Flüchtlingshelfer Brhane Braner  (Foto: Pasquale D'Angiolillo)

Eritreischer Saarländer hilft Flüchtlingen beim Ankommen

Isabel Schaefer   19.08.2015 | 15:27 Uhr

Er ist bereits seit 41 Jahren in Deutschland, aber erinnert sich noch genau, wie schwer es am Anfang war: Kulturschock. Sprache lernen. Alles nicht so einfach. Jetzt hilft der eritreische Dolmetscher Flüchtlingen dabei, sich im Saarland zu integrieren. Sein Engagement geht dabei weit über das Übersetzen hinaus.

Ein kleiner, dunkler Mann mit Che-Guevara-T-Shirt und New-York-Käppi eilt über den Marktplatz in Sulzbach. Von weitem könnte man meinen, er sei ein 15-Jähriger, so jugendlich ist seine Kleidung. Doch in Wirklichkeit hat Brhane B. – Eritreer, Dolmetscher, Flüchtlingshelfer – die 50 längst hinter sich gelassen. Hinter ihm her gehen zwei eritreische Landsleute, mit denen er beim Jobcenter war. 
„Ich muss jetzt nach Saarbrücken, dort ist eine afrikanische Familie, die abgeschoben werden soll.“ Brhane B. soll für sie beim Anwalt dolmetschen. Auf dem Weg dorthin klingelt ununterbrochen sein Handy. So geht es den ganzen Tag.

Interkultureller Flüchtlingshelfer

Warum flüchten aus Eritrea?

Laut Mediendienst Integration ist Eritrea in diesem Jahr eines der zehn Hauptherkunftsländer von Flüchtlingen, die nach Deutschland kommen. Aus keinem Land Afrikas fliehen mehr Menschen nach Europa. Doch warum wollen so viele Menschen weg aus Eritrea? Die meisten fliehen aus Angst vor der Regierung.

UN-Ermittler werfen dem repressiven Regime von Diktator Isayas Afewerki massive Übergriffe, brutale Gewaltanwendung und systematische Folter vor. Minderheiten würden verfolgt, Pressefreiheit gäbe es nicht, die Wirtschaft liege aufgrund internationaler Sanktionen am Boden.

Brhane B. ist einer der wenigen ehrenamtlichen Flüchtlingshelfer im Saarland, die einen interkulturellen Hintergrund haben. Aufgrund seiner Herkunft spricht er Tigrinya, Amharisch, Englisch und Deutsch. Für die von ihm betreuten Flüchtlinge ist das ein Segen: Es kümmert sich jemand um sie, der weiß, wie sie denken, woher sie kommen und welche Probleme sie in Deutschland haben. Für die Behörden, Anwälte und Ärzte ist Brhane B. ebenfalls eine große Hilfe. Die Kommunikation mit den Flüchtlingen fällt tausendfach leichter.
„Wenn die Flüchtlinge hierherkommen, das ist ein Kulturschock. Hier ist es eine ganz andere Welt. Die Esskultur ist anders, die Menschen sind anders. Das Wetter ist anders.“ Brhane B. sagt, bis sich die Flüchtlinge hier eingelebt haben, das dauert. Der Rentner muss ihnen das kleine Einmaleins deutscher Kultur beibringen. Das fängt schon bei so banalen Dingen wie Fußbodenreiniger und Speiseöl an: „Das hat manchmal die gleiche Farbe – gelb. Ich hab schon mal gesehen, dass manche das verwechseln.“

Brhane B. erinnert sich

Flüchtlingshelfer Brhane Braner erinnert sich mit alten Fotos (Foto: Pasquale D'Angiolillo)
Flüchtlingshelfer Brhane Braner erinnert sich mit alten Fotos

Die Sprache ist für Brhane B. das A und O. Wer die Sprache nicht kann, erhält keinen Zugang zur Kultur. Dabei erinnert sich der Eritreer gerne daran, wie schwer es für ihn selbst war, als er 1974 nach Deutschland kam. Damals war er 17 Jahre alt.
„Am Anfang in der Schule, das war so schwer. Ich war fix und foxy. Wenn der Lehrer dann angefangen hat, zu diktieren, dann hab ich gar nicht mehr mitgemacht.“

Brhane B. sagt, er sei als Teenager von dem italienischen Regisseur Pier Paolo Pasolini nach Europa geholt worden, um in einem seiner Filme mitzuspielen. Am Filmset habe er seine spätere Adoptivmutter kennen gelernt, die ihn nach Deutschland holte. Der drahtige kleine Mann hat jahrelang als Altenpfleger in Neuweiler gearbeitet: „Das ist meine zweite Heimat. Da kennt mich jeder vom Fünfjährigen bis zum 95-Jährigen.“

Flüchtlingshelfer Brhane Braner in seiner Jugend  (Foto: Pasquale D'Angiolillo)
Flüchtlingshelfer Brhane Braner in seiner Jugend

Hilfe für neue Einwanderergenerationen

Vor ein paar Jahren begann Brhane B. sich ehrenamtlich für Flüchtlinge zu engagieren. Seinen Job konnte er aufgrund eines Schicksalsschlags nicht mehr ausüben. „Ich hatte eine Gehirnblutung – Aneurysma.“ Nach einer Operation in einer Homburger Klinik und neun Wochen im künstlichen Koma habe er elf Wochen auf der Intensivstation verbracht. In dieser Zeit habe Brhane B. zwei leichte Schlaganfälle und eine Lungenentzündung bekommen. Wider allerseitigem Erwarten überlebte er. „Das hat mir damals die Kraft gegeben, und die gebe ich gerne weiter.“

Mittlerweile ist er als Integrationshelfer bei der Stadt Sulzbach auf 450-Euro-Basis beschäftigt. Sobald die Flüchtlinge und Flüchtlingsfamilien in Lebach registriert und auf die Kommune verteilt worden sind, begleitet Brhane B. sie in jeder Lebenslage. Er übersetzt beim Fußball- oder Leichtathletiktraining für Flüchtlinge. Er begleitet schwangere Frauen zum Frauenarzt oder manchmal auch bis in den Kreissaal. Denn auch dort ist ein Dolmetscher vonnöten. Auch bei vergewaltigten Frauen müsse er manchmal für den Psychologen oder die Ämter übersetzen. Das sei für ihn besonders schlimm, weil er sich natürlich in den Menschen hineinversetze.

Was er an seiner Aufgabe als Flüchtlingshelfer mag, seien die Momente, in denen seine Schutzbefohlenen Asyl bekämen und die Angst von ihnen abfalle. Dann könne er ihre Kinder im Kindergarten oder in der Schule anmelden. „Wenn die dann ihr Leben nach vorne richten können – planen – das freut mich.“

Flüchtlingshelfer Brhane Braner  (Foto: Pasquale D'Angiolillo)
Flüchtlingshelfer Brhane Braner

Eine kräftezehrende Aufgabe

Brhane B. hat ein Handy eigens für seine Flüchtlinge: „Ein Leycamobile, damit es für die Ostafrikaner kostenlos ist.“ Es steht tags und manchmal auch nachts nicht still. Der eritreische Wahlsaarländer muss von einem Termin zum nächsten. Er gelangt dorthin mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Auch wenn er nicht müde wird, hervorzuheben, wer sich in Gemeinden und Kommunen besonders stark für die Flüchtlinge engagiert, eine Erstattung seiner ÖPNV-Tickets wäre für den Rentner eine Erleichterung.

Die Arbeit als Flüchtlingshelfer ist kräftezehrend. Wie lange er den Job in der Form noch machen kann, weiß er nicht: „Manchmal fühle ich mich so müd." Brhane B. habe sogar schon ein leichtes Burnout gehabt. "Da hab ich mir gesagt, du musst dich ein bisschen bremsen. Wenn du anderen helfen willst, musst du erst dir selbst helfen.“

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