Zwillinge  (Foto: Imago/Mis)

Das besondere Band der Zwillinge

Janine Arendt   10.04.2018 | 11:40 Uhr

Geschwister begleiten uns ein Leben lang. Auch Zwillinge führen ein gemeinsames Leben - und doch ist ihre Beziehung irgendwie anders. Zum Tag der Geschwister ein Gespräch mit Psychologieprofessor Frank Spinath von der Universität des Saarlandes über eine ganz besondere Verbindung.

Für viele scheint klar zu sein, dass Geschwisterkinder früher ein Sozialverhalten erlernen können und damit einen Vorteil gegenüber Einzelkindern haben. „Intuitiv scheint das so“, sagt Frank Spinath, Professor für differentielle Psychologie und psychologische Diagnostik an der Universität des Saarlandes. Tatsächlich aber forme weniger der Geschwisterstatus als solcher die Persönlichkeit. Viel eher hänge mit der eigenen Persönlichkeit des Geschwisterkindes zusammen, wie es sich sozial verhält.

Immer mehr Zwillingsgeburten

Dass mehr Zwillinge geboren werden hat zwei Gründe:

  • Frauen werden immer später Mütter: Je älter eine Frau, desto höher die Wahrscheinlichkeit, Zwillinge zu gebären.

  • Behandlungsmöglichkeiten: Durch künstliche Befruchtung kommen vermehrt Zwillinge auf die Welt.

Eine spezielle Geschwisterbeziehung stellt aber das Leben als oder mit einem Zwilling dar. In seiner Forschung führt Spinath bereits seit über 20 Jahren Gespräche mit Zwillingen und weiß deshalb: „Die meisten empfinden das Zwillingsdasein als etwas Besonderes und empfinden es meistens als etwas Gutes.“ Das liege vor allem bei eineiigen Zwillingen an der Vertrautheit zwischen den beiden, einer Nähe die für manche Paare sogar enger empfunden wird, als die mit dem eigenen Lebenspartner.

Zwischen Nervereien, Rivalität und Individualität

Dennoch sei es nicht selten, dass sich Zwillingspaare zumindest zeitweise auch mal trennten, weil sie Abstand brauchten. Viele erwachsene Paare berichten laut Spinath davon, dass es Phasen gebe, in denen der Zwilling ihnen „auf den Geist“ gegangen sei. Die Ursache dafür sieht Spinath eben in ihrer Ähnlichkeit und ihrer besonderen Nähe zueinander. Das sei manchmal nicht nur ein Segen, sondern könne auch auf die Nerven gehen. Irgendwann ende diese Phase aber wieder und die meisten schätzten es als gut ein, einen Zwilling zu haben.

Prof. Frank Spinath (Foto: Jörg Pütz/Pressefoto)
Prof. Frank Spinath ist seit 2004 Professor für differentielle Psychologie und psychologische Diagnostik an der Universität des Saarlandes. Einer seiner Forschungsschwerpunkte ist die Zwillingsforschung.

In ihrer Entwicklung haben Zwillinge im gemeinsamen Leben aber auch andere Herausforderungen zu meistern. „Die Umwelt sucht ja gezielt nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden. Dann ist es auch so, dass kleine Unterschiede immer wieder thematisiert werden. Man ist immer wieder Vergleichen ausgesetzt“, erklärt Spinath. Das passiere besonders häufig in der Schule. Der ständige Vergleich der Leistungen kann die Beziehung belasten und zur Rivalität zwischen den Zwillingen führen.

Gerade in der Pubertät sei es für Zwillinge ein großes Thema, die eigene Individualität herauszustellen und zu betonen "Ich bin etwas ganz eigenes und niemand sonst ist so." Das könne häufig zur Abgrenzung voneinander führen. Auch das sei etwas Spezielles zwischen Zwillingen, betont Spinath: „Die Herausforderung, damit umzugehen haben Nicht-Zwillinge einfach nicht.“ Sobald Zwillinge aber nach der Schulzeit ein eigenes, oftmals voneinander getrenntes Leben führten und die Umwelt sie damit nicht mehr als Paar, sondern als Einzelne wahrnehme, normalisiere sich die Beziehung zwischen den Geschwistern wieder. Das Zwillingssein stehe dann nicht mehr im Vordergrund, sondern gehe in eine Koexistenz über.

Geschwister über ihr gemeinsames Leben

Die „doppelte Dosis Ähnlichkeit“

Über die gesamte Lebensspanne hinweg, seien sich aber gerade eineiige Zwillinge so ähnlich wie man nur sein kann. Nicht nur die Gene, auch die Umwelt und Voraussetzungen wie die elterliche Erziehung oder die finanziellen Möglichkeiten seien gleich. Sie bekommen laut Spinath eine doppelte Dosis Ähnlichkeit ab. Er ergänzt: „Man sieht in vielen Bereichen, dass sie sehr sehr ähnlich sind und ähnlich bleiben“.

Untersucht hat Spinath das unter anderem für das Merkmal Intelligenz. Dabei hat er herausgefunden, wie verblüffend ähnlich sich eineiige Zwillinge über die gesamte Lebensspanne hinweg sind - selbst wenn sie getrennte Wege gehen. Zweieiige Zwillinge unterschieden sich später viel mehr. Trotzdem seien es nicht etwa die Gene, die Zwillinge dazu bringen, das gleiche zu tun oder sich ähnlich zu verhalten, die Tendenz ihres Handelns sei aber oft gleich. „Es ist deshalb nicht überraschend, dass sich die Lebenswege sehr stark ähneln“, erklärt Spinath.

Das Band der Zwillinge

Gegenüber anderen Geschwisterbeziehungen fiele auf, dass Zwillinge durch ihre Nähe zueinander mehr aufeinander bezogen seien als zu anderen Geschwistern. Sie seien als ein Band meist eine stärkere Einheit als die übrigen Geschwister.

Am Ende eines Gesprächs mit Zwillingen stellt Spinath oft die Frage, ob sie wieder als Zwilling geboren werden wollen. Die Antwort bei den meisten: Ja!

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