Anne Karin 1965 mit Gitarre (Foto: Anne Karin)

Anne Karin: Wie der SR mein Leben beeinflusst hat

 

Die Sängerin, Radio- und Fernsehmoderatorin Anne Karin ist eine waschechte Saarländerin. Obwohl sie seit Jahrzehnten in Schleswig-Holstein lebt, fühlt sie sich nach wie vor dem Saarland sehr verbunden. Und auch dem Saarländischen Rundfunk. Beides gehört für sie eng zusammen – und beides mit ihrem Leben. Ihr erster richtiger Kontakt mit dem SR war eine ziemlich schweißtreibende und nervenaufreibende Angelegenheit. Sie erinnert sich gern daran, wie es dazu kam.

Von Anne Karin

„Anne Karin?“ – „Ah, Sie sind doch vom Saarländischen Rundfunk!" … Na ja, ein bisschen schon. Angestellt war ich nie beim SR, aber ihm immer eng verbunden.

Unsere „Beziehung“ fing früh an. Sogar schon mit seiner Fernseh-Vorgängerin „TELESAAR“ (von Ende 1953 bis Mitte 1958 auf Sendung) hatte ich zu tun. Dort gab es in den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts am frühen Abend eine Sendung für Kinder mit dem „Märchenonkel“ Werner Jakobi. Eigentlich war er ja der Märchenonkel vom Kinderfunk auf Radio Saarbrücken. Den SR gab es erst ab 1957. Meine Eltern hatten ein Elektrogeschäft und deshalb auch schon einen Fernseher – damals eine Ausnahme.

Mein Bruder und ich haben an einem Malwettbewerb von Tele Saar teilgenommen und gewonnen. Wie die Aufgabe hieß, weiß ich nicht mehr, vielleicht „Wo willst Du leben?“ oder so ähnlich. Mag sein, dass es nur drei Einsendungen gab. Mein Bruder hat jedenfalls den zweiten Platz belegt und ich den dritten. Er hat eine Stadt gemalt mit Hochhäusern, Autos, Motorrädern, Straßenbahn. Mein Bild zeigte Ziegeldächer und Kirchturm, Giebelhaus mit Garten und Apfelbaum.

Mehr zu „Üb mit – bleib fit“:

Zum SR bekam ich dann als junge Sportstudentin an der Universität des Saarlandes Kontakt. Werner Zimmer, damals Sportchef, wählte für die SR-Fernsehsendung „Üb mit – bleib fit“ von Zeit zu Zeit unter Sportstudentinnen Mitstreiterinnen aus. Die Serie hatte den Untertitel „Gymnastik für den Hausgebrauch“ und lief 1966 zum ersten Mal über den Sender.

Es war schon ganz schön aufregend, als Werner für die Staffel, die während des Sommersemesters 1968 produziert wurde, wieder im Sportinstitut der Universität auf Suche ging. Und dann war ich sogar mit dabei, toll!

Helga Bühler-Hoffmann und Werner Zimmer (Foto: SR)
Die beiden Moderatoren der SR-Fernsehsendung „Üb mit – bleib fit“: Helga Bühler-Hoffmann und Werner Zimmer.

Anne Karin in "Üb mit - bleib fit" (Foto: SR)
Anne Karin 1968 in der SR-Fernsehserie „Üb mit – bleib fit“.

Werner moderierte die Sendung zusammen mit Helga Hoffmann, der saarländischen Super-Fünfkämpferin und „Miss 6 Meter“, die vielfache Deutsche Meisterin war und auch international erfolgreich. Ich kannte sie natürlich und war mächtig stolz darauf, dass ich zuvor schon mal bei einem Leichtathletik-Vergleichskampf Saarland-Belgien-Mittelrhein in Brüssel mit ihr in einer Mannschaft gestartet war.

Und nun schnupperte ich zum ersten Mal Fernsehstudio-Luft. Helga erklärte und zeigte die Übungen, wir vier Studentinnen machten sie nach. Die Zuschauer zuhause sollten dann unserem Beispiel folgen. Stuhlsitz, Stuhllehne, Waschmitteltonne, Buch, Ball, Besenstiel, alles, was man sowieso zu Hause hat, wurde als Hilfsmittel genutzt, um Muskeln und Gelenke zu bewegen und zu trainieren – das Ganze aber mit musikalischer Begleitung. Live im Studio half uns das Fritz Maldener Trio mit Klavier, Schlagzeug und Kontrabass einen gemeinsamen Rhythmus für die Übungen zu finden.

Es hat riesig Spaß gemacht, doch es war auch sehr anstrengend. Denn pro Tag wurden mehrere Sendungen produziert, und jede musste klappen wie live. Das Aufzeichnungsmaterial konnte zwar schon geschnitten werden, aber man hätte die Schnitte gesehen und gehört.
Also: Alles am Stück bitte, am besten ohne Panne. Die gab’s natürlich trotzdem. Werner oder Helga versprachen sich mal, oder einer von uns lief der Ball weg, oder das Balance-Buch fiel vom Kopf. Kein Problem – nur, zu oft durfte das nicht passieren. Und so hieß es doch bei der ein oder anderen Sendung: „Alles auf Anfang “, was den Druck natürlich erhöhte. Der entlud sich gelegentlich dann in ausgiebigem Gelächter. Erst „Üb mit – bleib fit, die Dritte“ – oder Vierte hat uns schließlich wieder in die Bahn gebracht.

Durch „Üb mit – bleib" wurde ich dann „entdeckt“. Nein, nicht als Turnerin. Als Sängerin. Seit Jahren schon spielte ich Gitarre und sang. Mit 14 hatte sich meine helle Kinderstimme in die Tiefe entwickelt und ein eigenes Timbre bekommen. Die ersten Lieder, die ich für mich entdeckte, waren Chansons von Françoise Hardy. Aber meine große Leidenschaft galt der internationalen Folklore, möglichst in den Originalsprachen.

Anne Karin in Jugendzeiten (Foto: Anne Karin)
Anne Karin und ihre Gitarre – seit Kinder- und Jugendzeiten unzertrennlich.

Schon im Gymnasium war ein Wandertag ohne Anne mit Gitarre nicht denkbar, und auch bei jedem Leichtathletik-Wettkampf tauschte ich mit anderen folkbegeisterten Sportlern Lieder aus. Ein Studienkollege, Friedrich Hatzenbühler, der später einer der Väter der Saarlandwelle wurde, jobbte damals beim SR-Fernsehen und erzählte dem Toningenieur des Aktuellen Berichts, Winfried Götzinger, dass da unten im großen Studio eine Studentin „turnt“, die „echt“ singen kann. So kam es, dass ich am nächsten Tag nach dem „Turnen“ mit meiner Gitarre im Aktuellen-Bericht-Studio saß und sang. Als wir die Aufnahmen später bei offener Tür abhörten, kamen alle möglichen Leute rein und fragten: „Wer singt denn da … ne neue Stimme …. Klingt ja interessant … da müsste man doch mehr draus machen …“ Dabei war auch Klaus Flätgen, einer der verantwortlichen Redakteure im SR-Fernsehen.

Irgendjemand kannte einen Musikproduzenten aus Dudweiler, Rudi Strassner, der für mich zwei Schlagertitel schrieb: „Ich will warten, bis für mich die Liebe kommt“ und „Alle Rosen der Welt“. Der Text stammte von dem durch Radio Luxemburg bekannten Camillo Felgen. Allerdings wollte ich ja eigentlich nie Schlager singen. Deshalb wurde als Kompromiss eine LP mit internationaler Folklore vereinbart.

Rudolf Strassner (Foto: SR)
Musikproduzent Rudi Strassner machte die erste Schallplatte mit Anne Karin.
Anne Karin, Plattencover (Foto: Musikverlag)

Doch noch bevor es zu Plattenaufnahmen kam, hatte ich einen ersten bundesweiten Fernsehauftritt mit Gesang, und zwar beim ZDF, im Aktuellen Sportstudio. Das kam so: Ich hatte mich für das Internationale Jugendlager bei den Olympischen Spielen 1968 in Mexiko qualifiziert. Zu dem Wettbewerb lud das Familienministerium in Bonn schon seit den Olympischen Spielen in Helsinki jeweils vier Jahrgänge Jugendlicher ein.
Erst auf Kreis-, dann auf Landes-, und schließlich auf Bundesebene musste man sich mit anderen auf geistiger, sportlicher und musischer Ebene messen. Ich hab's gepackt und wurde im Sommer zusammen mit ein paar Jungs als Vertreter der Deutschen Jugend ins Sportstudio eingeladen, um Harry Valerien und den Zuschauern von dem Wettbewerb und der Reise, die am 6. Oktober starten sollte, zu erzählen. Mit einem mexikanischen Lied, bei dem die Jungs mich rhythmisch und mit Mundharmonika begleiteten, machten wir den Auftritt perfekt.

Klaus Flätgen lud mich daraufhin ein, nach der Mexikoreise in seiner Sendung „Saarbrücker Bilderbogen“ von den Erlebnissen zu berichten und natürlich auch zu singen. Dazu sollte es aber nicht kommen: Ein paar Tage später sagte mir nämlich Winfried Götzinger, dass etwas, das für die aktuelle Sendung geplant war, ausgefallen wäre, und man mich als Ersatz reinsetzen wollte. „Aber mach das nicht, das ist nichts Richtiges für Dich, Du bist nur Lückenbüßer.“ So ähnlich muss ich dann auch geantwortet haben, als Flätgen mich fragte, ob ich schon zur nächsten Sendung kommen könne. Ziemlich naiv war das – und die Quittung hieß: keine Einladung nach der Mexikoreise. „Die ist noch nix, hat noch nix, aber Starallüren.“

Allerdings hätte ich sowieso nicht von Mexiko berichten können: Die ersten Schallplattenaufnahmen waren im Kasten, als ich am Abend des 29. Septembers, meinem Geburtstag, rund eine Woche vor Abflug zu den Olympischen Spielen, in einem Taxi in Berlin verunglückte: Schädelriss, Gehirnerschütterung und vier Wochen Westend-Krankenhaus.

Anne Karin und Franz Josef Röder (Foto: Werbeatelier Reis)
Anne Karin mit dem saarländischen Ministerpräsidenten Franz-Josef Röder (CDU).
Anne Karin und Oskar Lafontaine (Foto: Anne Karin)
Auch Oskar Lafontaine (damals SPD) hat ihre Chansons gern gehört.
Heute lasse ich Luftballons steigen (Foto: SR)
Kleine Filme mit jeweils einem Titel an mehreren saarländischen Drehorten – das waren Anne Karins erste Auftritte im SR-Fernsehen (Kamera: Sigi Baumann).

Die Verletzungen und die Enttäuschung habe ich überstanden, nicht zuletzt mithilfe der vielen Briefe, Karten, Blumen, über die sich täglich die ganze Station wunderte. Denn bei der öffentlichen Verabschiedung der drei saarländischen Olympiafahrer wurde bekannt, was mir widerfahren war. Und von Freunden, Studienkollegen, der Sportredaktion des SR, vom SR-Intendanten über den Saarländischen Sportbund und Leichtathletik-Verband, von der Deutschen Sportjugend, dem ZDF-Sportstudio, vielen wildfremden Menschen bis zum Kultusminister und dem Ministerpräsidenten des Saarlandes kamen tröstende Worte.

Wiederhergestellt, hat auch Klaus Flätgen wieder mit mir geredet und zugestimmt, dass Sigi Baumann mit mir mehrere kleine Portraits aufnahm mit jeweils einem Song zur Gitarre in unterschiedlichen Ecken des Saarlandes. So produzierten wir zum Beispiel einen Song über die Folgen des atomar verseuchten Regens auf einer Schlackenhalde nahe der Grube Heinitz.

Im großen Sendesaal hat Rudi Strassner mit mir die versprochene LP mit internationaler Folklore produziert. Aus den Schallplatten wurde allerdings weiter nichts Großes. Ich studierte und verdiente mir ein Taschengeld mit kleinen Gesangsauftritten zur Gitarre.

Dann landete die LP aber auf dem Tisch von Teddy Parker (Sänger u. a. von „Nachtexpress nach St. Tropez“), der beim Bayerischen Rundfunk Musikredakteur war. Er legte sie dem Münchner Produzenten und Texter Gerd Thumser („In Hamburg sind die Nächte lang“) ans Herz, und so kam ich zu dem Plattenvertrag, der mich über die Grenzen des Saarlandes hinaus bekannt gemacht hat.
Ich beendete mein Studium als Diplomsportlehrerin, legte das Diplom in die Schublade und sprang ins Showgeschäft.

Bei Veranstaltungen habe ich meine Lieder gerne selbst anmoderiert. Meine „natürliche Art“ hat dem Musikchef der Europawelle Saar, Dr. Reimund Hess, gefallen. So konnte ich erste Moderations-Erfahrungen sammeln und auch Musiksendungen zusammenstellen. Ich durfte Dieter Thomas Heck ab und zu vertreten, habe seinen „Schlagerkoffer“ und die Sendung „Späte Gäste“ der Europawelle Saar moderiert.

Anne Karin mit Manfred Sexauer (Foto: Anne Karin (Foto oben))
Anne Karin mit Manfred Sexauer
Anne Karin und Manfred Sexauer (Foto: Rolf Ruppenthal (Foto unten))
Manfred Sexauer: Für Anne Karin erst ein „Schwarm“ im Radio, dann ein sehr geschätzter Partner bei vielen Auftritten.

DIE Sendung auf der Europawelle für uns Junge war damals allerdings „Hallo Twen“ mit Manfred Sexauer – ihn haben wir geliebt. Manche Promis liebt man als Fan, doch wenn man sie dann kennenlernt, weiß man nicht mehr warum. Anders bei Sexi. Er war ein wunderbarer Mensch, Kollege, Freund.

Viele Male bin ich bei Rückkehr von Veranstaltungen bei ihm in die „ARD-Nacht“ einfach so reingeschneit. Das kleine Nacht-Team, Techniker/in, Nachrichtensprecher und Moderator, musste ja nicht nur die Hörer über die Runden bringen, sondern auch sich selbst. So war Besuch immer willkommene Abwechslung. Da ging denn auch so mancher Folksong live über den Sender.

Einmal sprachen wir darüber, wie schön „locker vom Hocker“ der Moderator plaudern durfte, der Nachrichtensprecher dagegen immer seriös bleiben musste, egal,was um ihn herum passierte. Und der, ich glaube, es war oft Horst Klein, hat auch nie die Contenance verloren, egal was für Faxen wir durch die Scheibe Richtung Sprecherstudio machten.

Horst Klein (Foto: SR)
Horst Klein: ein beliebter SR-Nachrichtensprecher in Radio und Fernsehen mit guten Nerven.

Nach irgendeiner Reparatur war im Studio eine Treppenleiter stehen geblieben: „Das kannst du nicht, Nachrichten von der Leiter“ – „Kein Problem!“ Die nächsten Nachrichten las Horst Klein mit Handmikro von der obersten Stufe der Leiter, Sexi hielt ihm die Nachrichtentexte, ging aber rückwärts die Leiter runter, so dass Horst Nachrichten sprechend folgen musste. Leiter runter, auf der anderen Seite wieder rauf und oben wieder hinüber – ein aufregender Spaß, und alles ging gut – Profis eben.

Im Dezember 1967 hat Axel Buchholz im aktuellen Abendmagazin „Zwischen heute und morgen“ der Europawelle das Weihnachtswunschkonzert „Europawelle Saar hilft helfen“ ins Leben gerufen. Es war eine Spendenaktion, die den SOS-Kinderdörfern zugutekommen sollte. Sie breitete sich schnell von der einen Sendung auf fast die ganze Europawelle aus.

Plakat SR 1 hilft helfen (Foto: SR)
Immer wieder an Weihnachten „Europawelle Saar hilft helfen“zugunsten der SOS-Kinderdörfer in Deutschland und der Welt.
Anne Karin und Wolfgang Gretscher (Foto: Anne Karin)
Europawellen-Moderator Wolfgang Gretscher und Anne Karin: ein erfolgreiches Team beim Spendensammeln für die SOS-Kinderdörfer.

Es war aber eine ganz andere als bisher bekannte Aktionen. Geld sammeln für einen guten Zweck ist das Eine, gleichzeitig Unterhaltung bieten und über Wochen hin Spannung aufbauen, die alle miteinander verbindet, Sammler, Spender und Mitwirkende der dafür organisierten Veranstaltungen, ist das Andere, und das garantiert Begeisterung und Engagement. SR-Moderatoren suchten sich ein Lied aus und warben damit um Spenden für die SOS-Kinderdörfer. Sieger war, wer mit seinem Titel am meisten gesammelt hatte.

Nicht nur einzelne Hörer haben sich beteiligt, ganze Vereine und Firmen bestimmten mit ihrer Spende den Stand der Hitparade, über den immer wieder neu informiert wurde.

In einem Jahr hat der SR auch drei Kinderchöre mit Solointerpreten ins Rennen geschickt. Cindy und Bert sangen mit dem Düppenweiler Kinderchor. Der Zweibrücker Kinderchor nahm mit Owen Williams einen Titel auf.

Und ich sang mit dem St. Wendeler Kinderchor ein lustiges finnisches Volkslied: „Seht wie lieblich ist mein Lieb“. Ich glaube, es war der Europawellen-Moderator Wolfgang Gretscher, der unserer Kinderchor-Aufnahme zu einem vorderen Platz verholfen hat – keine Ahnung mehr, welchem genau.

So ermutigt, hat Wolfgang Gretscher sich 1972 für meinen Titel „Traummelodie für zwei“ entschieden. Das war meine erste Single, produziert von Gerd Thumser für Teldec. Damit ist er, glaube ich, auf Platz zwei oder drei gelandet. – Sehr ehrenvoll hinter Manfred Sexauer, der, wenn ich mich recht erinnere, mit „Alone again“ von Gilbert O'Sullivan siegte.

Gerne denke ich an viele öffentliche SR-Veranstaltungen mit Martin Arnhold, Brita-Maria Carell, Bernd Duszynski Peter Maronde und Alf Wolf. Sie fanden nicht nur im Saarland statt, sondern natürlich auch in der Pfalz, in Lothringen und sogar auf der Fähre von Kiel nach Göteborg. Wir waren in Festhallen und -zelten, in Diskotheken und unter freiem Himmel. Mit Klaus Groth und den bunten Funkminuten waren wir landauf, landab kochend und backend in diversen Küchen zu Gast.

Anne Karin im SR Messestudio (Foto: Anne Karin)
Anne Karin als Moderatorin im SR Messestudio auf dem Saarbrücker Messegelände.

So unterschiedlich die Orte, so unterschiedlich auch das Publikum. Sich auf alle einstellen zu können mit Programmgestaltung und Ansprache, war eine besondere Herausforderung, die der SR wuppte und zu dem machte, was damals jeder ohne zu zögern bestätigte: Das ist „Unser Sender“. Die größte Herausforderung für mich waren zwei Veranstaltungen im Knast. „Hallo Twen“ (wohl live) aus der JVA Zweibrücken und der Jugendstrafanstalt Ottweiler, wo ganz persönliche Gespräche zwischen Sexi und einigen der Insassen und handgemachte Musik eine überwältigende Resonanz fanden.

Noch als Schülerin habe ich in meinem Heimatort bei der Elversberger Narrenzunft die Fastnachtssitzungen gesanglich bereichert mit Liedern aus aller Welt, je nach Motto der Session. Höhepunkt des Auftritts war immer, weil ja auch was Lustiges dabei sein sollte, das saarländische Mundartlied „Mir han gespielt am liebschte nur im Dreck“, das bis dahin vergessen irgendwo geschlummert hatte.

Auch bei meinen Auftritten als Schlagersängerin war später dieses Lied im Saarland immer der große Hit und wurde dort dadurch zu meinem „Markenzeichen“. So konnte ich auch den Münchner Ralf Siegel, Mitte der 70er Jahre mein Produzent, davon überzeugen, den Titel auf Schallplatte heraus zu bringen.
Die Aufnahme entstand 1978 im großen Sendesaal des SR. Wolfgang Kowatsch (Pianist im SR-Tanzorchester unter Eberhard Pokorny und Leiter der Halberger Musikanten) schrieb das Arrangement, Musiker des SR-Orchesters spielten, und neben mir sangen meine gesamte Familie und meine Nichte mit Kindergartenfreunden. Letztere spielen auf dem Cover natürlich auch im Dreck.

Cover "Mir han gespielt" von Anne Karin (Foto: Jupiter Records)
Single "Mir han gespielt am liebschte nur im Dreck" von Anne Karin (Foto: Jupiter Records)
Cover und Single "Mir han gespielt am liebschte nur im Dreck" von Anne Karin

Das Lied wurde im Radio oft gespielt, und mit ihm wurde ich auch in Fernsehsendungen wie „Im Krug zum grünen Kranze“ und „Kein schöner Land“ eingeladen. Es machte so Furore, dass ich heute noch mit nur einer Single in Mundart als saarländische Mundartsängerin angesprochen werde.

Anne Karin in "Im Krug zum grünen Kranze" (Foto: SR)
Anne Karin zu Gast in der SR-Fernseh-Sendung "Im Krug zum grünen Kranze" bei Moderatorin Ruth Mönch (l.)

Zum Programm des SR, gehörten auch Sendungen, die die Kirchen gestalteten. Medienbeauftragter des Bistums Trier war damals der Bübinger Pfarrer Karl Heinz Pfeiffer. Er betrat gerne neue Pfade mit seinen Beiträgen. So hat er „Heute lasse ich Luftballons steigen“, ein Lied über den Zustand der Welt und den Wunsch, dass die Menschen vernünftiger mit ihr und miteinander umgehen sollen, mit mir fürs SR-Fernsehen ins Bild gesetzt und geistlich kommentiert.

Für eine Krankenandacht im Hörfunk wählte Pfarrer Pfeiffer einmal u. a. das Thema Liebe. Ich sang dazu Lieder aus Israel in Hebräisch, Jiddisch und Deutsch. Dazwischen las Pfarrer Pfeifer aus dem Hohelied Salomos: „Ja, Du bist schön, meine Freundin. Deine Augen glänzen wie das Gefieder der Tauben, Dein Haar fließt über deine Schultern wie eine Herde Ziegen, die vom Gebirge Giliad ins Tal zieht …“ Das Hohelied beschreibt dann die geliebte Braut mit wunderschön poetischen Vergleichen weiter: von Kopf bis Fuß, über Haare, Augen, Wangen, Lippen, Zähne und Nacken. Das tat auch Pfarrer Pfeifer. Nach „Deine Brüste sind wie Trauben des Weinstocks“, sagte er zu mir: „Da muss ich aufhören, sonst fallen mir die Kranken aus dem Bett.“

Ein „mal ganz anderes“ Weihnachtslied, das ich für den Düppenweiler Kinderchor geschrieben habe, hieß „Weihnachten der Tiere“. Pfarrer Pfeiffer nahm es in einem katholischen Rundfunkgottesdienst zu Weihnachten zum Anlass, über die Schöpfung Gottes zu predigen. Ich sollte zur Gitarre singen, gab aber zu bedenken, dass ich ja evangelisch sei.
„Na und?“, meinte Pfeifer, „es singt auch der Kinderchor, und den leitet die Frau des evangelischen Pfarrers“ – und das alles war vor gut 40 Jahren.

Anne Karin und Jan Hofer bei der Taufe ihres Sohnes Roman in Bübingen (Foto: Anne Karin)
Taufte Anne Karins Kinder: Rundfunkpfarrer Karl Heinz Pfeiffer.

Diesen wunderbaren Pfarrer wünschte ich mir als Lehrer für meine Kinder. Deshalb wurden sie, obwohl ich evangelisch bin, katholisch getauft – natürlich in Saarbrücken-Bübingen, wo Pfeiffer seine Gemeinde hatte. Dass sie nicht im Saarland groß werden sollten, wusste ich da noch nicht.

An die Fernsehmoderation der SR-Serie „Kleintierpraxis“ erinnere ich mich auch gerne. Mehr als einmal musste ich über meinen Schatten springen – hinterher ein „saugutes“ Gefühl: eine Schlange habe ich angefasst, war quasi auf Tuchfühlung mit einem Kaiseradler und ließ mir von einer siamesischen Katze die Schultern zerkratzen. Katzen wollen halt nicht so wie Regisseure, sie sind freiheitsliebende Tiere. Immer wieder witschte sie mir vom Schoß, und Kameramann Sigi Baumann tobte: „Jetzt halt die Katze endlich fest, Herr Gott nochmal“. Und ich hielt sie fest. Sie wollte zwar über meine Schulter fliehen, aber sie hatte keine Chance. Das tat weh, mir, nicht der Katze – aber: lächeln. Immer lächeln!

Anne Karin und Emil Schäfer (Foto: Anne Karin)
Anne Karin und SR-Unterhaltungsredakteur Emil Schäfer.

Als 1980 die Saarlandwelle ins Leben gerufen wurde, war es Unterhaltungsredakteur Emil Schäfer, der mich als Moderatorin warb. „Frohes Wochenende“ hieß die Sendung, durch die ich die Hörer fünf Jahre lang samstags von 15 bis 17 Uhr begleitete: mit Schlagererinnerungen, Mundartgedichten, Mundartschule und Salonmusik. Das gab mir Gelegenheit, selbst ausgesuchte Geschichten und Anekdoten vorzulesen. Es hat viel Freude gemacht, vor allem auch die Zusammenarbeit mit dem Redakteur Lutz Hahn, der sich auch im Ruhestand noch engagiert für die Mundart im Saarland einsetzt.

Viele weitere Kollegen sind mir unvergessen: Aufnahmeleiter und Redakteur Gerd Arend, SR 3-Musikredakteur Michael Breit, Sportreporter Hans Berwanger, Regisseur Günter Bruns, Roswitha Kunze (im Vorzimmer von Werner Zimmer), Landespolitik-Redakteur Wolfhard Liegmann, Wolfgang Linz (an der SR-Pforte), „Bunte-Funkminuten“-Moderator Bernhard „Stigu“ Stigulinszky, Maskenbildnerin Hilde Thiesen, Reporter Harry Urbano, Hörfunktechnikerin Hildegard Wachter und, und, und … natürlich Axel Buchholz, der ja immer noch leidenschaftlich für die Journalistenausbildung und den SR wirkt. Gäbe es sonst die „Fundstücke zur SR-Geschichte“ und diesen Text?

Es war eine schöne Zeit, die zu Ende ging, als ich 1985 mit Mann und Kind nach Norden zog. Nur sporadisch tauchte ich noch beim SR auf, kein Wunder, denn von 1988 an hatte ich zwei Söhne und einen festen Arbeitsplatz beim NDR in Kiel.

Anne Karin und Jan Hofer mit Kindern (Foto: Anne Karin)
Anne Karin und Jan Hofer: erst SR-Kollegen, dann ein Paar.

Ach ja, apropos Mann – da war auch der SR beteiligt. War es im Sommer 1976? Ich sollte jedenfalls den Anstoß geben bei einem Benefit-Fußballspiel in Bildstock oder Quierschied, Heimmannschaft gegen SR-Mannschaft. Ich begrüßte die Spieler per Handschlag, machte den Anstoß und fuhr los zu einem Auftritt.

In dem SR-Team spielte aber einer mit, den ich noch nicht kannte. Dieser Neue hat mich ein paar Wochen später bei einer Veranstaltung in Lebach angekündigt. Hinterher fragte er mich nach der „Nacht der Flamingos“, die überall plakatiert war. So landeten wir denn nach Ende der Lebacher Veranstaltung noch spät im Saarbrücker Zoo und noch später in einer Diskothek in der Stadt. Weil danach kaum mehr Zeit zum Schlafen war, überbrückten bei mir in Dudweiler auf dem Balkon meine Gitarre und meine Lieder die restlichen Stunden bis zu seiner Frühsendung.

Am Vormittag erhielt ich von ihm einen wunderschönen Blumenstrauß mit Dankeskarte und der Anfrage, ob ich ihm nicht am Wochenende etwas vom Saarland zeigen wollte … und so lernten wir uns kennen, Jan Hofer und ich.

Als unser Sohn Alexander im Januar 1984 geboren wurde, moderierte der Vater für den SR irgendeine Sendung in Essen. Aber er hat es noch rechtzeitig geschafft, uns zu sehen, bevor ein Team des Aktuellen Berichts Mutter und Kind im Dudweiler Krankenhaus bei (dem späteren) Afrika-Arzt Dr. Schales aufnahm, um das Land über diesen SR-Spross zu informieren.

Anne Karin: 27 Jahre lang Moderatorin und Redakteurin beim NDR (zum Vergrößern bitte anklicken).

Die Beziehung mit Jan hat nur bis 1995 gehalten. Die Kinder sind inzwischen erwachsen. Ich wohne weiterhin in Schleswig-Holstein. Aber das Saarland bleibt meine Heimat. Und obwohl ich rund 27 Jahre lang als Fernseh-Moderatorin und Redakteurin für den NDR in Kiel gearbeitet habe, bleibt der SR mein Heimatsender.

Ein Lied habe ich geschrieben, dessen Refrain meine Verbundenheit mit dem Saarland besonders ausdrückt.
Saarland, Saarland, Du bischt unser beschtes Stück,
Wer nur äämol bei dir war, kommt immer gäär zerück
Klään lieb Ländche, mei Herz das hat sich feschtgeleet
Bei dir bin ich dehemm, egal wohin de Wind mich weht.

Der SR kommt darin nicht vor, okay – aber die gehören doch zusammen, Land und Sender. Saarland ohne SR geht einfach nicht – oder?

Redaktion für den Arbeitskreis SR-Geschichte: Axel Buchholz (ab); Eva Röder (Gestaltung/Layout), Roland Schmitt (Fotos/Recherche); Mitarbeit: Sven Müller.

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