Gerd Z. gibt Flüchtlingen Deutschunterricht (Foto: Pasquale D'Angiolillo)

Rehlinger Flüchtlingspaten kämpfen für ihre Schützlinge

Isabel Schaefer   25.08.2015 | 14:03 Uhr

Familie Z. aus der Gemeinde Rehlingen-Siersburg zeigt ihren sechs syrischen Schützlingen, was gelebte Willkommenskultur im Saarland ist. Sie begleiten die jungen Männer bei ihrem täglichen Leben als wären es ihre eigenen Söhne. Doch es gibt etwas, das ihnen schlaflose Nächte bereitet.

Gerd Z. freut sich mit seinen Flüchtlingen (Foto: Pasquale D'Angiolillo)

Gerd Z. antwortet auf alle Fragen besonnen und sachlich. Sein Gesicht hat ruhige, zuweilen ernste Züge. Sobald aber seine Flüchtlingspaten im Rehlinger AWO-Stübchen ankommen, geht eine Veränderung in dem ehemaligen Deutschlehrer vor. Er lacht mit den jungen Männern, klopft ihnen auf die Schulter und gestikuliert, als sei er selber Syrer wie sie.

„Herr Z. ist mein deutscher Papa, meine Familie in Deutschland“, sagt Zakaria aus Deir-es-Sor. Seit Februar betreut Gerd Z. zusammen mit seiner Frau Ulrike sechs Flüchtlinge aus Syrien. Immer dienstags bekommen sie Deutschunterricht von der AWO. Mittwochs und freitags unterrichtet der Rentner sie bei sich zu Haus. Mittlerweile sind Flüchtlinge und Paten einander sehr verbunden.

„Es ist ein Vertrauensverhältnis“, sagt Gerd Z.. Wenn einer seiner Schützlinge ins Krankenhaus muss, packt ihm seine Frau einen Schlafanzug und Toilettenbeutel zusammen. Wenn einer von ihnen zu Ämtern muss, begleiten ihn Gerd oder Ulrike Z. Dies ist auch notwendig, wären die Flüchtlinge mit ihrem brüchigen Deutsch doch sonst im Dschungel deutscher Bürokratie verloren.

Folter und Trauma

Ulrike Z. begleitet Zakaria zum Jobcenter (Foto: Pasquale D'Angiolillo)
Ulrike Z. begleitet Zakaria zum Jobcenter

Außer Zakaria sind noch Mohamed sowie die Brüder Tajaldin und Ghazi gekommen. Mohamed und Tajaldin sind 28 Jahre alt und examinierte Juristen. Sie sind beide aufgeweckt und scherzen gern. Ghazi ist 40 und zurückhaltend. Er zieht es vor, schweigend neben Gerd Z. zu sitzen.
„Er spricht nicht mehr viel, leider“, bemerkt Gerd Z., „als wir uns kennengelernt haben, war das anders“.

Die Zivilgemeinde Rehlingen-Siersburg und die Pfarreiengemeinschaft Siersburg hatten im Februar dazu aufgerufen, Patenschaften für Flüchtlinge zu übernehmen. Bei einem Treffen im AWO-Stübchen sollten sich die Ehrenamtler ihre Patenkinder aussuchen. Die Frauen und Familien waren schnell vergeben. Für Gerd Z. blieben noch die sechs syrischen Männer übrig.

Der Syrer Ghazi wurde in Bulgarien gefoltert (Foto: Pasquale D'Angiolillo)
Der Syrer Ghazi wurde in Bulgarien gefoltert

„Im Endeffekt ist es gut, dass sie zu mir gekommen sind“, sagt Gerd Z. Der 40-jährige Ghazi kam sofort auf ihn zu und erzählte ihm, wie er auf seiner Flucht in Bulgarien gefoltert worden sei. Er zeigte dem Rentner Fotos von Elektroschockspuren am Körper. Drei der sechs Flüchtlinge wurden auf der Reise nach Deutschland in Bulgarien aufgegriffen und dazu gezwungen, ihre Fingerabdrücke abzugeben.

Drohende Abschiebung

Ghazi und die zwei anderen Kurden, die über Bulgarien gekommen sind, haben große Angst davor, wieder dorthin abgeschoben zu werden. Alle drei haben inzwischen einen Bescheid bekommen, innerhalb von 30 Tagen Deutschland verlassen zu müssen. Ihre drei Landsmänner, die über Mazedonien, Griechenland und Serbien eingereist sind, hatten kein Problem. Ihnen wurde bereits in Deutschland Asyl gewährt.

Abschiebung nach Bulgarien

Tajaldin kam über Bulgarien nach Deutschland (Foto: Pasquale D'Angiolillo)
Tajaldin kam über Bulgarien nach Deutschland

Laut der Dublin-III-Regelung müssen Flüchtlinge in dem Land Asyl beantragen, in dem sie als erstes europäischen Boden betreten. Das sind üblicherweise die Länder, die Europa nach Osten und zum Mittelmeer hin abschließen. Haben sich die Flüchtlinge hier erstmal – freiwillig oder unfreiwillig – registrieren lassen, haben sie ihr Recht, Asyl in einem anderen EU-Land wie Deutschland zu stellen, verwirkt.


Als Mitglied der EU gilt Bulgarien als sicherer Drittstaat, in dem die Einhaltung der Genfer Flüchtlingskonvention und der Menschenrechtskonvention sichergestellt ist. Laut der Organisation Pro Asyl werden Flüchtlinge in dem armen EU-Land jedoch regelmäßig gefoltert, über Monate inhaftiert und danach der Obdachlosigkeit überlassen.

Kampf für das Bleiberecht

Für Gerd und Ulrike Z. bedeutete das schlaflose Nächte. „Die Bedrohung und Ängste, die wir bei ihnen gespürt haben, wenn sie damit rechnen mussten, nachts zwischen drei und vier Uhr von der Polizei abgeholt, mit dem Flugzeug nach Sofia gebracht und dort sich selbst überlassen zu werden, das war für uns auch belastend.“

Familie Z. kontaktierte den saarländischen Flüchtlingsrat, die Organisation Pro Asyl und das zuständige Ministerium. Sie sammelten Unterschriften und wandten sich an einen Landtagsabgeordneten – alles um die Abschiebung ihrer Schützlinge zu verhindern. Mittlerweile werden die drei Flüchtlinge von einer Saarbrücker Anwaltskanzlei vertreten.

Frustrierte Helfer

Ulrike Z. hat Mitgefühl für ihre Schützlinge (Foto: SR)
Ulrike Z. hat Mitgefühl für ihre Schützlinge

Falls einer von den Dreien tatsächlich abgeschoben werde, so sagt Ulrike Z., wolle sie hinschmeißen. „Das können wir nicht nochmal durchmachen – Ehrenamt hin oder her. Wenn uns die öffentlichen Stellen dann noch schreiben, um uns zu danken, das finde ich ist der Hohn.“ Sie mache schließlich das Ganze nicht wegen der Regierung oder der Parteien, sondern wegen der Menschen, die in Not seien.
Aus Sicht der Flüchtlingspaten ist die Situation absurd: Sie bekommen Schützlinge zugewiesen, sie helfen ihnen dabei, sich zu integrieren, schließen sie ins Herz und dann sollen sie das Land wieder verlassen. Dies sorgt bei den Helfern für Frustration und Unverständnis. Und so gehen motivierte und mitfühlende Helfer für das ehrenamtliche Engagement verloren.

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