Frauen damals noch nicht selber Astronautin oder gar Bundeskanzlerin werden konnten, definierten sie sich meist über den Stand ihrer Männer. Und so streiten Kriemhild und Brünhild darüber, welcher Gatte der wichtigere sei. Kriemhild verrät Siegfrieds Tarnmantel-Geheimnis, worauf Brünhild tief gedemütigt auf Rache sinnt. Jetzt: Auftritt Hagen. Das ist der, auf den die Nibelungentreue zurück geht: Hagen von Tronje ist Gunthers wichtigster Mann. Weil er Gunther so treu und ergeben ist, will er seine Herrin rächen. Er bekommt Siegfrieds Geheimnis raus: Unbesiegbar bis auf die Stelle, auf die das Lindenblatt beim Bad im Drachenblut gesegelt ist. Der feige Mord: Auf der Jagd, als Siegfried sich zum Trinken über eine Quelle beugt, stößt Hagen ihm den Speer zwischen den Schultern hindurch mitten ins Herz. Es folgt: Kriemhilds Rache, am Ende sind alle tot und Siegfrieds Schatz wird in den Rhein gekippt.

Denen geht’s auch nicht besser, werden die in ihren Elendshütten geseufzt haben, als sie davon hörten. Und werden froh gewesen sein, denn immerhin waren sie noch am Leben.

Mediathek

[SR 3, Lisa Huth, 02.08.2016, Länge: 3:08 Min.]
Audio: Tour de Kultur: Nibelungenmuseum Worms
[SR 3, Lisa Huth, 02.08.2016, Länge: 3:08 Min.]

Rheingold wird nahe Worms vermutet

Große Teile dieser Geschichte spielten in Worms, auch das Rheingold wurde von Hagen – so vermuteten Tausende von Schatzsuchern in den vergangen Jahrhunderten – wohl südlich von Worms im Rhein versenkt, weswegen sich in Worms auch das Nibelungenmuseum befindet.

Dieses ist stilecht in einem Teil der mittelalterlichen Stadtmauer untergebracht, links und rechts flankiert von zwei Wehrtürmen aus dem 12. Jahrhundert. In die Bögen der Stadtmauer fügen sich moderne Stahlkonstruktionen ein, quasi der moderne Vorbau der mittelalterlichen Geschichte. Das Museum ist eine deutsch-französische Koproduktion des Medienkünstlers Olivier Auber und des Architekten Bernd Hoge. Führungen gibt es auf Deutsch, Französisch und auch auf Englisch.

 Nibelungenmuseum in Worms  (Foto: Stefan Blume)

Das, was den Spannungsbogen der Nibelungensage ausmacht, zieht sich durch die Mythen der Menschheitsgeschichte, und so gibt es im Keller ein über eine Wendeltreppe zu erreichendes Mythenlabor, früher mal „der Schatzraum“ genannt. Dort können große und kleine Kinder mittels eines interaktiven Spiels und Touchscreens in die mittelalterliche Welt eintauchen und sich mit den normalen und höfischen Leuten darüber unterhalten, wie das damals wohl alles so abgelaufen ist.

Sehturm und Hörturm

In den Türmen können die Besucher die Nibelungen sinnlich nachvollziehen: im Sehturm (links) und im Hörturm (rechts). Im Sehturm erleben die Besucherinnen und Besucher, wie die Nibelungensage entstand und sich zu der Geschichte der Deutschen entwickelt hat, im Hörturm dürfen sie sich etwa das Original auf einem stilisierten Thron anhören, mit Übersetzung, trotzdem ist es eine Zeitreise durch die Jahrhunderte.

Im luftigen Gang der Stadtmauer sieht man durch die Öffnungen auf die Stadt Worms. Stiche und Bilder zeigen den Blick auf Worms, wie es sich den Wachen auf der Stadtmauer vor 800 Jahren darbot, eben jene engen Straßen und Gassen, in denen die Normalsterblichen mit den Unbill des Lebens zurechtkommen mussten.

 Nibelungenmuseum in Worms  (Foto: Lisa Huth)

Soap aus dem Mittelalter

Kinder von heute übrigens erwecken Stadtmauer und Museum regelmäßig in voller Montur zum mittelalterlichen Leben, begeben sich auf die Suche nach dem Nibelungenschatz oder schlüpfen in die Haut von Fredegunde, Kriemhilds Kammerzofe. Unter anderem gibt es auch einen Workshop, der die Fragen klärt: Wer trifft wen, wer betrügt wen, wer hat welchen Händel miteinander und vor allem: warum? Anders gesagt: Die Kinder lernen eine Soap aus dem Mittelalter kennen. Man könnte sie auch nennen: Die Reichen und die Schönen – warum sie auch nicht glücklich werden …

Lisa Huth


Auf einen Blick


Kontakt
Nibelungenmuseum Worms
Fischerpförtchen 10
67 547 Worms
Tel. (0 62 41) 8 53 41 20
Fax (0 62 41) 8 53 41 29
E-Mail: nibelungenmuseum@worms.de

Öffnungszeiten
Dienstag bis Freitag von 10.00 - 17.00 Uhr
Samstag, Sontnag und Feiertag von 10.00 - 18.00 Uhr
Montag geschlossen

Eintritt
Kinder und Jugendliche: 3,50 Euro
Erwachsene: 5,50 Euro
Familien 13 Euro
ermäßigt 4,50 Euro

Gruppe Erwachsene (ab 10 Personen) 4,50 Euro
Gruppe Senioren (ab 10 Personen) 3,50 Euro
Gruppe Studenten (ab 10 Personen) 3,50 Euro
Gruppe Kinder und Jugendliche (ab 10 Personen) 2,50 Euro

Anfahrt
Vom Saarland aus auf der A 6 bis Frankenthal, dann auf die A 61 Richtung Koblenz, nach nicht ganz zehn Kilometern kommt die Ausfahrt 58 nach Worms.



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